Grundlagen und alles Wichtige rund ums Functional Training lernst du bei den „Functional Training Fundamentals„
Wenn man Sportler nach ihren Zielen fragt – sei es der erfahrene Amateursportler oder der unerfahrene Neuling – tauchen meistens zwei Begriffe auf: Kraft und Ausdauer. „Ich will kräftiger werden“ und „Ich will meine Ausdauer verbessern“ sind mit die am meist verbreiteten Ziele. Kraft steht dabei oft exemplarisch für Masseaufbau, Ausdauer für Fettverbrennung und Gewichtsverlust. Oft wollen Personen auch beides gleichzeitig erreichen. Doch lassen sich diese zwei scheinbaren Gegensätze im Training vereinen? Und wenn ja wie? Finden wir es heraus und sehen uns beide etwas genauer an. Um zu klären, wie Krafttraining und Ausdauertraining zueinanderstehen und wie man beides am besten kombiniert werden wir etwas genauer auf die zugrundeliegenden Mechanismen im Körper eingehen. Diese zu verstehen ist wichtig um zu wissen, wie beides sich am besten kombinieren lässt.
Krafttraining
Training mit Gewichten verbessert die Kraft grundsätzlich auf zwei Arten. Zum einen über die verbesserte Ansteuerung der Muskeln, es werden mehr Muskelfasern in einer höheren Frequenz vom zentralen Nervensystem aktiviert, der Muskel wird also effizienter. Zum anderen über eine erhöhte Proteinsynthese, es wird also Muskel aufgebaut. Dabei werden vor allem die vorhandenen Muskelfasern dicker, neue Fasern werden kaum gebildet.
Der Hauptregulator dieses Systems ist das Protein mTOR (Target of Rapamycin) – wird es vermehrt ausgeschüttet ist die Proteinsynthese erhöht. Das kann hauptsächlich durch zwei Reize geschehen (Wackerhage, Henning: Molecular Exercise Physiology: An Introduction. Routledge 2014). Zum einen Krafttraining. Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung sind es jedoch nicht die Mikroverletzungen, die man sich währenddessen zuzieht, die für den Wachstumsreiz sorgen (sie sind jedoch zum Großteil für den Muskelkater danach verantwortlich), sondern die mechanische Belastung. Diese sogenannte Mechanotransduktion wird in den Z-Scheiben (kleine Bestandteile jeder Muskeleinheit) registriert und schaltet wiederum mTOR an. Zum anderen wird es durch externe Proteinzufuhr erhöht, sprich durch Eiweiß über die Nahrung. Beide Systeme erhöhen die Proteinsynthese unterschiedlich lange. Durch Proteinzufuhr einige Stunden (egal, ob non-Stop Proteinriegel nachgeschoben werden, irgendwann ebbt sie ab), durch Krafttraining bis zu 3 Tage lang. Diese erhöhte Proteinsynthese durch Training kann vom Körper jedoch nur dann in Form von Massezuwachs ausgenutzt werden, wenn er auch genügend Proteine zugeführt bekommt. Denn diese sind das Baumaterial der Muskeln.
Ausdauertraining
Hier sieht die Sache schon etwas komplexer aus, da deutlich mehr Mechanismen Anpassungen an Ausdauerbelastungen verursachen. Der Einfachheit halber konzentrieren wir uns deshalb auf die beiden wichtigsten. Um diese zu verstehen ist es wichtig zu wissen, wie der Körper Energie bereitstellt. Grundsätzlich kann er dies unter der Nutzung von Sauerstoff sowie ohne tun. Die aerobe Energiebereitstellung mit Sauerstoff verwendet Kohlenhydrate in Form von Glucose und Fette in Form von Triglyceriden. Die anaerobe Energiebereitstellung ohne Sauerstoff verwendet entweder ebenfalls Glucose, wobei Laktat produziert und verwertet wird, oder Kreatinphosphat. Unterm Strich haben beide Arten die Gemeinsamkeit, dass am Ende Adenosintriphosphat (ATP) produziert wird, das dann wiederum die Energiequelle der Muskelkontraktionen darstellt.
Nun zu den Anpassungen auf Ausdauertraining, bei denen man zwei Mechanismen als wichtigste nennen kann.
