9. Nutze die Scapula-Ebene
Beim Seitheben ist es ratsam, den Oberarm in dieselbe Ebene zu bringen wie die Scapula. Wenn du bei dieser Übung die Arme gerade zur Seite ausstreckst, also in die Frontalebene bringst, befindet sich der Humeruskopf vor dem Schulterdach.
Diese Position sorgt beim Anheben der Arme wahrscheinlich dafür, dass der Humeruskopf die Sehnen der Rotatorenmanschette unter dem Schulterdach einklemmt. Dieses Problem lässt sich beheben, indem man die Arme um etwa 30 Grad nach vorne bewegt, damit sie in der Scapula-Ebene sind.
Seitheben auf der Scapula-Ebene
Wenn du die Übung besonders sicher machen willst, kannst du die Daumen nach oben zeigen lassen; dadurch dreht sich der Humerus nach außen, wodurch der Humeruskopf und die Rotatorenmanschette etwas mehr Platz haben, um sich unter dem Schulterdach zu bewegen.
10.Limitierung der traditionellen Rumpfflexionsarbeit
Verbreitet die Kunde: vorbei sind die Tage, an denen man 800 Crunches pro Tag gemacht hat. Und das liegt nicht daran, dass wir uns Sorgen über die Hüften und den unteren Rücken machen; würdest du glauben, dass du deine Schultern mit einem falschen Core-Training schädigen kannst? Es passiert nämlich folgendes:
Die geraden Bauchmuskeln erstrecken sich vom Brustkorb zum Becken; wenn sie sich verkürzen, ziehen sie den Brustkorb in Richtung Füße. Wie du dir vorstellen kannst, zieht ein verspannter Rectus abdominis den ganzen Brustkorb nach unten – wodurch du aussiehst wie der Glöckner von Notre Dame und nicht wie jemand, der hart trainiert.
Wenn man einmal davon absieht, dass eine schlechte Körperhaltung unästhetisch ist und die Körperstatur kleiner wirken lässt, hat eine kyphotische Haltung biomechanische Konsequenzen für den Schultergürtel. Wenn die BWS zu kyphotisch wird, abduzieren (protrahieren) die Scapulae, so dass sie sich am Brustkorb entlang nach außen schieben (in Richtung der Arme). Da die gesamte Scapula vorverlagert ist, repositioniert sich das bereits erwähnte Schulterdach. Diese Position erhöht das Risiko für ein Impingement der Sehnen der Rotatorenmanschette.
Wie wirken wir diesem Problem entgegen? Wie Mike Robertson ausführlich in „Core Training for Smart Folks“ erörtert, müssen wir Übungen für die posterioren Fasern der äußeren schrägen Bauchmuskeln hervorheben, die dafür sorgen, dass das Becken nach hinten kippt, ohne den Brustkorb nach unten zu ziehen.
Durch die Erhöhung der Kraft dieser Muskeln werden wir den Rectus abdominis entlasten und die Dinge wieder ins Lot bringen. Wenn ich dieses Problem sehe, lasse ich alle traditionellen Rumpfflexionen weg (Pulldown Abs, Cruches – ihr müsstet mittlerweile wissen, dass ihr keine Sit-ups machen sollt) und ersetze sie mit reinen Stabilisierungsbewegungen (in Bauchlage und Seitstütz) und Übungen für die „unteren Bauchmuskeln“, vor allem den Reverse Crunch.
11.Kurzfristiger Verzicht auf eine gerade Hantelstange bei Bench Presses und Squats
Die gute, alte olympische Hantelstange wird immer das erste Mittel der Wahl sein, wenn man mehr Muskelmasse und Kraft entwickeln will, aber es gibt Zeiten, in denen es vorteilhaft ist, kurzfristig darauf zu verzichten. Beim Bank- und Schulterdrücken gibt es deinen Armen im Hinblick auf ihre Positionierung keinen „Spielraum“ – vor allem im Hinblick auf die erzwungene Innenrotation der Schulter.
