Welche Komponenten des Functional Trainings bieten in welcher Konstellation, Dosierung und Intensität einen minimalen zeitlichen Aufwand bei maximalem Nutzen für den Kunden? Personal Coach Thomas Korompai liefert einen Ansatz aus der Praxis zur effizienten Gestaltung des Umgangs mit„normalen“ Kunden oder, wie er sie nennt, „Athleten des Lebens“. Im Fokus steht das funktionelle Krafttraining, wobei auch Mobility-Movements und Intervalltrainings eine wichtige Rolle bei diesem Ansatz spielen.
Passionierte Trainer lieben ihren Beruf. Umso ernüchternder ist es, dass Kunden die Begeisterung für Details dieser Arbeit meistens nicht teilen oder nachvollziehen können. Passionierte Trainer lieben und leben Feinjustierungen jeder einzelnen Übung, dabei ist das Training für den Kunden in der Regel vor allem eins: Mittel zum Zweck. Trainer dürfen dabei die Begeisterung für die Sache mit jeder Faser ihres Körpers leben, müssen aber auch akzeptieren, dass sich der Kunde häufig danach sehnt, mit dem geringsten Aufwand den größtmöglichen Benefit zu erreichen. Lasst uns dem Kunden genau das bieten – und exakt darauf zielen auch die folgenden Zeilen ab.
Pragmatische Lösungsansätze aus der Praxis
Eine Woche hat für jeden Menschen exakt 168 Stunden. Keine mehr, keine weniger. Der durchschnittliche Kunde eines Fitnesscenters besucht selbiges im Schnitt 0,5 Mal pro Woche. Aus unserer Erfahrung heraus ist ein Personal-Training-Kunde im Durchschnitt bereit, wöchentlich immerhin 3 Stunden in die physische Dimension seiner Rolle „ICH“ zu investieren. Die Aspekte, die dann im Training fokussiert werden, sind:
✖ Mobility (strukturell + neuronal),
✖ Movement Patterns (Plank, Push, Pull, Lunge, Hip Hinge, Squat, Walk/Run), hierunter fallen dann auch Strength-Bewegungen (aufgeladene Movement Patterns) und Power-Einheiten (Movement Patterns mit Fokus auf FT-Rekrutierung), und zu guter Letzt
✖ Metabolic Conditioning (unterschiedliche Energiesysteme).
Auf die einzelnen Aspekte dieser ganzheitlichen und funktionellen Trainingsplanung möchte ich nun eingehen.
No. 1: Mobility
Mit Mobility-Movements soll Vitalität und Schmerzfreiheit bis ins hohe Alter erreicht werden. Zum Mobility-Training zählen die klassische Faszienarbeit mit Rollen und Bällen, spezifische gelenknahe Dehnungen sowie Dehnungen der gesamten Faszienkette. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass kurze, dafür aber regelmäßige Einheiten oft vorteilhafter sind (z. B. 4 Mobility-Einheiten pro Woche à 10 Minuten) als ein bis zweimal pro Woche ausgeführte lange Sessions. Auch ist die Compliance der Kunden höher, wenn die Einheiten kürzer sind. Kunden können beispielweise je nach Dysfunktionen oder Schmerzen ein bis zwei unterschiedliche Corrective- Top-5-Pläne als Hausaufgabe bekommen, d. h. maximal fünf unterschiedliche Übungen. Diese Anzahl ist ein gutes Maß zwischen Wirksamkeit und Compliance. Der beste Zeitpunkt scheint für viele Menschen direkt nach dem Aufstehen als Teil einer Morgenroutine zu sein. Darüber hinaus können dann noch mal im Warm-up der Trainingssession beispielsweise 2 x 20 Minuten für Mobility eingeräumt werden. Würden Kunden diesem Plan folgen (4 x 10 Minuten eigenständiges Mobility-Training z. B. nach dem Aufstehen und 2 x 20 Minuten Mobility-Training im Warm-up der normalen Trainingssession), läge die wöchentliche Zeitinvestition für ein ordentliches Beweglichkeitstraining bei ca. 80 Minuten.
No. 2: Movement Patterns
Ein modernes Krafttraining, basierend auf fundamentalen Bewegungsmustern, stellt die effizienteste Art dar, den „Athleten des Lebens“ zu trainieren. Jetzt kann man berechtigterweise die Frage stellen, ob diese Ziele nicht ebenso mit nicht funktionellem, sitzendem oder liegendem Gerätetraining erreicht werden können. Die Antwort ist: jein! Auf der einen Seite ist der Aufbau von Muskulatur, egal wie, besser als träge Passivität. Auf der anderen Seite wollen wir möglichst „intelligente“ Muskulatur aufbauen. Im funktionellem Krafttraining spielen daher folgende Kernpunkte eine wichtige Rolle:
✖ Basic Movement Patterns: Push horizontal/vertikal, Pull h
orizontal/vertikal, Plank, Lunge, Hip Hinge, Squat, Walk/Run.
