Das Coaching von Bewegungen ist eine Mischung aus Wissenschaft und Kunst, aber ich denke, dass die meisten von uns stolz auf die Art und Weise sind, in der wir coachen – vermutlich hat jeder von uns einen einzigartigen Stil, der die Ansätze vieler namhafter Leute in sich vereint. Die besten Coaches bringen oft nur ein einzelnes Wort bzw. eine sanfte (oder auch energischere) Berührung an, die erstaunlicherweise die erwünschte Wirkung zur Folge hat. Wir können es dann kaum abwarten, diesen Kniff selbst einmal auszuprobieren.
Als Anfänger greifen wir diese Beobachtung auf, wenden sie auf unsere schwierigsten Fälle an und hoffen, dass die Wunderwaffe von selbst ihre Wirkung entfaltet und uns zu Meistern des Fachs macht. Zum Glück durchlaufen die hervorragenden Coaches und Lehrer unter uns einen Filterprozess, bevor sie ihre Coaching-Tipps unters Volk bringen.
Vor sehr langer Zeit schrieb ein gewisser Harvey Penick ein Buch über den Golfsport, das „Golf-Weisheiten: Das kleines rote Buch“ heißt und ein Musterbeispiel für hervorragendes Coaching ist. Es enthält keine Bilder, Tabellen oder aufwendige biomechanische Analysen. Es ist vielmehr eine einfache Anleitung, von einem Experten geschrieben, der systematisch alle Informationen gefiltert hat und den Ansatz verfolgt, das jeweils schwächste Glied in der Kette des Golfschlags oder der Spielstrategie zu verbessern, um auf ein höheres Spielniveau zu kommen. Es ist angeblich das meistverkaufte Golfbuch aller Zeiten. Golf-Fitness und die Vermittlung der richtigen Schlagtechnik sind immer komplizierter geworden. Mit der Zeit sind TV-Sendungen, Zeitschriften und Organisationen entstanden, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Fertigkeiten und Fitness der Spieler zu verbessern.
Lange bevor ein Großteil des heutiges Fachwissens verfügbar war, galt Harvey Penick als der beste Coach weit und breit, der seine Worte stets mit Bedacht wählte – mit dem Resultat, dass sie fast sofort greifbare Ergebnisse lieferten. Er war vor allem gut darin, Probleme schnell zu analysieren und eine Lösung zu bieten. Er wusste, dass seine Schüler nur dann Vertrauen zu ihm fassten, wenn seine Tipps von Anfang an sichtbare Ergebnisse brachten. Diese Fähigkeit, Veränderungen herbeizuführen, ist der Grund dafür, warum ich mit Begeisterung Bewegungsabläufe coache. Es dauert seine Zeit, bis man Fett verliert, Muskelmasse aufbaut oder Kraft, Ausdauer und sportspezifische Fähigkeiten entwickelt.
Die Bewegungsfähigkeit einer Person kann sich in nur einer Trainingseinheit verändern. Wenn Du sie überprüfst, screenst und testest, wirst Du das feststellen können. Identifiziere das schwächste Glied. Finde heraus, ob die motorische Kontrolle oder die Mobilität eingeschränkt ist, weil Du nur einen dieser beiden Aspekte durch direktes Coaching verändern kannst – und hierzu ist zunächst eine direkte Beobachtung der Bewegung nötig. Aus Coaching-Sicht besteht ein großer Unterschied zwischen Mobilität und motorischer Kontrolle. Es ist nahezu unmöglich, ein echtes Mobilitätsproblem direkt zu coachen. Wenn Du in der Lage bist, die Mobilität einer Person allein durch verbale Hinweisreize zu verändern, hast Du vermutlich eine unzureichende motorische Kontrolle beobachtet, die sich als Unbeweglichkeit äußert.
Denke einmal darüber nach: wenn der Körper geschwächt ist und nicht Herr seiner selbst, ist die Effizienz und Effektivität von Bewegungen für ihn nebensächlich. Er sorgt sich vielmehr um den Schutz und die Unversehrtheit seiner Strukturen, die vielleicht noch nicht bereit sind für die Belastung, die Du ihm zuzumuten versuchst. Ein echtes Mobilitätsproblem kann zwar direkt behandelt werden, allerdings sollten entsprechende manuelle Maßnahmen von einer qualifizierten Person mit medizinischem Fachwissen vorgenommen werden, und in der Regel handelt es sich dabei um einen Arzt. Ich sage nicht, dass Ärzte besser oder intuitiver mit ihren Händen umgehen können als Physiotherapeuten, Masseure usw. Ich sage nur, dass dem Arzt ein spezielles Hilfsmittel zur Verfügung steht: die Differentialdiagnose.