Genauso gilt: wenn du ausschließlich für Back Squats eine gerade Hantelstange benutzt, kommst du aufgrund der nach außen rotierten, abduzierten Position (die von vielen Sportmedizinern als Risikofaktor betrachtet wird) und der zusätzlichen Last in Teufels Küche. Zum Glück kann man aber leicht Abhilfe schaffen.
Beim Bank- und Schulterdrücken solltest du einfach ein oder zwei Wochen Kurzhanteln benutzen. Um das Deloading zu erhöhen, kannst du einen neutralen Griff benutzen, den Bewegungsumfang reduzieren und/oder KH-Bankdrücken auf einem Physioball machen.
KH-Bankdrücken in neutralem Griff
Als Ersatz für Back Squats stehen dir mehrere Optionen zur Verfügung, am besten verwendest du eine andere Form von Hantelstange, mit der du die Übung so ausführen kannst, dass die Arme weiter nach vorne und unten zeigen. Gute Optionen sind die SZ-Stange, die Squat Bar und sogar die Buffalo Bar, die eine leichte „Delle“ in der Mitte hat, damit man seine Hände etwas tiefer als bei einem normalen traditionellen Squat hält. Sie ist ein guter Schutz für die Schulter, der die Bewegungsmechanik nicht sonderlich beeinflusst. Wenn du keinen Zugriff auf solche Stangen hast, ist das kein Problem; weiche einfach auf Front Squats aus oder verzichte eine ganze Woche auf Squats und mache stattdessen Deadlifts oder eine einbeinige Variante.
12.Kurzfristiger Verzicht auf Druckbewegungen mit vollem Bewegungsumfang
So wie es eine tolle Möglichkeit sein kann, für eine Weile auf eine gerade Hantelstange zu verzichten, um die Schultern gesund zu halten, ist es auch eine gute Idee, hin und wieder auf den vollen Bewegungsumfang zu verzichten. Für diese Wochen eignen sich als Ersatzübungen Floor Presses, Board Presses, Pin Presses, Overhead Rack Lockouts und Carpet Presses.
Um die Schultertipps 11 und 12 für ein „doppeltes Deloading“ zu kombinieren, sollte man Floor Presses mit Kurzhanteln machen.
13.Vermeide im Alltag unilaterale Belastungen
Bei diesem Punkt muss ich absichtlich vage bleiben. Erinnerst du dich an die 23/1-Regel, die ich in Teil 1 dieses Artikels angesprochen habe? Sie besagt, dass man in der einen Stunde, die man täglich im Kraftraum verbringt, zwar alles richtig machen kann, in den restlichen 23 Stunden aber alles falsch. Es ist nicht nur wichtig, auf die Körperhaltung zu achten, sondern auch allgemeine Überlastungsmuster zu berücksichtigen, die man sich zuhause, im Auto, Büro und auf dem Spielfeld angeeignet hat. Greifst du immer mit derselben Hand nach dem Telefon? Stützt du dich auf einem Ellbogen ab? Trägst du deinen Rucksack/deine Tasche immer auf einer Seite? Das sind Dinge, auf die du achten musst. Manche Dinge lassen sich natürlich nicht vermeiden. Du musst die Maus auf einer Seite des Computers halten, mit deinem dominanten Arm werfen, mit der rechten Hand den Schalthebel betätigen und mit deiner dominanten Hand schreiben. Wenn du einen Trainingspartner hast, der eine unilaterale Sportart mit vielen Überkopfbewegungen praktiziert (hat), kannst du diesen Test mit ihm machen. Ich habe meinen Freund Tony Gentilcore darum gebeten, mir zu helfen; Tony war in seiner Collegezeit Pitcher in der Division 1 und nahm vor etwa sechs Jahren an einigen Talentsichtungen teil.
- Bitte deinen Trainingspartner darum, seine Arme seitlich auszustrecken und die Ellbogen im rechten Winkel zu beugen (so, als würdest du einen Schwur leisten, nur mit beiden Armen).
