Fast jeder Mensch ist im Alltag oder im Sport schon einmal umgeknickt, und das mit unterschiedlichen Auswirkungen – von der Bänderdehnung bis hin zum Knöchelbruch.
Bänderrisse oder Bänderdehnungen durch „Umknicken“ – dem sogenannten Supinationstrauma – gehören zu den häufigsten Verletzungen überhaupt. Leider werden sie ebenso häufig immer noch falsch versorgt und behandelt. Die Folgen der Verletzung werden unzureichend im Training berücksichtigt oder es wird danach eine zu lange Zeit einfach gar nicht mehr trainiert.
Im folgendem Artikel gehen wir nach einem Überblick über die optimale Versorgung und Behandlung auf das richtige funktionelle Training nach einem Supinationstrauma ein:
Was passiert bei einem Supinationstrauma genau?
Der Fuß wird mit oder ohne Fremdeinwirkung über seine natürliche physiologische Grenze hinaus in Supination – also nach außen – umgeknickt. Ist die Dehnung der Haut, der Muskulatur, des Fasziengewebes und die physiologische Bewegungsfähigkeit der Fußwurzelknochen ausgereizt, reißt häufig das vordere Außenband (Lig. talofibulare anterius). Dabei kommt es zu Einblutungen, da kleine Gefäße kaputt gehen. In der Regel ist der Fuß sowohl in Supination, als auch in plantarer Flexion eingestellt (Zehen lang) und zwar so, dass die auf- und absteigenden Kraftlinien nach außen abgeleitet werden und nicht mehr die normalen Stützpunkte erreichen.
Je nach Intensität des Supinationstraumas können verschiedene Symptome und Dysfunktionen festgestellt werden:
- Schmerzhafte Punkte auf Höhe der äußeren Kapsel, der Außenbänder, sowie der Sehnen der Muskeln M. peroneus longus und brevis (durch Überdehnung kommt es zu einer reflekorischen Kontraktur), Schmerzen an der Innenseite im Bereich des Innenknöchels. [Die Zahlen entsprechen denen in der Abbildung]
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(1) Der Fuß lässt sich mehr in Supination und Plantarflexion bewegen (Unfallmechanismus)
- (1) Der Talus (Sprungbein) steht durch den Unfallmechanismus vermehrt nach vorne, unten, außen
- Bewegungseinschränkungen in Dorsalextension (Zehen nach oben) sowie in Pronation.
- Die Fußwurzelknochen Os naviculare und Os cuboideum stehen mehr in Innenrotation durch die Kontraktur der Muskeln M. peroneus longus und M. tibialis posterior.
- Die äußere Fascienschicht ist aufgefaltet.
Durch den Umknickvorgang kann es zu folgender Ursachen-Folge-Kette kommen:
- (2) Das Wadenbein steht durch nach unten gerichteten Zug des Bandapparates mehr nach vorne-unten als im Normalzustand
- (3) Dadurch ist der M. biceps femoris mehr unter Zug
- (4) evtl. entsteht ein Ilium posterior, das bedeutet, die Beckenschaufel lässt sich auf dieser Seite besser nach hinten, in Adduktion und Außenrotation bewegen und schlechter in die andere Richtung
- (5) Dadurch wird die Bewegung des Kreuzbeins (Sacrum) beeinträchtigt → es erfolgt eine Beeinflussung der Lendenwirbelsäule und damit der gesamten Wirbelsäule und des gesamten Körpers.
Diese Verkettung von Dysfunktionen nennt man eine aufsteigende Kette oder eine Ursachen-Folge-Kette und ist nach einem Trauma immer zu erkennen.
- (6) zusätzlich entsteht durch die Dysfunktion des Wadenbeins ein erhöhter Zug auf die Membrana interossea, dem dichten Gewebegeflecht zwischen Schien- und Wadenbein. Viele Gefäße, sowohl zuführende als auch abführende, durchkreuzen diese Membran. Durch die erhöhte Spannung kann die Ver- und Entsorgung deutlich negativ beeinflusst werden.
