Erlebe Steve Maxwell und seine Trainingsphilosophie auf seinem Seminar in München sowie auf dem Functional Training Summit vom 8.-10. Juli in München
Es sind bereits über 15 Jahre vergangen, seit ich zufällig auf die vergessene Kunst des Kettlebell-Trainings stieß. Damals betrieb ich wettkampforientiertes Brazilian Jiu-Jitsu, und weil ich den Eindruck hatte, mit meinen alten Techniken keine Fortschritte mehr zu erzielen, suchte ich nach alternativen Methoden, um meinem Ausdauertraining einen neuen Impuls zu verleihen.
Ich bin sehr an Geschichte interessiert und möchte mich immer etwas darüber erfahren, was sich die starken Männer von anno dazumal einfallen ließen. Moderne Athleten neigen schon fast zur Selbstgefälligkeit und glauben, sie seien aus irgendeinem Grund, aufgrund des technischen Fortschritts, den alten Meistern überlegen. In Wahrheit hat die Technik der athletischen Entwicklung mehr geschadet als genutzt. Hauptsächlich weil sie schnelle Erfolge verspricht, die Tugenden wie Fleiß und harte Arbeit überflüssig erscheinen lassen.
Viele Trainingsmethoden der Athleten von einst sind aber durchaus brauchbar. Zu den Techniken, die meine Aufmerksamkeit weckten, gehört auch das Kettlebell-Training. In dieser Zeit, vor etwa zwanzig Jahren, sammelte ich alte Trainingsanleitungen und -bücher, viele aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. In diesen Schriften waren oft sogenannte Kugelhanteln in vielen Varianten abgebildet. Als „Grappler“ wollte ich unbedingt wissen, wie die Kämpfer zu jener Zeit trainierten und über zahlreiche Querverweise fiel mir auf, dass Kettlebells oft erwähnt wurden.
Zu jener Zeit gab es in den USA weit und breit keine einzige Kettlebell. Als Inhaber der ersten Akademie für Jiu-Jitsu, die es an der Ostküste gab, hatte ich viele Schüler mit den verschiedensten beruflichen Qualifikationen, unter ihnen ein Spengler. Nachdem ich ihm einige Bilder gezeigt hatte, fertigte er für mich einen schönen Satz Kettlebells aus rostfreiem Stahl an.
Durch meine Lektüre hatte ich eine ungefähre Vorstellung davon, was ich mit diesen Kettlebells anstellen sollte. Meine jahrzehntelange Trainingserfahrung half mir bei der Entwicklung verschiedener Übungen und Workouts, die ich dann im Selbstversuch ausarbeitete. Etwas später zeigten mir russische und europäische Vertreter der Körperkultur-Bewegung, die teilweise mit Kettlebells aufgewachsen waren, weitere Übungen. Obwohl das Kettlebell-Training in den USA und Europa – und praktisch überall auf der Welt – ausgestorben war, gab es hier und da noch einige Athleten, die mit diesen Hanteln trainierten und nie damit aufgehört hatten.
Obwohl das eigene Ausprobieren und Experimentieren eine gute Sache sein kann, muss ich zugeben, dass es bessere Lernmethoden gibt. Ich hätte mir viele schmerzhafte und unangenehme Erfahrungen sparen können, wenn ich etwas Ahnung von einer korrekten Technik gehabt hätte.
Eine der ersten Lektionen, die ich lernte, war, dass man eine Kettlebell nicht wie eine Langhantel behandeln sollte (man kann schon, es ist aber nicht empfehlenswert!). Hätte es damals doch nur einen weisen und erfahrenen Kettlebell-Meister gegeben, den ich um Rat hätte fragen können… Wenn mir jemand gezeigt hätte, wie man richtig mit einer Kettlebell trainiert, hätte ich mir eine Menge Ärger und Schmerzen sparen können. Und später, als ich meine ersten Kettlebell-Kurse in den USA hielt, hätte ich mir eine gute Informationsquelle gewünscht – so wie die, die ich jetzt anbiete!
Am Anfang war es für viele verwirrend, dass mit dem Begriff „Kettlebell“ einerseits eine eigenständige Sportart, andererseits aber auch ein Trainingsgerät bezeichnet wird. Der Kettlebell-Sport besteht aus drei Grundübungen, die man in zeitlich begrenzten Sätzen absolvieren muss; zugleich ist die Kettlebell aber auch ein Hilfsmittel, das man benutzen kann, um sich in anderen Aktivitäten zu verbessern.
