Kettelebell Gewichtsabstufungen
Die klassischen Gewichtsabstufungen in 4 kg-Schritten stammen von der alten russischen Gewichtseinheit „Pud“ ab (1 Pud = 16 kg). Daraus scheint sich dort dann langsam eine Trainingsform entwickelt zu haben, indem die Händler damit „gespielt“ und gegenseitig ihre Kraft verglichen haben. Die früheren Strongmen oder „Kraftprotze“ haben auch mit Kettlebells trainiert und damit auf Märkten und im Zirkus ihre Kraft zur Schau gestellt. Zur Zeit der Turnbewegung in den Jahrzehnten um 1900 herum wurden Kettlebells zur Steigerung der Kraft und Ausdauer im deutschsprachigen Raum eingesetzt. Nachdem sie etwa zur Zeit des zweiten Weltkrieges weitestgehend in Vergessenheit gerieten, wurden sie um das Jahr 2000 herum von den USA aus in einer groß angelegten Marketing- und Trainerausbildungskampagne weltweit wieder bekannt gemacht. Seitdem breitet sich der neue Siegeszug dieses hocheffektiven Trainings- und Fitnesswerkzeugs ungebremst weiter aus.
Die Art des Gewichts erlaubt viele Schwungübungen zur Entwicklung einer beeindruckenden Ausdauer. Kettlebells liegen dichter und kompakter am Körper und viele Übungen lassen sich komfortabler als z. B. mit Kurzhanteln ausführen. Die Form mit dem außerhalb der Hand liegenden Massenschwerpunkt zieht die Schultern in eine bessere Position – ein Grund, weshalb Kettlebells auch für ihre sehr guten Effekte bei der Schulterstabilisation bekannt sind.
Das Training mit den Kettlebells
Das Training besteht vor allem aus Ganzkörperübungen, die das funktionelle Zusammenspiel der Muskeln fördern. Der Körper lernt also (wieder) sich als funktionelle Einheit zu bewegen. Explosivität/Schnellkraft, Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit werden bereits in kurzen Trainingseinheiten verbessert. Kettlebells sind auch für einen sehr hohen Kalorienverbrauch bekannt, sowohl während des Trainings (Studie: bis zu 404 kcal nach 20 min Snatches im 15/15 s-Format) als auch danach (Nachbrenneffekt).
Grundsätzlich gibt es drei Trainingsformen: Ballistische Übungen (z. B. Swing, Clean, High Pull, Snatch, Push Press, Jerk), spannungsbetonte Kraftübungen (z. B. Squat, Press, Turkish Get-up, Windmill) und Juggling/Jonglieren (Ballistische Übungen mit häufigen Handwechseln in der Flugphase der Kugel).
Bei der Form werden vor allem zwei Arten unterschieden: „Fitness-Kettlebells“ aus Gusseisen und „Competition- oder Wettkampf-Kettlebells“ aus Stahl. Erstere sind besser für beidhändige Swings geeignet und bewirken mehr Griffkraft durch den dickeren Griff. Letztere sind besser für einhändige Übungen und hohe Wiederholungszahlen geeignet, da sie kompakter am Arm anliegen und man sich nicht auf unterschiedliche Größen und Griffstärken bei den Gewichtenen umstellen muss (Wettkampf-Kettlebells haben unabhängig vom Gewicht alle die gleiche Größe).
Welche Variante nun besser für das Training geeignet ist, kann pauschal nicht gesagt werden, sondern hängt von den individuellen Zielen und Vorlieben ab.
Wettkämpfe mit Kettlebells
Seit 1948 gibt es auch Wettkämpfe mit Kettlebells. Das sind Kraftausdauerwettkämpfe, bei denen die Sportler wie beim Gewichtheben nach Gewichtsklassen eingeteilt werden. Die Hauptdisziplinen sind der Long Cycle Clean & Jerk (Stoßen mit zwei Kettlebells), der Snatch (Reißen mit einer Kettlebell) und der Jerk (Ausstoßen mit zwei Kettlebells). Die Gewichte liegen bei 24-32 kg für Männer und 16-24 kg für Frauen. Wer in 10 Minuten die meisten Wiederholungen ohne abzusetzen schafft, hat gewonnen. Mittlerweile gibt es auch Unterdisziplinen mit einer Hand und leichteren Gewichten. Die Wettkampftechniken sind ganz auf lange Belastungszeiten und hohe Wiederholungszahlen ausgelegt. Im Fitnessbereich wird häufig eher mit mehr kraftbetonteren Technikvarianten trainiert, die mehr auf Explosivität, Kraft und Körperspannung ausgerichtet sind, was sich für Einsteiger zunächst mehr anzubieten scheint. Letztere Variante bewirkt auch einen höheren Kalorienverbrauch.
Zusammengefasst stellt das Training mit Kettlebells eine der effizientesten Fitnessmethoden dar, weil bereits mit geringem Zeit-, Platz- und Materialaufwand der ganze Körper hinsichtlich Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Beweglichkeit trainiert werden und ein relativ hoher Kalorienverbrauch erzeugt werden kann. Mit Kettlebells lernt man sehr schnell sich besser und effektiver zu bewegen, weshalb sie z. B. auch mit großen Erfolgen in der orthopädischen Rehabilitation eingesetzt werden (v. a. bei Knie-, Rücken- und Schulterpatienten). Die Übertragbarkeit auf Alltags- und Sportbewegungen ist hoch. Da nahezu alle Übungen den ganzen Körper mit einbeziehen und viele mit Schwung durchgeführt werden, ist das Erlernen durch einen zertifizierten Kettlebell Instructor zu empfehlen. Bücher und DVDs sind für bewegungsbegabte Sportler ein guter Start, aber ein zertifizierter Kettlebell Instructor wird einem die noch unbekannten Technikfehler korrigieren und kann viele weitere wertvolle Tipps für das sichere und effektive Training geben.
Dr. Till Sukopp ist Sportwissenschaftler und gehört zu den führenden Kettlebell-Ausbildern in Deutschland. Auf der Seite Kettlebell Fitness hat er bereits viele Artikel und Videos veröffentlicht, nicht nur über das Training mit Kettlebells. Er leitet das Training in der Primal Fitness Box, einer alternativen Trainingshalle in Köln.