Hier erfährst du mehr über die Philosophie von Gray Cook und den Functional Movement Screen!
Nein – die Überschrift ist nicht als Seitenhieb gegen irgendjemanden oder gegen irgendeine Sportart gedacht. Es geht nicht darum, welche Sportart oder Aktivität du praktizierst, sondern wie. Du könntest also ein CrossFiter oder Gewichtheber sein, aber auch ein Golfspieler.
Die Informationsverbreitung über das Internet und die damit verbundene Popularisierung verschiedener Trainingsmethoden hat in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass sich die Grenzen zwischen Athleten und Freizeitsportlern zunehmend verwässert und teilweise sogar aufgelöst haben (bzw. viele wissen nicht einmal, dass es diese Unterscheidung überhaupt gibt).
Inwiefern unterscheidet sich ein Athlet von einem Freizeitsportler? Ist man zwangsläufig ein Athlet, wenn man Wettkämpfe bestreitet? Aber was ist, wenn man zweimal in der Woche trainiert und zweimal im Jahr an einer Dreikampf- oder CrossFit-Meisterschaft mitmacht? Ich denke nicht, dass die Teilnahme an Wettkämpfen das ausschlaggebende Kriterium dafür ist, ob man als Athlet durchgeht, obwohl dieser Aspekt sicher wichtig ist. Was zählt ist, welchen Stellenwert man dem Training einräumt und welche Einstellung und Absichten man hat.
Warum spielt es eigentlich eine Rolle, welcher Kategorie man angehört? Selbst wenn Athleten und Freizeitsportler viele Gemeinsamkeiten haben, unterscheiden sie sich oft in ihrer Herangehensweise, und wenn man nicht weiß, zu welcher Gruppe man gehört, kann es durchaus sein, dass man Maßnahmen ergreift, die ungünstig sind. Diese Zuordnung ist völlig wertfrei, d.h. Freizeitsportler sind keineswegs schlechte Menschen oder Athleten unterlegen, sie haben einfach nur andere Prioritäten und Ziele. Dieser Artikel will dir helfen und zeigen, wie du dich selbst optimieren kannst.
Zeitplan
Ein Athlet ordnet sein gesamtes Leben dem Training und Wettkämpfen unter; ein Freizeitsportler passt das Training hingegen an seinen Alltag an. Natürlich gibt es nicht nur diese beiden entgegengesetzten Positionen, sondern auch Abstufungen. Gewichtheben ist ein gutes Beispiel – außer einer kleinen Schar von Athleten im Olympia-Leistungszentrum müssen Gewichtheber einem Beruf nachgehen und einen Weg finden, diese Tätigkeit mit ihrem Training zu vereinbaren, aber die Arbeit steht für den Athleten an zweiter Stelle, während sie für den Freizeitsportler Priorität hat. Wenn du dich für einen Athleten hältst (oder gerne einer wärst), müssen Training, Erholung und Wettkämpfe an erster Stelle stehen und nicht etwas sein, worüber du dir erst Gedanken machst, nachdem du alles andere in deinem Leben geregelt hast.
Zweck & Ziele
Die Motivation und Ziele eines Athleten sind in jeder Hinsicht leistungsorientiert. Sein Training dient dazu, eine bestimmte Leistung – ein Hantelgewicht, eine Sekunden- oder Punktzahl – zu erreichen. Es geht ihm weniger darum, etwas für sein Erscheinungsbild oder seine Gesundheit zu tun; das heißt nicht, dass ihm diese Aspekte unwichtig wären, sondern nur, dass sie sich (wenn überhaupt) zufällig mit dem eigentlichen Trainingszweck überschneiden. Freizeitsportler peilen vielleicht auch eine bestimmte Leistung an, aber für sie sind Aspekte wie Gesundheit, Fitness und ein schlankes oder muskulöses Erscheinungsbild wichtiger. Dagegen ist natürlich nichts einzuwenden – Gesundheit ist immer ein erstrebenswertes Ziel –, aber ihre Einstellung ist eine völlig andere. Dies wirkt sich auch auf andere Elemente aus, beispielsweise auf die Bereitschaft, Schmerzen oder eine Verletzung in Kauf zu nehmen und mit den Konsequenzen zu leben (siehe unten). Du musst deine Prioritäten kennen – bist du bereit, dein gesamtes Leben einem Leistungsziel unterzuordnen, oder sind dir deine langfristige Gesundheit oder Physis so wichtig, dass du bereits bist, diese Ziele über eine mögliche Leistungssteigerung zu stellen?
