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Als Beispiel möchte ich Walter Payton anführen. Immer wenn er wählen musste zwischen dem Laufen ins Spielfeld-Aus und der Konfrontation mit einem Verteidiger der gegnerischen Mannschaft, senkte Payton seine Schultern und stürmte auf den Gegner los. Payton fehlte in nur einem einzigen Spiel seiner gesamten Karriere, und das aufgrund eines verstauchten Fußgelenks gleich in seinem ersten Profijahr. Payton wollte auch dieses Spiel nicht verpassen; doch der Trainer entschied dagegen. Payton war damals der Meinung, er hätte trotz der Verletzung spielen können. Als er sich in der Saison 1983 arthroskopischen Operationen an beiden Knien unterziehen musste, sprach er auf seine leichte, witzige Art immer nur von einer Inspektion nach 11.000 Yards.
Paytons Verletzungswiderstandsfähigkeit beruhte auf seinem sehr stark ausgebildeten Körperbewusstsein (von Athleten oft als »Hineinhorchen« bezeichnet) sowie auf seinem funktionellen Konditionstraining, seiner starken Rumpfmuskulatur und seinem Bewegungstalent. Jeder Sportler kann sich zumindest drei dieser Qualitäten zunutze machen.
Schmerzen verstehen
Der weitverbreitete Spruch »No pain, no gain« (wörtlich: Ohne Schmerz kein Gewinn) wird von jungen Sportlern oft falsch interpretiert. Sie denken, dass damit gemeint sei, man könne sich durch jede unangenehme Empfindung, von einer leichten Unannehmlichkeit bis hin zum heftigen Schmerz bei Verletzungen, hindurchkämpfen. Hält man sich an den Spruch, um in einer Ausdauersituation gegen die Ermüdung anzukämpfen oder im Training eine Übung ein weiteres Mal zu wiederholen – dann ist er wahrscheinlich hilfreich, weil er motivierend wirkt. Muskelkater ist oft eine normale Begleiterscheinung von hartem Training. Schmerzen hingegen deuten auf ein Problem hin, das unbedingt untersucht und korrigiert werden muss, um weiteren Schaden zu vermeiden. Viele Sportler und Fitnessfans kämpfen jedoch regelmäßig gegen ihre Schmerzen an. Um die Schmerzen auszublenden, setzen sie über längere Zeiträume Eissprays und entzündungshemmende Salben und Tabletten ein.
Die meisten Menschen wissen nicht, wofür der Schmerz eigentlich steht. Unser Körper ist intelligent – durch den Schmerz signalisiert er uns, dass etwas nicht in Ordnung ist. In einer Zeit der medizinischen Wunder und schnellen Abhilfen sehen wir Schmerzen hingegen eher als ein Ärgernis, das uns von Wichtigerem, also dem Training, abhält. Tatsächlich sind Schmerzen jedoch immer ein Signal für eine tiefer liegende Störung im Körper.
Stellen Sie sich vor, Sie wären im Auto unterwegs, und plötzlich würde eine rote Lampe am Armaturenbrett aufleuchten. Sie würden das Armaturenbrett ja auch nicht mit einem Handtuch aus Ihrer Sporttasche abdecken, damit die Kontrollleuchte Sie nicht weiter stört, oder? Vielmehr würden Sie doch versuchen, die Ursache des Problems zu ermitteln. Aller Wahrscheinlichkeit nach würden Sie so bald wie möglich anhalten und das Problem genauer untersuchen, es beheben oder Hilfe suchen. Denn wenn Sie in diesem Wagen weiterfahren würden, liefen Sie Gefahr, ihn zu beschädigen, eventuell stünde sogar Ihre eigene Sicherheit auf dem Spiel.
Bei einem Auto scheint anhalten und den Grund für die Störung suchen demnach ganz logisch zu sein. Jetzt stellen Sie sich einmal vor, Sie gingen am nächsten Tag joggen und hätten plötzlich Kniebeschwerden. Anstatt das Training abzubrechen, laufen Sie aber weiter und ringen den Schmerz im Knie nieder. Das Knie macht auch bei den nächsten zwei, drei Läufen weiter Probleme. Schließlich kaufen Sie entzündungshemmende Medikamente und verschiedene andere Produkte, wie zum BeispielNeopren-Manschetten, Sportsalben, Therapiemagnete und Eis-Packs, um die Schmerzen für den nächsten Trainingslauf zu unterdrücken. Sie werfen also ein »Handtuch« über die Warnung des Körpers, anstatt sich um die Ursache für den Schmerz zu kümmern. Der Knieschmerz ist vielleicht nur das Zeichen für eine muskuläre Dysbalance (ein Ungleichgewicht zwischen dem kontrahierenden Muskel, dem Agonisten, und seinem Gegenspieler, dem Antagonisten), wodurch ein Gelenk oder Sehnen unnötig stark belastet wurden.
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Schmerz nicht ignorieren
Wenn Sie das Symptom (den Schmerz) nun verdecken oder ignorieren und das Gelenk durch Ihr Training immer weiter belasten, kann es zu ernsthaften Schäden (Verletzungen) kommen. Sie wollen natürlich, dass die Schmerzen verschwinden, damit Sie wie gewohnt weitertrainieren können. Indem Sie aber die Schmerzen ignorieren, missachten Sie auch einen der Schlüsselfaktoren für das Feintuning Ihres Trainings.