Aber warum sage ich nicht einfach: „um seine allgemeine Gesundheit und Fitness zu steigern“? Es gab am Anfang eine Menge Meinungsverschiedenheiten zwischen Kettlebell-Sportlern und Ahtleten, die Kettlebells „nur“ benutzten, um ihre sportliche Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Fitness zu verbessern.
Im Kettlebell-Sport dreht sich alles darum, möglichst viele Wiederholungen der drei Grundübungen zu schaffen. In diesem Zusammenhang ist alles auf einen effizienten Bewegungsablauf ausgerichtet. Die Athleten, die mit Kettlebells trainieren, aber andere Ziele verfolgen, betrachten Kettlebells als Mittel zum Zweck und nicht als Selbstzweck.
Das wäre alles wunderbar gewesen, wenn es in diesen Kreisen ein tolerantes Miteinander gegeben hätte, aber viele KB-Sportler hielten ihren Weg für das Maß aller Dinge und vertraten die Auffassung, dass nur ihre Technik (die bestimmten Wettkampfregeln entsprechen musste) akzeptabel sei.
Aber die Behauptungen der Kettlebell-Gemeinde waren falsch: es ist allseits bekannt, dass man in einer Sportart A nicht besser wird, indem man eine Sportart B trainiert; das heißt also, dass ich durch Radfahren kein besserer Schwimmer werden, und mich Schwimmen auch nicht zu einem besseren Ringer macht. Die beste Methode, um seine Kondition in jeder beliebigen Sportart zu verbessern, ist die Ausübung der Aktivität selbst, und dann macht man sich körperlich so stark wie möglich, indem man ein progressives, auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruhendes Krafttraining anwendet. In meinem Fall benutzte ich Kettlebells zur Steigerung der allgemeinen Kraft und Ausdauer und Übungen aus dem Jiu-Jitsu sowie Sparring, um meine sportspezifische Kondition zu trainieren. Diese Methodik hat sich über viele Jahrzehnte bei mir und meinen Schülern bestens bewährt.
Eine ähnliche Situation bietet sich im Langhantel-Training: Es gibt einige Gruppen, die olympisches Gewichtheben betreiben, das aus zwei Übungen besteht, von denen es zahlreiche Varianten gibt. Weniger spezifische Langhantel-Grundübungen eignen sich aber hervorragend für ein allgemeines Krafttraining.
Während die Ausübung eines Kraftsports wie Kettlebell oder olympisches Gewichtheben den Sportler zweifellos stärker macht, ist dies nicht die effizienteste Art, um stark zu werden, und der Nachteil, den das Ausüben dieser Kraftsportarten mit sich bringt, ist das Auftreten häufiger und teilweise sogar chronischer Verletzungen.
In meiner Trainingsphilosophie – einschließlich meinem Kettlebell-System – sollte das Training Verletzungen vorbeugen helfen – und sie nie verursachen. Wenn man Sportarten mit viel Körperkontakt betreibt – oder jede andere Form von Sport – bleibt es nicht aus, dass man sich früher oder später verletzt. Das lässt sich im Leistungssport praktisch nicht vermeiden. Aber im Training sollte man sich nicht verletzen, und wenn das trotzdem passiert, dann macht man etwas falsch.
Eine Randbemerkung: jetzt, da ich selbst keinen Leistungssport mehr betreibe, erkenne ich erst recht, dass Kettlebells gute Dienste leisten, um die Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden zu erhalten – und sie tragen darüber hinaus dazu bei, den Alterungsprozess zu verlangsamen.
Korrekt angewendet ist die Kettlebell ein tolles Hilfsmittel, mit dem man seine Kraft, Ausdauer, sein Herz-Kreislauf-System und seine Mobilität in einem Workout entwickeln kann. Mein Kettlebell-System hat sich in mehreren Phasen entwickelt, und ich versuche es ständig zu verbessern. Während die Übungen mehr oder weniger gleich bleiben, hat sich meine Lehrmethode weiterentwickelt, so dass selbst Anfänger leicht lernen können, wie man sich mit minimalem Risiko „die Kugel geben“ kann.
Euer Steve Maxwell
Erlebe Steve Maxwell live auf dem Functional Training Summit vom 8.-10. Juli in München