Kompensation von Dysfunktionen
Das Beispiel verdeutlicht, dass es bei Traumen eine funktionelle Verkettung von Dysfunktionen gibt. Deshalb müssen diese Dysfunktionen unbedingt durch die Kombination aus physiotherapeutischer/ osteopathischer Behandlung und anschließendem funktionellen Training zu ihrer physiologischen Funktion geführt werden. Es reicht nicht aus, den Fuß für eine gewisse Zeit ruhig zu stellen und die Patienten mit Schmerzmitteln zu versorgen. Oft geht die Ruhigstellung mit einer unzureichenden, da unfunktionellen Schienung einher. Optimal ist ein Tapeverband oder eine gute Schiene, die nicht nur eine Stabilisation nach außen bietet, sondern auch den Talus gut führt.
Ganz wichtig: Erstversorgung und anschließende Nachbehandlung
Als erste Sofortmaßnahme sollte die verletzte Struktur mit Eis gekühlt werden, um den Schmerz zu lindern und die Einblutung zu reduzieren. Anschließend muss ein guter Kompressionsverband angelegt werden. Der verhindert wiederum, dass viel Blut in den verletzten Bereich fließt. Außerdem gibt der Verband dem Verletzten ein Sicherheitsgefühl.
Im Anschluss muss über Manuelle Lymphdrainage das Restblut abdrainiert werden, da bei einem Supinationstrauma immer eine gewissen Einblutung stattfindet. Außerdem gilt es, den Talus, das Os naviculare, das Os cuboideum und natürlich das Wadenbein wieder in die normale Position zu bringen. Je früher das gelingt, desto geringer sind die weiterlaufenden Dysfunktionen der aufsteigenden Kette.
Außerdem muss dem Fuß eine ordentliche Faszienbehandlung zugekommen werden lassen. Hier bietet sich die Faszien-Distorsion-Behandlung nach Typaldos an.
Im zweiten Teil erfahrt ihr mehr über das Aufbautraining nach einem Supinationstrauma.
Eure Jochen Gehring und Maria Härter
wichtig ist vor allem die Vermeidung der Supinations- und Plantarflexions (Spitzfussstellung). Deshalb ist eine adäquate Bandagenversorgung (zu Beginn dringend auch in der Nacht essentiell) damit der Bandappart v.a. das LFTA wieder in der „Normlänge“ und nicht elongiert verheilen. auch die Dauer der Bandagenbehandlung ist meistens nicht ausreichend und die Tragequantität nicht suffizient.
Hallo Herr Hüttemann,
absolut Ihrer Meinung! Genau das meinten wir mit ..“ unzureichender, da unfunktionellen Schienung..“
Vielen Dank für Ihren Beitrag.
Gibt es eine Evaluation bzgl. Sinn oder Unsinn von Eis? Ich würde mir vorstellen, dass der Körper schon einen Schritt weiter ist, bevor eine „positive Wirkung?“ von Eis einsetzt, denn bei einer Einblutung kommt es normalerweise zu einer sofortigen Vasokonstriktion. Ist Eis nicht eher gewebsschädigend?
Hallo Herr Gilles,
das Eis sollte so eingesetzt werden, dass es auf keinen Fall gewebsschädigend ist. Es sollte deshalb auch nur kurz angewendet werden, bevor es zu einer vermehrten Einblutung kommt. Auch um dem Patient etwas den Schmerz zu nehmen. Zu empfehlen ist kein „normales“ Eisspray, sondern Chloraethylspray .
Falls Sie eine Luxation von Fusswurzelknochen hätten, waere die Lymphdrainage nicht das Richtige Vorgehen um selbige wieder in die RICHTIGE Position zu bringen . Sie sollten ebenfalls darauf hinweisen, dass auch Frakturen und knöcherne Bandausrisse resultieren können. Weitern spielt die Rückfussachse eine relevante Rolle um Folgedistorsionen zu vermeiden zuätzlich spielen Gelenkflächenverletzungen eine grosse Rolle, die sog Flace Fractures führen zu einer vorzeitigen Arthrose, da hilft dann auch keine Faszienbehandlung mehr. Ich würde jedem der andauernde Schmerzen nach einer Distorsion erleidet, sich bei seinem Doc des vertrauens vorzustellen
LG
Hallo Homo sapiens,
natürlich ist die Lymphdrainage nicht die richtige Methode um Fußwurzelknochen wieder in die richtige Position zu bringen. Die Lymphdrainage dient dazu, die entstandene Einblutung schnellstmöglich zu entsorgen.