✖ Intensity vs. Intensiveness: In der englischsprachigen Literatur findet man häufig die Unterscheidung zwischen „Intensity“ und „Intensiveness“. Für letzteren Begriff gibt es leider keine perfekt passende deutsche Übersetzung, sodass auch hier wieder einmal mit dem englischen Begriff gearbeitet werden darf. Beide Begriffe spielen im Krafttraining eine außergewöhnlich große Rolle. Unter der „Intensity“ versteht man, wie schwer die zu überwindende Last für den Trainierenden ist, also: Wie nahe kommt die Last an das 1-Repetition-Maximum (1 RM) heran? Unter der „Intensiveness“ versteht man, wie nahe der Trainierende an das absolute Muskelversagen im jeweiligen Trainingssatz herankommt. Denn, ja, auch im funktionellen Krafttraining gibt es ein Muskelversagen und ein Wiederholungsmaximum, auch wenn hier Bewegungsrichtungen und Ketten statt einzelne Muskelgruppen trainiert werden.
✖ Kadenz: Durch einen stärkeren Fokus auf die Kadenz ist es möglich, deutlich schneller die FT-Fasern anzusprechen. Dazu wird die exzentrische Phase verlangsamt, der darauffolgende Umkehrpunkt ohne Pause ausgeführt und die konzentrische Phase so explosiv wie möglich ausgeführt. Eine typische Kadenz bei etwas fortgeschrittenen „Athleten des Lebens“ wäre 3|0|X (3 Sekunden Exzentrik, 0 Sekunden Pause, explosive Konzentrik). Anfängern empfehle ich entweder eine Kadenz von 2|2|2, was heißt: 2 Sekunden Exzentrik, 2 Sekunden Pause, 2 Sekunden Konzentrik, oder 1|1|1, um sich erst einmal auf die Bewegungsmuster einzustellen.
✖ Frequenz: Viele Kunden kommen somit mit 50 Total Reps gut hin; das erreichen sie in der Regel mit zwei Trainingseinheiten pro Woche. Wenn sie dann noch ihr „Hausaufgaben-Training“ absolvieren, umso besser. Der Kraftteil der zwei Trainingseinheiten der Variante „Minimum effective dose“ ist einmal 20 Minuten, einmal 40 Minuten, die Hausaufgaben sind dann eigenständig noch mal 20 Minuten Krafttraining. Somit wären wir bei einem wöchentlichen Zeitinvest für funktionelles Krafttraining von 60 bis 80 Minuten.
No. 3: Metabolic Conditioning
Der Fokus dieses Artikels liegt klar auf dem Bereich der funktionellen Kraft. Daher soll der Bereich des „Metabolic Conditionings“ nur kurz angesprochen werden. Dennoch muss er aufgenommen werden, denn er spielt eine wichtige Rolle bei der „Minimum effective dose“. Studien wie auch meine persönliche Erfahrung haben gezeigt, dass ein einmal pro Woche ausgeführtes intensives Intervalltraining ausreicht, um das Herz-Kreislauf-System gut zu schützen und die Neubildung von Mitochondrien anzuregen. Das intensive Intervalltraining kann dann in einer der zwei betreuten Trainingseinheiten für 20 Minuten eingebaut werden.
Ein Mindesmaß an Training
Wer „Athleten des Lebens“ trainiert und deren Training möglichst effektiv und mit kleinstem Invest machen will, sollte meines Erachtens zusätzlich zu vermehrten Alltagsbewegungen mit diesen Zeiten planen:
✖ MOBILITY: 80 Minuten pro Woche
✖ MOVEMENT PATTERNS/STRENGTH: 60-80 Minuten pro Woche
✖ METABOLIC CONDITIONING: 20 Minuten pro Woche
Wir kommen somit zu einem zeitlichen Gesamt-Invest von zwei Stunden und 40 Minuten, also knapp drei Stunden Training pro Woche als Mindestmaß, um ein gesundes Leben zu führen. Das sind drei Stunden Zeit-Invest von insgesamt 168 Stunden pro Woche, die maßgeblich darüber entscheiden, wie gesund man lebt. Das ist ein überragender Return on Invest!
Thomas Korompai
ist Sportwissenschaftler, Personal Coach und Speaker. Mit seinem Geschäftspartner Marko Rajkovic ist er Gründer und Geschäftsführer der R1 Sportsclub Unternehmensgruppe. Thomas ist hauptsächlich in Firmen unterwegs und hält neben Impulsvorträgen auch Seminare und Workshops für Führungskräfte rund um das Thema „Der Athlet des Lebens“, ein holistisches Konzept rund um das Thema „Gesundheit und Vitalität“. Infos: www.r1-sportsclub.de
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