Eine Differentialdiagnose ist die erste Maßnahme, um auszuschließen, dass die muskuloskelettale Störung auf eine Erkrankung zurückzuführen ist, die sich als defizitäres Bewegungsmuster, Mobilitätsproblem oder Einschränkung der motorischen Kontrolle äußert. Eine Differentialdiagnose ist der erste Filter, den man als Arzt nutzen sollte. Mobilitätsprobleme kann man direkt behandeln, aber wenn jemand an einer Frozen Shoulder leidet, gibt es keine noch so gute Coachingtechnik, die hilft, dieses Problem auf effiziente oder effektive Weise zu beheben.
Pilates, Yoga und Feldenkrais verwenden Techniken, mit denen man seine Bewegungsfähigkeit durch verbale und andere Hinweisreize verbessern kann. Aber sofern sie notwendig ist und korrekt angewandt wird, eignet sich eine manuelle Technik zur Wiederherstellung des Bewegungsumfangs und der Mobilität blockierter Gelenke oder verhärteter Muskeln (Triggerpunkte) am besten, um Mobilitätsprobleme zu beheben. In letzter Zeit gibt es viele Informationen zu Selbsthilfemaßnahmen, die man bei Mobilitätsproblemen ergreifen kann. Wir benutzen Hartschaumrollen, Bälle und Massage-Sticks, um verklebte Faszien zu bearbeiten, verspannte oder schmerzende Muskeln zu lockern und vor dem Workout den Muskeltonus zu senken.
Mein Kritikpunkt: wendet man diese Methoden dauerhaft an, ändert sich letztlich gar nichts. Sie mildern das Problem lediglich, so dass der Eindruck entsteht, dass das Training effektiver ist als tatsächlich der Fall. Eine echte Veränderung der Mobilität lässt sich nur mit einem Programm erzielen, das einerseits die Mobilität erhält und andererseits die Notwendigkeit direkter Techniken verringert. Ein Coach verbessert die Mobilität, indem er die Einschränkung lokalisiert und seinem Sportler oder Klienten verschiedene Techniken zeigt, die er als Warm-up nutzen kann, um sich für eine Aktivität vorzubereiten, die dabei helfen sollte, die Mobilität zu erhalten.
Direktes Coaching bietet sich an, wenn kein Mobilitätsproblem vorliegt, wir aber sehen, dass zum Beispiel eine Valgusstellung der Knie, eine pronierte Fußstellung oder ein runder Rücken unter Last eingenommen wird. Der Sportler greift auf diese Haltungen zurück, weil ihm die Körperkontrolle fehlt – nicht weil er aufgrund mangelhafter Mobilität an anderer Stelle dazu gezwungen wäre. Es gibt drei Stufen des direkten Coachings, die man anwenden kann, wenn ein Problem der motorischen Kontrolle objektiv identifiziert und beobachtet worden ist. (Mit „objektiv“ meine ich, dass zuvor ein entsprechender Test gemacht wurde). Die drei Stufen sind relativ einfach:
- Coache das Muster ohne Last – gehe das genaue Muster durch, das später mit Zusatzgewicht ausgeführt wird, oder coache das Muster in einer leichteren Variante. Das könnte ein Goblet Squat mit angehobenen Fersen oder eine völlige Änderung der Körperposition wie ein Overhead Press im Kniestand sein.
- Hilf nach – Wir arbeiten oft mit Leuten, die sich aufgrund mangelhafter motorischer Kontrolle nicht einmal auf die Seite rollen können. Verbale Hinweisreize reichen nicht aus, um sie dazu zu bringen, sich körperlich so zu koordinieren, dass ein Rollen möglich ist. Aber einige Airex-Polster unter der Körperseite, von der sie sich wegdrehen, ermöglichen die Bewegung. Reduziere die Hilfestellung allmählich, um eine größere funktionelle Kontrolle zu erlangen.
- Wiederhole das Muster unter Last und beobachte, was passiert – Der Trainierende sollte am eigenen Leib spüren, wie sich das korrekte Muster anfühlt – nur so kann der Lernprozess stattfinden. Verbale Hinweisreize sind das letzte Mittel, um jemanden dazu zu bringen, das korrekte Muster auszuführen. Der Trainierende lernt aus der Bewegung, nicht aus den Hinweisen.
Sowohl direktes als auch indirektes Coaching gilt als Korrekturübung. Vergewissere Dich, dass tatsächlich ein Mobilitäts- oder Stabilitätsproblem vorliegt, weil Du sonst unter Umständen gute Hinweisreize verschwendest, die in der Situation absolut nichts bringen. Hervorragende Coaches benutzen Filter, aber es dauert lange, bis sie solche Filter entwickelt und ihre Schlussfolgerungen daraus gezogen haben. Objektive Hilfsmittel wie Screens, Tests und Assessments stellen uns diese Filter von Anfang an zur Verfügung, so dass wir wesentlich früher auf ein fundiertes Fachwissen zurückgreifen können als unsere Vorgänger. Wir müssen nur gutes Coaching erkennen, wenn wir es sehen, und dann die Filter finden, die es uns ermöglichen, schneller ans Ziel zu gelangen.
Euer Brandon Bennett