Das ist zum einen das Protein AMPK (Adenosinmonophosphat aktivierte Kinase). Es gilt als Hauptsensor und -regulator des Energieverbrauchs und wird auch genau dadurch aktiviert. Wird viel Energie verbraucht passiert das durch unzählige Muskelkontraktionen. Dabei wird durch die Zerlegung von ATP Adenosindiphosphat und Adenosinmonophosphat produziert. Diese beiden sowie niedrige Glykogenspeicher in den Muskeln aktivieren AMPK, das dann wiederum eine ganze Reihe von Anpassungen auslöst: die Glukoseaufnahme in den Muskel wird erhöht, die Fettoxidation verbessert, mehr Mitochondrien und Kapillaren werden gebildet und die Proteinsynthese wird reduziert indem mTOR gehemmt wird (Wackerhage, Henning: Molecular Exercise Physiology: An Introduction. Routledge 2014). Denn diese ist sehr energieaufwendig und genau das will der Körper unterbinden während des hohen Energieverbrauches bei Ausdauereinheiten. Hier hätten wir also die erste Schnittstelle zwischen Kraft- und Ausdauertraining.
Der zweite Mechanismus passiert mehr auf einer genetischen Ebene. Bei allen oben genannten Energiebereitstellungen wird Calcium im Muskel ausgeschüttet, um die Kontraktion zu ermöglichen. Passiert dies in großen Mengen, wird Calmodulin durch Calcium aktiviert. Das wiederum wandert in den Zellkern und aktiviert in unserer DNA Gene, die unsere Muskulatur langsamer machen (Wackerhage, Henning: Molecular Exercise Physiology: An Introduction. Routledge 2014).
Ein kleiner Exkurs an dieser Stelle: wir besitzen drei verschiedene Typen von Muskelfasern: Typ 1, die langsamen, ausdauernden Fasern. Typ 2a, die mittelschnellen Fasern und Typ 2x, die sehr schnellen Fasern.
Calmodulin wandelt dabei vor allem 2x zu 2a Fasern um, in sehr kleinem Ausmaß auch Typ 2x und 2a zu Typ 1 Fasern. Hier hätten wir dann auch die zweite Schnittstelle zwischen beiden Trainingsarten. Denn Typ 2x Fasern sind nicht nur für die Schnell- und Explosivkraft essentiell, sie haben auch das größte Wachstumspotential nach einem Krafttraining. Nehmen diese nun durch viel Ausdauertraining ab und werden umgewandelt, hat das Auswirkungen auf die Fähigkeit Muskeln aufzubauen sowie auf die Performance in bestimmten Sportarten.
Was bedeutet all das aber nun für die Praxis?
Ausdauersportler können sich an dieser Stelle schon einmal beruhigt zurücklehnen, denn Krafttraining hat keine negativen Auswirkungen auf Anpassungen nach Ausdauertraining. Es sei denn, man will keine Masse aufbauen um für bestimmte Sportarten wie Langstreckenläufe möglichst leicht zu sein. Ganz im Gegenteil, die meisten Ausdauersportler vernachlässigen das Krafttraining oft kläglich. Dabei ist es extrem wichtig, für die Effizienz und die Peformance Stabilität aufzubauen sowie für das gesunde Altern von Gelenken diese durch ein ausreichendes Muskelkorsett zu stützen. Beides erreicht man durch funktionelles Krafttraining.
Personen, die es auf Masse- und Kraftzuwächse abgesehen haben, sollten etwas mehr aufpassen. Wie wir nun wissen, hat Ausdauertraining zusammengenommen zwei große Auswirkungen auf diese Ziele: Die Proteinsynthese und somit das Muskelwachstum wird gehemmt und die Fasern, die am besten wachsen und die meiste Power bringen werden weniger. Wer nun jegliche Cardioeinheit aus seinem Plan streichen will darf sich beruhigen. Denn die Proteinsynthese findet nach wie vor statt, nur eben weniger und auch die Muskeln verwandeln sich in keine reinen Typ 1 Faserpakete. Jedoch gibt es vor allem für Personen, die es auf schnelle Muskel- und Kraftzuwächse abgesehen haben ein paar Dinge, auf die man achten kann: Wer diese Zielsetzung hat, sollte, wenn nicht durch andere Ziele nötig, Ausdauertrainings so gut es geht reduzieren. Bei wem aber gleichzeitig die Fettpölsterchen schmelzen sollen oder andere Vorteile von Cardioeinheiten gewünscht sind, der sollte sie zumindest nicht direkt nach dem Krafttraining durchführen, besser noch auf einen anderen Tag legen. Ist das zeitlich nicht möglich, bietet es sich an beide Einheiten auf unterschiedliche Tageszeiten zu legen. Das Krafttraining am besten vor eine große Mahlzeit, um eine optimale Nährstoffversorgung für die Regeneration sicherzustellen. Eine weitere Möglichkeit die negativen Effekte auf Anpassungen an Krafttraining zu reduzieren, ist die Ausdauereinheiten in Form von Kraftcardiokomplexen oder Intervallen mit sehr hoher Intensität (zum Beispiel durch Übungen mit Gewichten) durchzuführen. Dabei hat man zwar noch immer einen sehr hohen Energieverbrauch, jedoch lösen die Gewichte und hohen Intensitäten auch Mechanotransduktion aus und aktivieren Typ 2x Fasern, die bei langem, moderatem Ausdauertraining wenig bis kaum rekrutiert werden (und wie so oft gilt auch hier „Use it or lose it“).
