Dr. Lutz Herdener ist Referent bei der „Certified Athletiktrainer“ Ausbildung – erfahre hier mehr dazu
Hochintensives Training zu Beginn einer Saisonvorbereitung oder eines Trainingszyklus galt lange Zeit als rotes Tuch in der Trainingssteuerung. Im Zuge eines langfristigen und stabilen Trainingsaufbaus war es gängig vor allem in den ersten Wochen der Trainingsphase lange und geringintensive Einheiten in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei lassen sich allerdings auch durch andere Maßnahmen Leistungssteigerungen erzielen. Vor allem das HIT (High Intensity Training) wurde in den letzten Jahren als effektive Maßnahmen zur Verbesserung der Ausdauerleistung eingesetzt. Ohne diese Methode dogmatisieren zu wollen, kann man von einem hocheffektiven und pragmatischen Ansatz ausgehen, der entweder bei wenig Trainingszeit oder einem hohen Leistungsniveau des Athleten eingesetzt werden kann. Das HIT lässt dabei verschiedene Ansätze zu, so dass HIT nicht immer gleich HIT ist.
So unterscheidet man zwischen längeren hochintensiven Intervallen (2-3min) zur Steigerung der Laktattoleranz und des Laktatshuttles sowie kurzen all-out-Intervallen (bis 60sec) zur Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme. Beide Methoden sind absolut effektiv und können einem klassischen Grundlagentraining in der Saisonvorbereitung oder einem Trainingszyklus auch vorgeschaltet werden. Grundlegend sollten sich allerdings verschiedene Fragen gestellt werden, bevor man sich für oder gegen ein HIT zu Beginn der Saison entscheidet, da für die Entscheidung verschiedene Faktoren eine Rolle spielen.
Belastbarkeit des Sportlers
Die Belastbarkeit des Sportlers ist deswegen so entscheidend, weil vor allem hochintensive Belastungen ein erhöhtes Verletzungsrisiko mit sich bringen. Auch wenn diese Beschwerden nicht zwingend als direktes Trauma bemerkt werden, sollte stets berücksichtigt werden, dass z.B. höhere Geschwindigkeiten auch eine erhöhte Belastung für den Muskel-Sehnen-Komplex und das Herz-Kreislaufsystem darstellen. Bei frühzeitig auftretenden Beschwerden kann die Saison schnell frühzeitig beendet sein, oder die Vorbereitung bereits nach wenigen Tagen oder Wochen einen empfindlichen Dämpfer erhalten. Plant man eine HIT zu Beginn der Saison einzusetzen, ist also darauf zu achten, dass der Athlet auch über eine entsprechende Kapazität verfügt.
Leistungsniveau des Sportlers
Gerade bei Sportlern mit hohem Leistungsniveau und einer höheren Belastbarkeit bietet sich HIT Training an, da es als neuer Trainingsreiz auch mit großer Wahrscheinlichkeit in einer verbesserten Leistungssteigerung resultiert. Entsprechend dem Motto „Variation als wichtigstes Trainingsmittel“ lassen sich so, mit (für den Sportler) neuen Methoden und Belastungen, neue Trainingsreize aktivieren. Unter den oben genannten Gesichtspunkten, lässt ich so effektiv und zeitsparend mit dem Sportler arbeiten.
Zeitbudget des Sportlers
Bei Athleten mit geringen zeitlichen Ressourcen kann der HIT-Ansatz ebenso Sinn ergeben. Dabei muss man aber zwischen zwei grundlegenden Typen unterscheiden. Das eine ist ein Sportler mit geringem Leistungsniveau und dem Wunsch eines effektiven Trainings. Ihm kann man entsprechend den oben genannten Vorteilen durch hochintensive Intervalle (v.a. VO2max-Training) schnell zu einem Leistungssprung verhelfen. Allerdings sollte hier die entsprechend erhöhte Belastbarkeit berücksichtigt werden. Die zweite Variante ist ein Athlet, der aufgrund einer Verletzung einen Trainingsrückstand hat und schnell wieder an die Mannschaft herangeführt werden soll. Je nach Verletzungsart hat man hier schon während der Rehabilitationsphase die Möglichkeit mit intensiven (2-3min-Intervallen) den Herzkreislauf und den kompletten Organismus auf die kommenden Belastungen vorzubereiten. Gerade im Bereich des Fahrradergometers oder eines intensiven Oberkörpertrainings (Handkurbel, Versaclimber oder Kraftausdauerzirkel) können die verletzten Strukturen geschont werden, indem man entsprechend die anderen Körperteile trainiert und damit trotzdem einen zentralen Effekt erzielt.
Motivation des Sportlers
Viele Trainingsansätze scheitern an der Einschätzung des Trainers oder dessen Misskommunikation mit dem Athleten. Dabei hat der Trainer sprichwörtlich alle Fäden in der Hand aus dem Pool seiner Methoden und Maßnahmen dem Sportler maßgeschneiderte Lösung anzubieten. Viele Trainer verlassen sich ausschließlich auf Lehrbuchmeinungen oder Erfahrungen und Präferenzen aus dem eigenen Training. Dies ist sicherlich ein Ansatz aber man muss berücksichtigen, dass nicht jedem Sportler das gleiche Training liegt. So gibt es Amateursportler die eine lange, ruhige Einheit einem kurzen, intensiven Workout vorziehen – und eben auch andersherum. Eine einfach Abfrage der Präferenzen des Sportlers und seinen Vorstellungen des Trainings kann helfen, diesen von Beginn an mit im Boot zu haben. Das muss nicht zwingend heißen, dass man das Training nach seinen Wünschen gestaltet, aber man kann a) seine Ansätze verdeutlichen und auch b) sich auf Trainingsmethoden konzentrieren, die dem Sportler liegen (vor allem bei geringem Leistungsniveau). Viele Beispiele zeigen, dass Trainer-Sportler-Kommunikation und gezielte Motivation als Faktor der Trainingssteuerung unterschätzt wird.
Fazit
Die genannten Beispiele zeigen gut, wie die verschiedenen Ansätze sowohl ein Für als auch ein Wider bezüglich eines High Intensity Trainings verdeutlichen. Der Einsatz hängt letztlich von dem Leistungsniveaus sowie den Vorstellungen des Sportlers und den Erfahrungen und Kompetenten des Trainers ab. Dabei sollte allerdings immer noch unterschieden werden welche Trainingseffekte erreicht werden sollen und wie man das HIT entsprechend gestalten muss.
Euer Dr. Lutz Herdener