Mentales Training wirkt direkt auf die geistig-seelische Ebene und damit rückkoppelnd auf unsere körperlichen Funktionen. Bei unserer Atmung bemerken wir direkt die Verbindung bewusst-unbewusst und deren unmittelbare Veränderlichkeit. Effektive Atmung ist die Atmung, die sich automatisch einstellt, wenn wir den Atemvorgang einfach geschehen lassen. In diesem Artikel möchte ich Wege aufzeigen, wie wir diesen Vorgang durch Training ökonomisieren können.
Zielsetzung
Wenn wir nun unsere Atmung trainieren möchten, verfolgen wir damit folgende Ziele:
- Sensibilisierung für den Atemvorgang und gelassenes Annehmen der eigenen Atmung durch Atemmeditation, damit sich unser häufig gestörtes Atemmuster normalisiert.
- Forcierung der Atembereitschaft durch Dehnreizrezeptorenstimulation mit Hilfe von Dehnübungen vor sportlicher Leistung.
- Erhöhung der Erythrozytenzahl mit entsprechend optimierter Sauerstoffutilisation durch Erhöhung der CO2-Toleranz.
- Ökonomisierung der Muskelarbeit durch Kräftigungsübungen der Atem- und Atemhilfsmuskulatur.
- Körperhaltungen zur Entlastung nach erschöpfender sportlicher Leistung und wenn mal „die Luft wegbleibt“.
- Reinigung der Atemwege, Abhärten gegen Infekte.
Zunächst möchte ich einen simplifizierten Kurzausflug Atemphysiologie anbieten, um einen Überblick über das Feld zu geben, in dem wir uns hier bewegen. Die Tätigkeiten unserer Organe sind natürlich eng miteinander Verflochten, hier soll eine isolierte Betrachtung stattfinden; der Herz-Kreislauf, die Beeinflussung des Lymphsystems usw. werden hier nicht erläutert.
Physiologie des Atems
Obere Luftwege
Nasenwege, Rachen, Kehlkopf, Trachea und Bronchien stellen die Anfangswege des Flusses unserer eingeatmeten Luft dar. Die Atemwege werden reflektorisch für den Ablauf der Atembewegung wirksam; zum Beispiel wird über die Durchlässigkeit der Nase ein Teil dieser Folgewiderstände beeinflusst.
Der Gaswechsel
Im Lungenkreislauf erfolgt der Kontakt von venösem Mischblut und Alveolarluft, was den Gasaustausch ermöglicht. Der Austausch von atmosphärischer Luft und Blut erfolgt in den Lungenalveolen. Dort findet durch Diffusion der Gasaustausch zwischen den Alveolarwänden und Kapillargefäßen statt.
Sauerstofftransport und Ventilationskräfte
Der Sauerstoff der Alveolarluft gelangt ins Blutplasma. Der Gasaustausch von Außenluft und Atemorganen passt sich an den jeweils geforderten Bedarf an. Durch die Spannung der Atemmuskeln bei der Einatmung (=Verkürzung), erfolgt eine Vergrößerung des Brustraumvolumens, die Verkleinerung erfolgt durch das Bestreben der Fasern, in Ihre Ausgangslänge zurückzukehren, also dem Ausatemvorgang.
Die Atemmuskulatur
Die Atemmuskulatur arbeitet unwillkürlich autonom, kann aber auch willkürlich beeinflusst werden. Letztlich ist es die, nach Dauerleistungsprinzipien zusammengesetzte, Muskulatur die die Atembewegungen bewirkt. Die Atemwiderstände werden vom sympathischen und parasympathischen Nervensystem gesteuert; bei der Einatmung erfolgt reflektorisch eine Weitung der Luftwege, eine übermäßige Verengung tritt beispielsweise beim Einatmen kalter Luft ein. Das Zwerchfell ist der wichtigste Atemmuskel.
Atemtechniken als Therapie
Der große Bereich der Atemtherapie mit entsprechender Diagnostik soll in diesem Artikel nicht berücksichtigt werden, besitzt jedoch, das sei nur am Rande bemerkt, ein großes Potenzial bei zum Beispiel Lungenerkrankungen, den verschiedenen Formen des Asthma bronchiale, Erkrankungen des Herzens, Fehlstelllungen von Rippen & Wirbeln, in der Schwerstkrankenpflege sowie seelischen Beschwerden. Ich glaube, dass es in der individuellen Therapie verstärkt auf eine optimale Durchführung der in diesem Artikel beschriebenen Methoden ankommt. Dies betrifft zum Beispiel die Fingerhaltung bei Atemübungen zur Lungenreinigung oder die Sitzposition bei Atemmeditation. Klopf- und Lagerungstechniken zur Atemerleichterung bei z. B. Schleimansammlungen beim Kranken mit verordneter Bettruhe werden hier ebenfalls nicht erörtert. Zur Prävention oder reinen Anwendung im Bereich der sportlichen Leistungsfähigkeit durch Laien oder den Sportler alleine, sind die hier leicht nachvollziehbaren Details jedoch völlig ausreichend.