Schlechte Haltung und unzureichende Eigenwahrnehmung des Körpers kosten Energie, die eigentlich für Bewegungen bestimmt war. Trainer nennen es oft verschwendete Energie, besser passt jedoch fehlgeleitete Energie, da die Energie ja nicht einfach irgendwohin verschwindet. Diese Fehlleitung kann das Ergebnis gestörter Biomechanik, schlechter Haltung, technischer Defizite im Sport oder auch eines unglücklichen Zusammenpralls mit einem Gegner oder Gegenstand sein oder auch die Folge eines Sturzes. Oft mündet diese fehlgeleitete Energie in Verletzungen und/oder unnötigen Leistungsabfall.
Gelegentlicher Muskelkater gehört zwar zum Training wie die Dusche danach, sollte jedoch nicht länger als 48 Stunden anhalten. Bei normalem Konditionstraining sollte es nicht zu Gelenkschmerzen kommen. Nach Wettkämpfen oder harten Spielen ist eine gewisse Gelenksteifigkeit (in manchen Fällen sogar ein gewisser Gelenkschmerz) ganz natürlich. Grundsätzlich ist unser Körper aber derart konzipiert, dass der überwiegende Teil mechanischer Belastungen von der Muskulatur übernommen und von den Gelenken weggeleitet wird. Deshalb sollten durch den Sport ausgelöste Schmerzen nur in den Muskeln auftreten – und auch dort nur vorübergehend und nach harten Belastungen.
Die Gelenke bilden den stützenden Rahmen für unsere Bewegungen. Die Muskeln und Sehnen erzeugen die Spannung, um den Körper zu bewegen, und nehmen Belastungen auf, um ihn zu schützen. Die Muskeln sind strategisch angeordnet, überkreuzt und mit den Gelenken verbunden, und zwar in jedem erforderlichen Winkel, um effiziente Bewegungen zu ermöglichen und die Belastungen, die durch Bewegungen entstehen, abzuleiten. In anderen Worten: Sie sind eigens entworfen, um mit Belastungen umzugehen. Durch die reichliche Blutversorgung können sie sich schnell erholen, selbst wenn sie bis an ihre Grenzen belastet wurden. Das frische (arterielle) Blut bringt Nährstoffe herbei, das zurückfließende (venöse) Blut transportiert Abfallstoffe ab. Für die Gelenke hingegen existiert weder ein solches Kreislaufsystem, noch können sie Entzündungen so effektiv bekämpfen wie die Muskeln.
Durch Schmerzen verzerrt sich die Eigenwahrnehmung (Propriozeption), die es uns beispielsweise ermöglicht zu »fühlen«, wann wir uns von sicherem auf unsicheren Grund bewegen (ohne nach unten zu blicken), oder die uns vor einer Verteidigungsreihe stoppen und einen Haken schlagen lässt. Sportliches Training erfordert eine Körpereigenwahrnehmung, denn erst diese macht eine Trainingseinheit zu mehr als einem bloßen Anlass zu schwitzen. Jede Trainingseinheit kann einen Lernprozess hinsichtlich Motorik, Koordination und Bewegungsmustern darstellen. Wird die Propriozeption jedoch durch Schmerzen verzerrt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der betroffene Athlet zu ungeschickten oder unnatürlichen Ausweichbewegungen greift (Kompensation), um den Schmerz zu umgehen. Dieses Kompensieren kann wiederum neue, weitere Probleme heraufbeschwören. Kompensation erzeugt in diesem Fall Belastungen in anderen Körperregionen, da dort härter als gewöhnlich gearbeitet werden muss, um dasselbe Leistungsniveau zu erreichen. Zu neuen Problemen kommt es, wenn Körperteile für sie ungewohnte Arbeiten verrichten müssen oder wenn der Athlet über die Schmerzgrenze hinaus trainiert und dabei noch größere Verletzungen mit weiteren Komplikationen riskiert.
Ursachenforschung
Es ist überaus wichtig, der Ursache des Schmerzes auf den Grund zu gehen. Falls der Schmerz durch einen bestimmten Vorfall oder eine Verletzung entstanden ist, liegt die Ursache ja auf der Hand. Wird ein unterschwelliger Schmerz jedoch stärker und hält er länger an, dann müssen wir unbedingt Ursache und Ursprung lokalisieren, um Abhilfe schaffen zu können.
Nutzen Sie Schmerzen zu Ihrem Vorteil! Ändern Sie Ihre Technik im Training wie etwa Ihre Haltung beim Krafttraining, Ihren Laufstil – oder welcher Aspekt der Bewegung auch immer betroffen ist. Analysieren Sie Technik und Ablauf Ihrer Gewichtsverlagerungen und sonstigen Bewegungen. Achten Sie auf Ihre Körperhaltung. Bleiben Sie den Grundlagen treu? Bewegen Sie sich so, wie der Trainer es verlangen würde? Oder versuchen Sie krampfh aft , noch ein paar Extrawiederholungen aus sich herauszupressen bzw. trotz Ermüdung noch einige zusätzliche Sprints zu absolvieren? Viele dieser kleinen Änderungen können Ihnen Einblick in Ihre persönliche Problematik gewähren. Ist es (durch Ihr Verhalten!) bereits zu einer Entzündung, Schwellung oder Reizung gekommen, dann können Sie nur noch wenig retten. Dann wird jede sportliche Betätigung, auch Techniktraining auf hohem Niveau, bei dem Sie alle Bewegungen perfekt ausführen, zu Problemen führen.
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Euer Gray Cook
Super artikel. Aus welchem Buch ist dieser Ausschnitt ?
Sportliche Grüße