Es kommt auch zu knöchernen Ausrisse, in unserem Artikel wollten wir aber speziell mehr auf die Überdehnung und Bänderrisse eingehen, da diese viel häufiger sind.
Die Rückfußachse wurde berücksichtigt. Steht das Os Cuboid in Innenrotation, steht auch der Calcaneus in einer vermehrten Innenrotation als Folge dessen. Wird das Os Cuboid wieder normalisiert , geschieht das auch mit dem Calcaneus.
Verletzungen der Gelenkfläche führen leider oft zu Arthrose. Und da ist eine Fascienbehandlung nicht hilfreich. Die Fascienbehandlung wie im Artikel beschrieben bezieht sich nicht auf Verletzungen der Gelenkflächen, sondern auch die Nachbehandlung nach einer Bänderdehnung oder eines Bänderriss. Wie schon erwähnt, wollen wir den Lesern die häufigen Sportverletzungen erläutern.
Ein Arztbesuch ist nicht ausgeschlossen , sondern empfehlenswert.
viele Grüße
Jochen Gehring
Danke für Ihre Antwort,
da ich mich beruflich zu einem sehr grossen Teil mit diesen Verletzungen sowohl in der konservativen als auch operativen Behandlung beschäftige, fällt mir eine gewisse Unvollständigkeit sowie Simplifizierung in Ihrem Artikel auf.
Letztendlich muß nicht jede Bandverletzung ob es nun das lfta, lfc, lftp oder Deltaband betrifft in eine Instabilität, sie nun anatomisch oder subjektiv, resultieren.
Das Cuboid ist nur ein Teil des Chopart Gelenkes, diese isolierte Betrachtungsweise ist unvollständig und gefährlich.
Die sofortige Anwendung der sog PECH-Regel ist richtig, anhaltender oder unverhältnismäßig starker Schmerz muss abgeklärt werden. Es ist alles nicht so einfach, gesunder Menschenverstand ist unabdingbar, die Konsequenzen können sehr ernst sein. Sie sollten sich Ihrer Verantwortung solcher Artikel bewusst sein und ein Gegenlesen durch interdisziplinäre Fachkompetenz stärker in Erwägung ziehen
Vielen Dank für Ihren weiteren Kommentar. Es freut mich, dass der Artikel lebhaft diskutiert wird.
In unserem Therapie-und Trainingszentrum behandeln wir u.a. sehr viele Profisportler und pflegen eine intensive Zusammenarbeit mit den Ärzten. Supinationstraumen gehören zu unserem Alltag. Den vorliegenden Artikel haben wir einigen Orthopäden und Chirurgen zur Beurteilung vorgelegt. Alle gaben uns positive Rückmeldung.
Wir wollen in diesem Artikel auf die häufigsten Folgen eines Supinationstraumas eingehen. Eine subjektiv empfundene Stabilität trotz Verletzung eines oder mehrerer Strukturen des lateralen Bandapparates kommen hin und wieder vor. Doch ist durch eine Verletzung der Bänder die Führung der Gelenke beeinträchtigt und sollte behandelt werden.
Das Cuboid gehört zum Chopart Gelenk. Durch eine Kontraktion des M. tibialis posterior bei einem Supinationstrauma kommt es jedoch zur Außenrotation des OS Cuboideum.
Diese Dysfunktion ist in mehreren Büchern des Thieme Verlags beschrieben, sowie in dem Buch “ Sportverletzungen“ von Dr. med Uwe Wegner.
Natürlich sollte die Behandlung in gutem Kontakt zu einem Arzt erfolgen, damit man bei außergewöhnlichen Reaktionen wie z.B.starken anhaltenden Schmerzen entsprechend reagieren kann.
Freundliche Grüße
Jochen Gehring
Alles bestens beschrieben! Natürlich beeinflusst die Manuelle Lymphdrainage nicht die Stellung der Fusswurzelknochen, das haben die Autoren auch nicht geschrieben. Ebenfalls unterstützt die sofortige Kühlung die vasokonstriktion, was natürlich nicht bis zur Gewebsschädigung führen darf. Beschrieben wurden hier die Sofortmaßnahmen und die weiterführenden Maßnahmen, was meiner Meinung nach einwandfrei beschrieben wurde. Super! Weiter so!!!