Zusammenfassung
Unsere Atmung wird reflektorisch über das Atemzentrum im Gehirn gesteuert. Die Befehle des Atemzentrums werden letztlich durch die entsprechenden Muskeln ausgeführt. Wenn wir bewusst in die Atmung eingreifen, stören wir meistens nur das Atemzentrum und unsere Atmung wird weniger effektiv. Dauerhaft gestörte Atemmuster begünstigen Fehlhaltungen und Erkrankungen, die mit einer gestörten Sauerstoffversorgung und –ausnutzung einhergehen.
Breathing Better – Atemtechniken zur Leistungssteigerung
1. Atemmeditation
Du setzt dich bequem hin und schließt die Augen. Die Finger von linker und rechter Hand sollten sich aufeinanderliegend berühren, die Füße sind in für dich bequemer Position; Lotus-/Halblotus-/Viertellotussitz sind die Profisitzhaltungen, die du bei Bedarf nachlesen kannst. Bei der Atemmeditation konzentrierst du dich auf deine Atmung und achtest darauf, wie die Atemluft ein- und ausströmt, ohne den Vorgang mit dem Willen zu beeinflussen. Auftretende Gedanken unterdrückst du nicht, sondern lässt sie zu und dann wieder los, um tiefe Entspannung zu erreichen. Die Übung kannst du so lange durchführen, wie du dich dabei wohl fühlst. Ideal ist die Übung zur Vorbereitung auf einen anstrengenden Tag aber auch Zwischendurch und zur Erholung nach getaner Arbeit.
2. Rezeptorstimulation für erhöhte Leistungsbereitschaft
Als besonders einfach durchzuführende Technik soll hier das seitliche Rumpfdehnen angeführt werden. Hierbei wird ein kräftiger Dehnreiz auf alle thorakalen Gewebe, sowie das Schultergelenk ausgeübt. Neben dem mobilisierenden Effekt entsteht durch Stimulation der Dehnungsrezeptoren eine Anregung zum Tiefatmen. Die Übung kann liegend oder stehend durchgeführt werden und ist optimal vor sportlicher Leistung – du erkennst die Bewegung vielleicht auch beim „Recken & Strecken“ nach dem Aufwachen wieder.
3. Leistungssteigerung durch höhere Erythrozytenzahlen
Bewusstes Unterdrücken des Atemreflexes führt zu einer kompensatorische Sekretion roter Blutkörperchen aus der Milz. Was das für die sportliche Leistung bedeutet, braucht an dieser Stelle wohl kaum weiter erörtert zu werden.
Für das systematische Training ermittelst du im Liegen einmalig, wie lange du bei tiefer Einatmung (so tief, wie du ohne starke Anstrengung kommst) die Luft anhalten kannst. Davon nimmst du 30 %. Mit diesen 30% machst du 3-4 Sätze mit jeweils 1:55 min. Pause dazwischen. Nach jedem Satz erhöhst du die Apnoezeit um 5-10 Sekunden, abhängig von deinem Leistungsstand.
Alternativ oder zusätzlich kannst du an einem anderen Tag 3-4 Sätze mit 70 % der von dir ermittelten Zeit durchführen und bei 2:30 min. beginnend die Pausenzeit nach jedem Satz um 30 Sekunden reduzieren.
Pro Woche kannst du die Dauer unter Apnoe um 2-5 Sekunden steigern, bis du ein von dir gesetztes Ziel erreichst. Wenn Apnoetauchen nicht deine Sportart ist, solltest du bei Apnoezeiten ab 90-120 Sekunden eher darauf hintrainieren, diese Zeit mit weniger Aufwand zu erhalten. Zum Beispiel kannst du im Sitzen Wäsche zusammenlegen, während du übst. Deine Sätze sollten nie so lange gehen, dass du drohst, ohnmächtig zu werden. Hyperventilation vor dem Satz ist verboten, da es keiner echten Anpassung an ein vermindertes Sauerstoffangebot entspricht, sondern durch den verminderten CO2-Spiegel lediglich den Atemreiz unterdrückt. Eingeatmet wird nur durch die Nase, damit durch eine extreme, hier nicht gewünschte, Maximalatmung keine Überblähung der feinsten Lungenbläschen entstehen kann.
4. Muskeltraining der Atem- und Atemhilfsmuskulatur
Wir beginnen bei der Atemhilfsmuskulatur. Hierbei soll speziell auf die Bodybuilding-Übung „Überzüge“ hingewiesen werden. Überzüge trainieren direkt die Schuler-, Zwischenrippen- und Brustmuskulatur – also die Hauptergänzungsmuskeln der Atmung.
Das Zwerchfell trainieren wir doppelt: Durch den Sitz in der tiefen Kniebeuge mit leicht nach vorne geneigtem Kopf wird der Bauchraum leicht eingeengt, das Zwerchfell leistet Arbeit gegen erhöhten Widerstand.
Beim Einatmen können wir bewusst die Epiglottis (= den Kehldeckel) verschließen. Wird an dieser Stelle weiter eingeatmet, spüren wir direkt die Kontraktion des Zwerchfells und können diese vorsichtig (!) isoliert betonen. Die sich daraus ergebende Gegenübung möchte ich an dieser Stelle auslassen, da eventuell eine ungünstige Erhöhung des Schädeldruckes resultieren könnte.
