Die Idee, ein Programm zum Aufwärmen zu entwickeln, das seinen Ausgangspunkt bei den Gelenken nimmt, kam auf, als ich mit Gray Cook über die Ergebnisse des von ihm und Lee Borton entwickelten Functional-Movement-Screen-Bewegungssystems sprach. Dieses System dient dazu, die Beweglichkeit und Stabilität des Körpers zu beurteilen. Bei unserer Unterhaltung beschrieb Gray Cook den Körper als eine Ansammlung übereinandergestapelter Gelenke. Jedes Gelenk beziehungsweise jede Gelenkfolge hat eine bestimmte Aufgabe und neigt zu bestimmten vorhersagbaren Funktionsstörungen. Daraus folgt, dass jedes Gelenk individuell trainiert werden sollte. Betrachten wir den Körper nun vom Gesichtspunkt der Gelenke aus von unten nach oben:
Vorrangige Trainingsanforderungen für die Gelenke
- Beweglichkeit der Fußgelenke – insbesondere von vorne nach hinten und umgekehrt
- Stabilität der Knie
- Beweglichkeit der Hüften (auf allen Ebenen)
- Stabilität der Lendenwirbelsäule
- Beweglichkeit der Brustwirbelsäule
- Stabilität der Schulterblätter und der Halswirbelsäule
- Beweglichkeit im Schultergelenk (Humeroglenoidalgelenk)
Aus dieser Aufzählung ergibt sich, dass die Anforderungen, die an die Beweglichkeit beziehungsweise Stabilität von Gelenken zu stellen sind, wechseln, wenn man die Gelenke in ihrer vertikalen Anordnung betrachtet. Die Fußgelenke sollten sehr beweglich sein, die Knie hingegen stabil. Die Hüftgelenke wiederum erfordern Beweglichkeit.
Aufwärmen – Der Körper tut, was ihm am leichtesten fällt
Welche Bedeutung hat diese Erkenntnis nun für einen Trainer? Ganz einfach: Wir müssen uns klarmachen, dass der Körper immer das tut, was ihm am leichtesten fällt, nicht das, was für ihn am besten ist. Wenn die Hüftgelenke steif sind und die Hüftmuskulatur verspannt ist, bewegt sich statt ihrer der untere Rücken. Ist die Brustwirbelsäule unbeweglich, werden der untere Rücken oder der Hals mobilisiert. Die Bereiche des Körpers, die beweglich sein sollten, wie Brustwirbelsäule, Hüften und Fußgelenke, werden also unbeweglich, während die stabilisierenden Regionen – vor allem die Lendenwirbelsäule – übermäßig beweglich werden. Dies kann zu Schmerzen oder Schlimmerem führen.
Es gibt eine einfache Faustregel, die man sich merken sollte: Kann ein Gelenk seine Aufgabe nicht mehr erfüllen, wird die Funktion des oberhalb liegenden Gelenks oder sogar der oberhalb liegenden Gelenke beeinträchtigt. Im Falle des unteren Rückens und der Hüfte ist es die Funktion der Lendenwirbelsäule. Mit anderen Worten: Wenn die Hüftgelenke blockiert sind, bewegt sich die Lendenwirbelsäule. Das Problem besteht darin, dass dies der Aufgabe beider Gelenke beziehungsweise Gelenkfolgen zuwiderläuft. Wenn das eigentlich mobile Gelenk – in diesem Fall die Hüfte – unbeweglich wird, müssen sich eigentlich stabile Gelenke wie die Lendenwirbelsäule zum Ausgleich bewegen. Dadurch verliert die Lendenwirbelsäule an Stabilität und beginnt zu schmerzen.
Die Folgen sind schnell beschrieben:
- Unbeweglichkeit in den Fußgelenken führt zu Knie- schmerzen.
- Unbeweglichkeit in den Hüftgelenken führt zu Schmerzen im unteren Rücken.
- Unbeweglichkeit in der Brustwirbelsäule führt zu Nacken- und Schulterschmerzen oder zu Schmerzen im unteren Rücken.
Fünf einfache Gegenmaßnahmen
Das Schöne am Gelenk-für-Gelenk-Prinzip ist, dass es sich auf sehr viele Menschen anwenden lässt. Mit ein paar einfachen Übungen kann zahlreichen Sportlern geholfen werden. Beim Aufwärmtraining sollten Sie mehr auf Ihre Gelenke achten. Konzentrieren Sie sich darauf, an den richtigen Stellen stabil zu bleiben und beweglich zu werden. Es geht nicht um irgendwelche Bewegungen, es geht um die richtigen Bewegungen.
1. Mobilisierung der Fußgelenke
Führen Sie einen einfachen Test durch: Stellen Sie sich an eine Wand und nehmen Sie eine Position ein, bei der die Wade gedehnt wird. Spüren Sie eine Dehnung oder fühlen Sie sich vorne blockiert? Wenn Sie eine starke Dehnung im Rücken spüren, haben Sie wahrscheinlich ein Flexibilitätsproblem und sollten Ihre Waden dehnen. Wenn Sie sich vorne blockiert fühlen oder es zwickt, haben Sie ein Mobilitätsproblem. Flexibilitätsprobleme lassen sich mit Dehnübungen lösen, Mobilitätsprobleme durch die Mobilisierung der Gelenke. Letzteres ist ganz einfach. Statt die Dehnposition einfach zu halten, beginnen Sie, das Knie langsam und rhythmisch vor- und zurückzubewegen, ohne die Fußsohle vom Boden zu lösen. Auf jeder Seite 10- bis 20-mal wiederholen.