Fortschritt & Können
Ein Freizeitsportler darf nicht erwarten, genauso schnell Fortschritte zu erzielen wie ein Athlet oder dasselbe sportliche Niveau zu erreichen. Letzteres ist das Produkt aus investierter Zeit und Anstrengung. Ein Athlet, der 20 oder mehr Stunden in der Woche trainiert und seinen Alltag ganz danach ausrichtet, optimale Trainings- und Erholungsresultate zu realisieren, wird natürlich mehr erreichen als ein Freizeitsportler, der nur zwei- bis dreimal in der Woche eine Stunde trainiert, sofern Arbeit, Familie und Urlaub dies zulassen. Es kann durchaus sein, dass manche Freizeitsportler ein größeres Potenzial haben als Athleten, das sie aber niemals ausschöpfen können, wenn sie ihren Sport nicht zu einer Priorität machen und die entsprechenden Maßnahmen ergreifen.
Schmerzen, Verletzungen & Behandlung
Jeder, der körperlich aktiv ist, wird es früher oder später mit Schmerzen zu tun bekommen und sich zumindest kleinere Verletzungen zuziehen. Grundsätzlich werden Athleten öfter und stärker unter Schmerzen und Verletzungen leiden, aber größere Verletzungen scheinen selbst unter Freizeitsportlern heutzutage keine Seltenheit mehr zu sein.
Ich vertrete die Auffassung, dass Freizeitsportler in einer besseren gesundheitlichen Verfassung sein sollten als Athleten, obwohl sich vor allem in der CrossFit-Szene diese Einstellung zu ändern scheint – das heißt, dass immer mehr Freizeitsportler, die nur zum Spaß oder aus Gesundheits- bzw. Fitnessgründen trainieren, ernste und regelmäßige Verletzungen als Teil ihres Trainingsalltags hinnehmen. Ich denke nicht, dass diese Tendenz die Mehrheit repräsentiert, aber der Trend ist auf jeden Fall deutlich erkennbar.
Athleten sind eher dazu bereit, Verletzungen zu riskieren und Schmerzen zu ertragen, um ein Leistungsziel zu erreichen. Anders als bei einem Freizeitsportler ist das auch viel logischer und nachvollziehbar. Wenn es dein erklärtes Ziel ist, gesund, fit und attraktiv zu sein, sind Stützbandagen, Operationsnarben und ein hinkender Gang kontraproduktiv. Wenn du ein Athlet bist, willst du diese Dinge natürlich auch vermeiden, aber nicht weil sie gesundheitsschädlich sind, sondern weil sie dich davon abhalten, deine Leistungsziele zu erreichen. Und wenn doch einmal eine Verletzung eintritt, gehen Athleten anders damit um als Freizeitsportler.
Für einen Freizeitsportler geht es nach einer Verletzung darum, zu genesen und weiteren Schaden abzuwenden. Er denkt also weit in die Zukunft hinein – ob er beispielsweise später einmal in der Lage sein wird, mit seinen Enkelkindern zu spielen oder ohne fremde Hilfe das Bad aufzusuchen. Athleten hingegen wollen nach einer Verletzung möglichst schnell wieder das Training aufnehmen und keine Fortschritte einbüßen – sie denken also wesentlich kurzfristiger, und im Vordergrund steht mehr die Wettkampfleistung bzw. Trainingsvorbereitung und weniger die Frage, ob das Knie in zwanzig Jahren noch hält, wenn man sich körperlich ständig aufs Neue fordert.
Hier spielen Hilfsmittel wie Eis und Medikamente eine Rolle. Meiner Meinung nach sollte ein Freizeitsportler möglichst auf Schmerzmittel verzichten. Es macht keinen Sinn, so hart zu trainieren, dass man sie dauerhaft einnehmen muss. Wenn die Gesundheit ein Hauptanliegen ist, sollte man seinen Körper nicht unnötig mit Medikamenten belasten. Bei Schmerzen sollte man das Problem an der Wurzel packen, sich auskurieren und den Fehler künftig vermeiden. Man hat dafür alle Zeit der Welt und muss sich nicht hetzen.
Athleten hingegen müssen mit Schmerzen und Verletzungen leben und dabei auf Methoden zurückgreifen, die vielleicht nicht gerade gesundheitsfördernd sind. Dafür können sie schneller zum Training zurückkehren oder Beschwerden so lange hinauszögern, bis der Wettkampf beendet ist. In diesen Fällen wird auf eine Heilung verzichtet und lediglich Krisenmanagement betrieben. Das sind die Situationen, in denen Schmerzmittel (oft in hoher Dosis) und Eiskompressen zum Einsatz kommen, um Schwellungen und Schmerzen zu lindern, weil man dadurch das Training fortsetzen kann – man tut, was nötig ist, um die Verletzung vorübergehend in Schach zu halten, und kümmert sich später darum, wenn der Wettkampf und der Trainingsplan es zulassen.
Wo befindest du dich im Spektrum?
Überlege dir, wo du dich im Spektrum zwischen Athlet und Freizeitsportler bewegst. Du musst deine Motivation und deine Prioritäten kennen. Nur dann wirst du in der Lage sein, die für dich richtigen Entscheidungen zu treffen und angemessene Trainings-, Erholungs- und Denkansätze anzuwenden, die dich ans Ziel bringen.
Euer Gray Cook