Im Sitzen können wir die Bauchmuskulatur optimal in Ihrer Mitarbeit bei der Ausatmung unterstützen. Während des Ausatmens den Bauch einziehen und am tiefsten Punkt die Bauchmuskulatur anspannen. Das massiert außerdem verstärkt die Eingeweide und fördert die Verdauung und Weiterbewegung des Verdauungsbreis.
Einfache Gummibänder sind für viele Funktionstraingseinheiten einfach nicht stark genug. Mit einer Klammer ein Band jedoch um den Brustkorb zu befestigen und gegen den erhöhten Widerstand zu atmen bringt signifikante Effekte. Damit du dich nicht überforderst, empfehle ich dir, mit dem Band zunächst Hausarbeit zu verrichten und zu schauen, wie du dich dabei fühlst. Danach kannst du z. B. deine Spaziergänge gelegentlich mit diesem Training bereichern.
5. Normalisierung bei akuter Überlastung
Haltung bei unzureichender Sauerstoffversorgung
Nach Abschluss z. B. eines schweren Trainingssatzes oder nach dem Zieleinlauf stützen wir uns unbewusst mit den Händen (oft aus dem Latissimus heraus) auf den Oberschenkel ab und schieben damit die Schultern leicht nach vorne und stark nach oben. Diese Haltung erleichtert die Arbeitsweise der Atemhilfsmuskulatur und führt damit ohne zusätzliche Anstrengung zu beschleunigter Regeneration; eine Sauerstoffschuld kann schneller abgeatmet werden. Diese Atmung wird auch beim akuten Asthmaanfall eingesetzt. Wir können diese Haltung stehend oder sitzend bewusst einnehmen.
Unfähigkeit zur Atmung
War die Belastung weit über der eigenen Leistungsfähigkeit oder kommt es zum Belastungsasthma, kann der Atemwiderstand kurzfristig so weit ansteigen, dass ein normales Atmen kaum noch möglich ist. Hier setzen wir die Lippenbremse ein. Dabei werden die Lippen fast geschlossen und dabei ausgeatmet. Diese Druckerhöhung führt über Feedbackmechanismen zur Weitung der Bronchien und kann damit die Atemfähigkeit wieder normalisieren.
Spezielle Ergänzungen
Wir nutzen in der Praxis auch Akupressurhaltungen zur indirekten Normalisierung der Atmung. Bei der Akupressur werden Akupunkturpunkte oder Meridiane durch Klopfen, Druck etc. stimuliert. Bleibt einem mal die Luft weg, fasst die dominante Hand um den Daumen der nicht-dominanten Hand und übt über längere Zeit einen mittleren Druck aus.
6. Reinigung und Abhärtung
Die Reinigung der Atemwege bringt eine gesteigerte Infektabwehr mit sich. Zu diesem Zweck kannst du kaltes Wasser mit etwas Salz vermischen und durch die Nase hochziehen; dies hat eine hervorragende Reinigungsfunktion und beschleunigt das Ausheilen einer banalen Erkältung ganz hervorragend.
Als Atemübung entnehmen wir die Yoga-Wechselatmung. De Übung sollte entspannt im Sitzen durchgeführt werden; aber auch beim Spazierengehen handelt es sich um eine effektive Methode. Du atmest regulär ein und hältst danach ein Nasenloch seitlich an der Nase zu. Die Ausatmung erfolgt nun durch das offene Nasenloch, durch welches auch wieder eingeatmet wird. Danach wechselst du die verschlossene Seite und führst den gleichen Ablauf auf der gegenüberliegenden Seite durch. Dabei konzentrierst du dich bewusst auf den Luftstrom. Mit dieser Atemform werden gezielt Lungenabschnitte ventiliert, die regulär eher schwieriger zugänglich sind. Die Luft kann hier eine stärkere Reinigungswirkung als bei regulärer Atmung bewirken. Du beginnst bei 30 Sekunden und erhöhst in jedem Training um 10 Sekunden, bis du die Zeit als ausreichend lange zur Unterstützung deines Trainings empfindest.
Konklusion
Die hier vorgestellten Techniken und Informationen sollten so aufbereitet werden, dass ohne große Umwege eine praktische Einbindung ins reguläre Training möglich wird. Ein Kurzausflug zur Physiologie macht immer Sinn und sensibilisiert für die dahinter stehenden Erfolgsorte und Faktoren. Atemtechniken machen Spaß und können die Leistungsfähigkeit ganzheitlich steigern; auch die Persönlichkeitsbildung kommt dabei nicht zu kurz. Atemtraining lässt sich zeitsparend und ohne zusätzliche Stressbelastung ins Trainingsprogramm einbinden. Von welcher Trainingsform, außer dem regulären mentalen Training, kann man das schon behaupten?
Euer Denis Tengler
Super!
Alles,was aus Asien relevant kommt,hängt mit der Atmung zusammen.Manche Meditation ausschließlich.
Vielen Dank ! W.K.