Die Ernährung sollte in diesem Wirkungsgeflecht keinesfalls außer Acht gelassen werden. Wie bereits erwähnt, nützt einem die erhöhte Proteinsynthese wenig, wenn kein Baumaterial in Form von Eiweiß in den Körper kommt. Für Masse- und Kraftaufbau bei normalen Athleten empfiehlt es sich dabei zwischen 1,2-2,2g pro Kilogramm Körpergewicht am Tag aufzunehmen. Wer auf schnelles Muskelwachstum aus ist, sollte sich eher an die 2g halten. Befindet man sich in einer Bodybuilding-Routine, vor allem in der Definitionsphase, sollte die Aufnahme sogar zwischen 2,3-3,1g pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag liegen (Helms, E. R., Aragon, A. A., & Fitschen, P. J. 2014. Evidence-based recommendations for natural bodybuilding contest preparation: nutrition and supplementation).
Auch sollte man auf eine passende Ernährung vor und nach den Krafteinheiten achten. Nach einer Krafteinheit empfiehlt sich eine Mahlzeit mit etwa 20g Proteinen (diese Menge bringt eine optimale Antwort der Proteinsynthese, größere Mengen auf einmal steigern diese punktuell nicht weiter) und 40-60g Kohlenhydraten. Doch auch die letzte Mahlzeit vor dem Training ist wichtig, da die Nährstoffe zum Teil mehrere Stunden brauchen, bis sie im Muskel angekommen sind. Daher sollte auch vor dem Training etwas Eiweiß zugeführt werden. Krafttraining auf leere Glykogenspeicher sollte ebenfalls vermieden werden, da dies AMPK stärker aktiviert und man zudem weniger Energie für intensive Arbeit zur Verfügung hat. Wer beim Kraft und Masseaufbau Zeit mit sich bringt, muss auf diese Tipps weniger streng achten, ist jedoch nicht schlecht damit beraten sie bei genügend zur Verfügung stehender Zeit dennoch umzusetzen.
Für Sportler und Athleten, bei denen Schnellkraft und Explosivität eine entscheidende Rolle spielt, sieht die Sache schon etwas anders aus. Denn für sie sind Typ 2x Fasern essentiell und es gilt so wenig wie möglich davon zu verlieren um die schnellen Eigenschaften der Muskulatur hoch zu halten. Zwar ist die Umwandlung durch Ausdauertraining reversibel und wenig Bewegung führt wieder zu mehr 2x Fasern – Studien haben gezeigt, dass Querschnittsgelähmte Personen fast ausschließlich Typ 2x Fasern besitzen (Burnham, R., Martin, T., Stein, R., Bell, G., MacLean, I., & Steadward, R. 1997. Skeletal muscle fibre type transformation following spinal cord injury) – jedoch kann ein Sportler es sich nicht leisten, sich einfach nicht mehr zu bewegen um wieder mehr schnelle Fasern zu bekommen. Daher gilt für diese Athleten tatsächlich das Ausdauertraining auf ein wenn überhaupt nötiges Minimum zu reduzieren.
Fazit
Unterm Strich lässt sich also sagen, dass beide Anpassungsmechanismen im Körper eine Art Tauziehen veranstalten. Der Mechanismus, der mehr Reize bekommt geht dabei im Normalfall als Sieger hervor und produziert mehr Anpassungen. Beides lässt sich jedoch kombinieren, da die Mechanismen gleichzeitig ablaufen und sich nicht gänzlich gegenseitig eliminieren. Besonders diejenigen, die schnelle Erfolge im Krafttraining erzielen wollen, sollten aber etwas Vorsicht walten lassen.
Euer Lukas Alverdes
Grundlagen und alles Wichtige rund ums Functional Training lernst du bei den „Functional Training Fundamentals„