Finden Sie das passive Dehnen der Oberschenkel-Rückseite auch langweilig und uneffektiv? Recht haben Sie, denn wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Sie können die Muskeln passiv dehnen, so viel Sie wollen, sie werden einfach nicht länger – und Ihr Körper wird durch ein solches Training auch nicht beweglicher. Der Grund: Beweglichkeit erreichen Sie weniger mit der reinen Muskeldehnung, sondern eher mit dem Training Ihres viskoelastischen Systems.
1. Faszien lieben es, in alle Richtungen gezogen und geschoben zu werden!
Das ganze Leben ist Bewegung – und keine Bewegung ist symmetrisch oder gleich. Daher war es mir immer schon ein Rätsel, warum ich…
- … beim Dehnen keine Wippbewegungen machen darf
- … nicht alle Bewegungen machen darf, die sich bei einer Dehnungsübung anbieten
- … mich beim Dehnen an ein eindimensionales, vorgegebenes Bewegungsschema halten soll.
Denn das macht einfach keinen Sinn!
In den vergangenen Jahren hat die Faszienforschung nachgewiesen, dass unser Bindegewebe nur dann geschmeidig und kraftvoll wird oder bleibt, wenn wir den Faszien viele unterschiedliche Reize und Impulse anbieten, also viele Vektorenwechsel während einer Dehnungsübung vornehmen und somit alle Bewegungsmöglichkeiten ausschöpfen. Das Schöne an diesen Melting Stretches mit vielen Vektorenwechseln ist, dass wir mit einer Art Basisübung spielen, sie verändern und kreativ sein dürfen. Und ganz nebenbei sind unterschiedliche Dehnreizvariationen auch für die Muskeln besser. Es lebe die Bewegungsvielfalt.
2. Feste Faszienstrukturen erreichen Sie anders als weiche!
Lange Zeit war es „verboten“, sich im vorgedehnten Zustand endgradig, wippend und federnd zu bewegen. Jetzt erst – durch die neuesten Erkenntnisse aus der Faszienforschung – wissen wir, dass wippende und federnde Dehnungsbewegungen durchaus sehr sinnvoll, leistungsfördernd und gesund sind. Dabei kommt es auf die Qualität des Wippens und Federns an: Es soll nicht eckig und kantig, sondern endgradig leicht und weich ausgeführt werden, damit wir nicht mit dem Muskelspindelreflex in Konflikt kommen – das ist der große Unterschied zum Wippen und Federn, wie wir es noch von unseren Großeltern kennen.
Die Sehne arbeitet wie eine Sprungfeder
Bahnbrechend für diese Erkenntnis war, dass der elastische Teil bei gleichmäßigen wippenden und federnden Bewegungen (wie zum Beispiel beim Laufen) nicht die Muskulatur ist – sondern die Achillessehne. Bei solchen Bewegungen arbeitet die Sehne nämlich wie eine Springfeder: Sie speichert kurzfristig kinetische Energie und gibt sie dann zum richtigen Zeitpunkt an den Rest des Körpers wieder ab.
Federfähigkeit der Achillessehne trainieren
Die logische Konsequenz: Je besser die Federfunktion der Achillessehne funktioniert, desto weniger muss die Wadenmuskulatur arbeiten. Diese Entdeckung ist revolutionär. Haben Sie also schon mal bewusst und gezielt die Federfähigkeit der Achillessehne trainiert? Nein? Das würde sich aber lohnen, denn eine bessere Federfunktionalität der Achillessehne hat viele Vorteile:
- mehr Leistungsfähigkeit
- ökonomischeres Fortbewegen
- höhere Reißfestigkeit der Achillessehne, also in der Folge weniger Operationen
Erst vordehnen, dann wippen
Und wie können Sie die Speicherfähigkeit Ihrer Achillessehnen trainieren? Nur durch wippende, federnde Bewegungen im endgradig-vorgedehnten Zustand! Denn beim passiven Dehnen erreichen Sie nur die weichen, faszialen Strukturen und die Muskulatur. Feste fasziale Strukturen – wie die Achillessehne – bekommen erst dann einen adäquaten Reiz, wenn Sie die Wadenmuskulatur in einen vorgedehnten Zustand bringen und dann wippen, federn und die Fußstellung verändern.
Rebound Elasticity
Studien weisen darauf hin, dass nicht nur die Achillessehne sondern auch alle anderen Bänder- und Sehnenstrukturen kinetische Energie speichern können und damit den so genannten Katapulteffekt bewirken können – doch dieses Thema gehört schon zum 3. Teilbereich des Faszientrainings, nämlich der Rebound Elasticity. Darüber werde ich in meinem nächsten Beitrag schreiben.
3. Spielen mit der Bewegungsvielfalt macht Spaß und fördert die Kreativität
Wir Trainer geben unseren Kunden wieder mehr Eigenverantwortung zurück. Wir geben eine Basisübung vor, und in dieser Basisübung erkunden sie selbst, welche Bewegung und welche Vektoren ihnen am meisten bringen. Letztlich geht es darum, dem dreidimensionalen Fasziennetz – aber auch der Muskulatur – möglichst optimale Impulse zu geben.
Als Trainer können wir nicht in den Körper des Klienten schauen, können also nicht genau bestimmen, welche Bewegung die Beste für ihn oder sie ist. Jeder Körper ist anders, jeder braucht einen anderen Impuls. Deswegen können wir nur eine Basisübung vorgeben, und der Klient kann dann fühlen und erspüren, welche Bewegungsvariante sich am besten anfühlt. Das fördert die Eigenwahrnehmung, das Selbstvertrauen und die Kreativität.
Mein Fazit
Das Wippen und Federn ist beim Dehnen absolut berechtigt und sinnvoll, aber bitte weich und sanft. Und: Es lebe die Bewegungsvielfalt!
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Fascial Stretch ist einer von 4 Teilbereichen von Fascial Fitness.
Fascial Release
Fascial Stretch
Rebound Elasticity
Sensory Refinement
Das Faszientraining ist doch eine andere Art
um die Beweglichkeit zu verbessern. Leider habe ich als Trainer noch keine Erfahrungs
werte – werde mich zu späterem Zeitpunkt
melden.
Bin an weiteren Infos interessiert.