Ansatz an vorangegangen Artikel
In meinem letzten Artikel „Yoga für Läufer“ habe ich bereits erläutert in wie weit sich Yoga auf physischer Ebene als Mobilitäts- und Stabilitätstraining eignet, um die Leistungsfähigkeit zu steigern, die Regeneration zu unterstützen und Verletzungen vorzubeugen. Auch der mentale Aspekt wurde dabei angesprochen. Mit diesem Artikel und Video möchte ich einen kleinen „Nachschlag“ liefern. Der Fokus liegt diesmal auf den beim Laufen stark beanspruchten Faszien.
Was passiert beim Laufen mit den Faszien
Die Faszien bilden ein weit verflochtenes, multifunktionales Netzwerk, das den gesamten Körper durchzieht und beeinflusst. Abhängig von ihrer Funktion verändert sich auch die Struktur der Faszien. Stark belastete Faszienzüge wie die Achillessehne weißen beispielsweise einen deutlich höheren Anteil an Kollagen auf sowie eine eher parallel angeordnete Kollagenstruktur, um den starken Zugbelastungen stand halten zu können. Bei flächigen Faszien sind diese scherengitterartig ausgerichtet, da die Zugbelastungen hier multidirektionaler sind. Egal wo die Faszien liegen, sie haben immer die Eigenschaft Zug- und Druckbelastungen abzufangen und durch den Körper weiterzuleiten.
Faszien sind Energiespeicher. Bei elastischen Bewegungen wie federn und hüpfen konnte in Studien nachgewiesen werden, dass es weniger die Muskelfasern sind, die kontrahieren, sondern viel mehr das Sehnengewebe das seine Länge verändert – ähnlich wie ein Jo-Jo. Sind unsere Faszien also geschmeidig, können sie einen hohen Teil der Belastung abfangen und in Energie umwandeln. Folglich sind die Bewegungen für die muskulären Anteile deutlich ökonomischer. Die Energiespeicherung findet beim Laufen in der exzentrischen Phase der Fortbewegung statt, während der Fuß Kontakt zum Boden hat. In der Abstoßbewegung, der konzentrischen Phase der Fortbewegung, kommt es zu einer Energieentladung. Das Knie streckt sich und der Fuß verlässt den Boden. Dieser biomechanische Mechanismus wiederholt sich mit jedem Schritt. Es liegt also auf der Hand, dass elastische Faszien zur Leistungssteigerung im Sinne einer Ökonomisierung des Laufstils beitragen.
Man könnte nun davon ausgehen, dass ein isoliertes fasziales Training der unteren Körperbereiche genüge. Wie du im vorangegangen Artikel schon lesen konntest, ist Laufen eine gegengleiche Pendelbewegung die den gesamten Körper betrifft. Denke beim Training global, denn auch das Fasziennetz durchzieht global den gesamten Körper und verbindet alles mit allem. Man kann nicht den Körper isoliert trainieren und dann davon ausgehen, dass der gesamte Körper davon profitiert.
Faszien-Yoga für Läufer – die konkreten Techniken und deren Benefit
Im Yoga betrachten wir den Körper als eine Einheit. Yoga ist ein hervorragendes Faszientraining, denn durch die komplexen, langkettigen Dehnungen werden nicht nur einzelne Bereiche, sondern ganze kinetische Muskel-Faszienketten angesprochen, die sich durch den gesamten Körper ziehen.
Im Faszien-Yoga ergänzen wir diese Basis mit kleine Bewegungsvariationen, um die Yoga-Praxis noch „faszialer“ zu machen.
Fascial Stretch – multidirektionales Aufspannen
Beim faszialen Stretch geht es nicht darum, bewegungslos in einer Haltung zu verharren. Durch Richtungs- und Winkelwechsel werden die Faszien in verschiedene Richtungen aufgespannt. Ziel ist es, durch das Faszien-Training die Ausrichtung der Kollagenfasern in ein scherengitterartiges Netzwerk zu bringen. Dazu sind Dehnimpulse notwendig. Die neu gebildeten Kollagenfasern richten sich entsprechend der auf sie wirkenden Zugbelastungen aus.
Technik: Du kommst in die gewünschte Haltung, z.B. in die Vorbeuge um die hintere Faszienkette anzusprechen. Hier bewegst du dich intuitiv in verschiedene Richtungen mit dem Oberkörper und den Beinen. Spanne dich in alle mögliche Richtungen auf, um viel Bewegungsvielfalt zu erreichen.
Rebounding – die kinetische Energie nutzen
Federnde Bewegungen halten die Faszien elastisch und verbessern dadurch die Fähigkeit der Faszien die Elastizität durch Energiespeicherung- und Abgabe zu nutzen. Plyometrische Übungen und Counterbewegungen sind ebenfalls sinnvoll, um neue Varianten zu integrieren. Da das Fasziengewebe sehr Anpassungs- und Leistungsfähigkeit ist, sind solche Bewegungsvarianten perfekt, um im Yoga neuen Potentiale zu nutzen.
Technik: Federn, hüpfen und schwingen – um die kinetische Speicherkraft zu nutzen, stehen uns verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Nicht in jeder Haltung lässt sich hüpfen, daher übungsabhängig entscheiden was umgesetzt werden kann und dabei kreativ sein.
Faszien-Tipp für Langstreckenläufer:
Faszien bestehen nicht nur aus Kollagen und Elastin, sondern auch zu einem Großteil auch aus Flüssigkeit. Ohne diese Flüssigkeit hätten unsere Faszien nicht den federartigen, stoßdämpferähnlichen Charakter. Bei Dauerbelastungen wird das Fasziengewebe mehr und mehr ausgepresst, sodass die abfedernde Wirkung verloren geht. Kurze Gehpausen von bereits 2-3 Minuten reichen aus, um die Rehydration zu unterstützen. Eine Marathon Studie von Prof. Dr. K. Hottenrott konnte zeigen, dass die Probanden, die den Marathon mit Gehpausen absolviert haben weniger Muskelschmerzen und Probleme während des Laufs hatten und auch danach weniger erschöpft waren. http://www.hna.de/sport/regionalsport/gehphasen-haben-gebracht-2923519.html
Gesunde und flexible Faszien sind nicht nur für Läufer interessant. Alle Sportarten in denen überwiegend fasziales Gewebe (Bänder, Sehnen, Muskelfaszien) bei Verletzungen betroffen ist können profitieren und vorbeugen.
Eure Katharina Brinkmann
Mehr zu diesem Thema findet ihr im neuen Buch von Katharina: Yoga-Faszientraining