2. Mobilisierung der Hüftgelenke
Das Hüftgelenk ist unglaublich kompliziert und verdient große Aufmerksamkeit. Die Hüfte kann, ebenso wie ihr Gegenpart, die Schulter, gleichzeitig unbeweglich und instabil sein. Um ihre Beweglichkeit zu verbessern, sind unterschiedliche Maßnahmen erforderlich. Zur Verbesserung der Hüftstabilität empfehle ich Gehen mit dem Mini-Band, zur Verbesserung der Hüftmobilität scheinen mir Dehnübungen am geeignetsten. Ausfallschritte nach hinten/vorne und zur Seite eignen sich zum Aufwärmen und zur Verbesserung der Hüftmobilität.
3. Stabilisierung der Lendenwirbelsäule
Wahrscheinlich brauchen Sie Ihren unteren Rücken gar nicht zu dehnen. Jetzt werden Sie mir vielleicht entgegnen: „Es fühlt sich aber gut an, den Rumpf zu drehen und die Muskeln zu dehnen.“ Wissen Sie, was ich Trainern sage, die mir mit „Wenn ich X tue, fühlt es sich gut an“ kommen? Ich sage ihnen, dass es sich auch gut anfühlt, sich den Schorf von einer Wunde zu kratzen. Am Ende fängt es an zu bluten, und es bildet sich eine Narbe. Vergleichbar wirken in meinen Augen Rotationsbewegungen, die den unteren Rücken dehnen sollen. Wenn Sie Schmerzen im unteren Rücken haben, mobilisieren Sie Ihre Hüften und stabilisieren Sie Ihre Lendenwirbelsäule.
4. Mobilisierung der Brustwirbelsäule
Übungen zur Mobilisierung der Brustwirbelsäule sind stark im Kommen. Mit einer Hartschaumrolle zwischen den Schulterblättern erzielt man gute Ergebnisse. Falten Sie die Hände hinter dem Kopf, und führen Sie die Ellbogen vorne zusammen, um die Schulterblätter auseinanderzuziehen.
5. Stabilisierung der Schulterblätter/ Mobilisierung der Schultergelenke
Beides gleichzeitig erreichen Sie am besten mit Wall-Slides, bei denen die Arme gebeugt und gestreckt werden. Sie erhöhen den Bewegungsspielraum der Schultergelenke und verbessern gleichzeitig die Stabilität der Schulterblätter. Diese bleiben nach hinten unten ausgerichtet, während die Arme aus den Schultergelenken über den Kopf gestreckt werden. Viele Anfänger verkrampfen sich dabei im unteren Bereich der Trapezmuskeln und der rautenförmigen Muskeln. Wichtig ist, dass die Unterarme im Kontakt mit der Wand bleiben, wenn sie nach oben gleiten, und die Schulterblätter nach hinten unten gezogen werden. Seien Sie nicht überrascht, wenn Ihnen die Übung nicht gelingt. Es wird eine gewisse Zeit dauern, bis Sie sie richtig durchführen können. Strecken Sie die Arme nur so weit nach oben, wie es Ihnen schmerzfrei möglich ist. Zu Beginn ist das vielleicht nur ein kleines Stück, doch glauben Sie mir: Sie werden Fortschritte machen.
Euer Michael Boyle
sehr fundierter und guter beitrag!
leider sind die bilder von pkt. 5 falsch!
Hallo Herr Schoenfeld,
vielen Dank für Ihren Beitrag zu Mike Boyles Artikel. Die Bilder in Punkt 4 und 5 sind gleich und beziehen sich auf auf beide Punkte. Bild 3 in Punkt 5 ist in der Tat für eine Schulterblätterstabilisierung. Hingegen Bild 2 und 1 für eine Mobilisierung.
Viele Grüße
Functional Training Magazin
Aufwärmen gelenk für gelenk
Übungen 4 und 5 sind identisch da ist wohl das falsche bild hoch geladen worden
Hallo Herr Kurray,
das Bild beinhaltet Übungen für beide Punkte. Siehe Kommentar zu Herrn Schoenfeld.
Viele Grüße
Functional Training Magazin
Für meine Fitness allgemein,aber auch für diejenige,die ich benötige,um mit 77 noch anständiges Golf zu spielen, bedeutet dieser Beitrag eine eherne Grundlage für die tägliche Gelenkpflege.
Immer schön,wenn ein Moses herabsteigt und eine WoeslanggehtTafel überreicht. W. Krüger
Zu 1.fussgelenke) ..fühlen Sie sich vorne blockiert? Wenn Sie eine starke Dehnung im Rücken spüren( während der wadendehnung??) , haben Sie wahrscheinlich ein Flexibilitätsproblem und sollten Ihre Waden dehnen. Wenn Sie sich vorne blockiert fühlen (Wo?) oder es zwickt, haben Sie ein Mobilitätsproblem.
Sonst alles super verständlich! Im vorraus schonmal danke fuer die beantwortung.