Wenn wir das Schlingentraining einem herkömmlichen Krafttraining gegenüberstellen, ist es sinnvoll, den Kraftfluss durch den Körper zu betrachten. Für diesen Vergleich differenzieren wir beim herkömmlichen Krafttraining grundsätzlich zwischen zwei Formen: Das Training an Geräten und das Training mit freien Gewichten, bei dem nochmals zwischen Lang- oder Kurzhantel Training unterschieden wird. Am einfachsten ist es, alle drei Trainingsformen anhand einer Übung darzustellen. Ich habe mich für das klassische Rudern entschieden. Obwohl die Körperhaltung bei allen drei Ausführungen eine andere ist, ist die Bewegung annähernd dieselbe: Beim herkömmlichen Krafttraining wird ein Gewicht mit eng geführten Armen in Richtung des Oberkörpers gezogen. Beim Rudern an den Schlingen muss das eigene Körpergewicht gegen die Schwerkraft nach oben gezogen werden.
- An der Maschine sitzt man aufrecht, der Rumpf beziehungsweise der Oberkörper ist durch das Polster fixiert, die Arme führen das Gewicht horizontal zum Brustkorb.
- Im Stand wird die Langhantel nah am Oberschenkel entlang und in Richtung Rumpf gezogen. Der Oberkörper ist dabei nach vorn geneigt, der Rücken sollte gestreckt, die Schultern fixiert bleiben.
- Beim Schlingentraining ist der ganze Körper in einer Linie nach hinten geneigt, da man mit den Händen die Griffe fassen und sich hochziehen muss. Allein die drei unterschiedlichen Körperhaltungen verdeutlichen, dass der Kraftfluss bei der Ausführung jeweils eine andere ist.
Schlingentraining im Vergleich zum klassischen Krafttraining beim Rudern
Bei der klassischen Ruderübung am Gerät verläuft der Kraftfluss von den Unter- und Oberarmen weiter über die Schulterpartie bis zur breiten Rückenmuskulatur. Da der Brustkorb beim Sitzen an ein Polster gedrückt wird, endet auch hier der Kraftfluss. Er wird über das Polster ausgeleitet.
Beim vorgebeugten Rudern mit der Langhantel hat der Kraftfluss durch den Körper bereits einen ganz anderen Verlauf. Er verläuft von den Händen, Unter- und Oberarmen über den Oberkörper, das Gesäß und die Ober- und Unterschenkel und wird erst über den Bodenkontakt der Füße ausgeleitet.
Das vorgebeugte Rudern ist im Gegensatz zur klassischen Ruderübung am Gerät wesentlich anspruchsvoller, da der Trainierende die gesamte Stabilisierung selbst aufbringen muss. Vor allem beim Hochziehen der Langhantel ist die gesamte Rückenmuskulatur beteiligt. Die Schwerkraft und das zusätzliche Gewicht der Langhantel würden gerne eine Flexion der Wirbelsäule einleiten. Hauptsächlich der M. erector spinae, sowie die gesamte rumpfstabilisierende Muskulatur (Core) müssen diesen Kräften entgegenwirken.
Auch beim Rudern am Schlingentrainer verläuft der Kraftfluss durch den ganzen Körper. Zusätzlich erschwert jedoch die Instabilität der Schlingen die Muskelarbeit, um den Körper zu stabilisieren. Die Stabilisationsarbeit muss von den lokalen und globalen Stabilisatoren übernommen werden. Das Schlingentraining stellt somit nicht nur ein reines Krafttraining dar, sondern die propriozeptiven Fähigkeiten werden gefördert. Dies wiederum unterstreicht die Daseinsberächtigung des Schlingentrainers im rehabilitativen Bereich.
Die Art des Widerstandes beim Vergleich
Bei einem Vergleich von Schlingentraining mit dem herkömmlichen Krafttraining sollten wir nicht nur den Kraftfluss betrachten, sondern auch die Widerstandsart. Beim herkömmlichen Krafttraining wirkt der Widerstand von außen. Bei der Ruderübung am Gerät meist in Form von Steckgewichten, beim freien Rudern stellt die Langhantel den Widerstand dar. Beim Schlingentraining müssen wir „lediglich“ unser eigenes Körpergewicht überwinden. Dies ist Vor- und Nachteil zugleich. Das eigene Körpergewicht haben wir natürlich jeder Zeit mit dabei, was die Mobilität und den flexiblen Einsatz des Schlingentrainings unterstreicht. Jedoch kann das eigene Körpergewicht, trotz der Möglichkeiten der Intensitätssteuerung, u.a. über den Körperwinkel, bei manchen Übungen zu viel oder auch zu wenig sein. Ein sinnvolles Maximalkrafttraining kann beim Schlingentraining durch diese Tatsache so gut wie ausgeschlossen werden. Für das Training im Hypertrophiebereich ist es zumindest für Anfänger gut geeignet. Ambitionierte Sportler werden je nach Muskelpartie aber auch hier an gewisse Grenzen stoßen. Beispielsweise bei einer Kniebeuge ist die kraftentfaltenden Muskulatur, hauptsächlich M. quadriceps femoris, M. glutaeus maximus, eine sehr starke Partie, die durch das eigene Körpergewicht als Widerstandsart nach kurzer Zeit keinen ausreichend hohen Trainingsreiz mehr erfährt. Über zahlreiche Übungsalternativen, hier beispielsweise die einbeinige Kniebeuge, kann diesem Problem begegnet werden und stellt somit eine sinnvolle Progression dar. Für ein Kraftausdauertraining ist es wiederum hervorragend geeignet. Gerade bei kleineren und schwächeren Muskelpartien kann das eigene Körpergewicht als Widerstand auch zu viel sein. So ist beispielsweise bei einem Training der Schulteraußenrotation Vorsicht geboten, da die vergleichsweise schwachen Außenrotatoren des Schultergelenkes (M. infraspinatus, M. teres minor, M. deltoideus pars spinalis) mit dem eingeleiteten Widerstand des eigenen Körpergewichtes schnell überfordert werden.
Verhältnis der Kraft- zur Widerstandskurve
Die Kraftkurve der Muskulatur kann bei allen drei Übungen vereinfacht als identisch angesehen werden. Die Widerstandskurve ist jedoch eine andere. Vor allem bei der Ruderübung am Gerät kann mit Hilfe eines Exzenters die Widerstandskurve die der Kraftkurve angeglichen werden. Die Widerstandskurve ist beim Schlingentrainings sehr stark vom Körperwinkel abhängig. Nur durch viel Körpergefühl ist ein Cheating (Abfälschen) möglich, um ungünstige Missverhältnisse zwischen Kraft- und Widerstandskurve zu begegnen.
Fazit
Beim Schlingentraining und freien Krafttraining findet die Stabilisierung über den eigenen Körper statt. Beim Training an Geräten wird immer ein Körperteil durch das Gerät stabilisiert und dieses somit vom Kraftfluss ausgeschlossen. Ein solches Training kann nicht als funktionell bezeichnet werden. Es kann jedoch bei Menschen sinnvoll sein, die noch nicht oder nicht mehr die Kraft einer Ganzkörperstabilisation aufbringen können. Das eigene Körpergewicht als Widerstandsquelle macht das Schlingentraining sehr mobil. Es kann jedoch, je nach Übung und Körperpartie, zu viel aber auch zu wenig sein. Eine feinere Dosierung ist beim herkömmlichen Krafttraining möglich. Vor allem das Angleichen der Widerstands- an die Kraftkurve der Muskulatur mit Hilfe eines Exzenters ist ein Pluspunkt für das maschinengestützte Krafttraining.
Keine der drei Trainingsmethoden kann als die bessere bezeichnet werden. Vielmehr sollte es unsere Aufgabe als professionelle Coaches sein, das Training aus Übungen zusammenzusetzen, die die Vorteile der einzelnen Methoden nutzen und die Nachteile umgehen. Das Ganze natürlich auf das Trainingsniveau und Trainingsziel des Kunden ausgerichtet. Das freie Krafttraining sowie das Schlingentraining erfordern durch die höhere Komplexität einen größeren Betreuungsaufwand, stellen aber letztendlich die effektivere und vor allem funktionellere Trainingsmethode dar. Über diese professionelle Betreuung können wir Trainer letztendlich unsere Kunden schneller zu ihren Zielen führen. Diese Betreuungsleistung sollte eine Chance darstellen, uns von herkömmlichen Fitnessdienstleistungen zu differenzieren.
Euer Marcel Doll
Das mache ich seit 3Monaten und bin begeistert
Ein super Bericht und gut aufgeschlüsselt. Leider schlecht umsetzbar da den meisten Menschen die Körperwahrnehmung fehlt die beim Training sehr wichtig ist. Ich bin über 10 Jahre Physiotherapeut und habe selbst bei Leistungssportlern bemerkt das Sie ihren Körper nur benutzen aber nicht wahrnemen.
Wirklich schade!!!!
Ingo
Hallo Ingo,
da bin ich nicht deiner Meinung, mit dem „schlecht umsetzbar“. Es liegt an uns Trainer dieses an dem zu trainierenden umzusetzen und zwar so lange bis es klappt.
Irgendwann kapiert es jeder, alles eine Frage der Geduld und Kreativität des Trainers.
Viele Grüße Michael
Hallo Michael, Deiner Meinung kann ich mich nur anschließen. Wir haben in unserem Studio schon seit einigen Jahren einen eigenen Koordinationbereich, welcher von den Kunden auch sehr gut angenommen wird. Man muß sich aber eben die Zeit nehmen um die Kunden an dieses Thema heranzuführen. Wir haben hier die besten Erfahrungen gemacht, auch mit Leistungssportlern. Viele Grüße, Robby
Hallo Marcel,
Ich bin durch lange Jahre Erfahrungen sammeln im Bereich Physio ins Functional Training bzw Personal Training mit AFAA (SD/CA/USA) in die Wahrnehmung des Koerpers (dabei viel mit Blinden trainiert) reingekommen. Bei meinem PT jetzt komme/greife ich immer wieder auf die sogenannte Blindenschulung zurrueck. Thanks for your Article