- Als nächstes wirst du sehen, wie weit er seine Oberarme nach außen rotieren kann; wenn du ihn von der Seite beobachtest, kannst du sehen, welcher Arm sich weiter nach hinten bewegt.
- Ich wette einen Eimer Low-Carb-Pudding, dass sich die dominante Seite weiter nach außen dreht (das muss auch so sein, weil man in seinem Sport sonst nicht optimal arbeiten kann).
- Jetzt kommt der spannende Teil. Die Arme sollen sich nun in die entgegengesetzte Richtung – d.h. in eine maximal innenrotierte Position – bewegen (die Ellbogen bleiben oben). In den meisten Fällen wirst du feststellen, dass die Außenrotation viel ausgeprägter ist; diese Schulter hatte einfach nie einen Anlass, ins Extrem zu gehen.
Wie du dir denken kannst, ist Tony Rechtshänder. Wäre er Linkshänder, würde er jetzt wohl in der MLB spielen, aber wollen wir nicht darauf herumreiten! Es ist nicht besonders stark ausgeprägt, aber Tony hat auf der linken Seite etwas mehr Innenrotation. Ich erlebe mehr hypermobilitätsbedingte Probleme auf der dominanten Seite (also internes Impingement) und mehr hypomobilitätsbedingte Probleme auf der nichtdominanten Seite (externes Impingement, Probleme im Schultereckgelenk aufgrund eines Vorwärtsgleitens des Humeruskopfes).
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die nichtdominante Seite gut auf zusätzliche Mobilitätsübungen anspricht (vor allem Brustmuskeln, Latissimus, vorderer Anteil des Deltamuskels), während die dominante Seite mehr von zusätzlichem, umfassendem Stabilitätstraining der Schulterblattmuskulatur und Rotatorenmanschette profitiert. Das sind auf keinen Fall eiserne Gesetze; ich erzähle nur, was ich oft sehe. Probiere einfach aus, wie du zurechtkommst, und ergreife dann entsprechende Maßnahmen. Wie es der Zufall will, hatte Tony in der Vergangenheit Schulterprobleme auf der nichtdominanten Seite, aber nie mit dem Wurfarm; diese Probleme wurden größtenteils gelöst, als er anfing, seine Innenrotatoren zu dehnen und mehr Übungen zur Verbesserung der Außenrotation zu machen.
14.Innenrotationen in Bauchlage
Der Subscapularis wird oft den Innenrotatoren zugeorfnet, und da die meisten Menschen viel zu verspannte „große“ Innenrotatoren haben (Pectoralis, Latissimus, vorderer Anteil des Deltamuskels und Teres major), nehmen sie an, dass sie den Subscapularis am besten in Ruhe lassen. In Wirklichkeit ist er ein sehr wichtiger Depressor und „Rückzieher“ des Humeruskopfes, der bei zahlreichen typischen Schulterproblemen verletzt ist und/oder dicht macht.
Oft werden der Pectoralis major und Latissimus dorsi zu den dominanten Innenrotatoren des Humerus, was zu einem Dichtmachen des Subscapularis führt. Weil dieser jedoch für die Stabilität des Schultergelenks zur Körpervorderseite hin verantwortlich ist, gleitet der Humeruskopf in der Gelenkkapsel zu weit nach vorne, wenn er zu schwach ist. Die Außenrotatoren müssen sich zusätzlich anspannen, um diese Fehlhaltung auszugleichen, weshalb sich die Kapsel auf der Rückseite verspannt – was das Vorwärtsgleiten des Humeruskopfes aber nicht verhindert.
Zusammen führen diese Probleme zu einem übermäßigen Druck auf die anteriore Gelenkkapsel mit Schulterflexion und horizontaler Abduktion. Aus diesem Szenario ergeben sich nicht selten Probleme des Schultereckgelenks; Impingements; Zerrungen des Pectoralis, Latissimus und der Außenrotatoren; selbst ekelhafte Genitalwarzen. Na gut, letzteres vielleicht nicht, aber ich wollte nur testen, ob du nach all dem Gefasel über funktionelle Anatomie noch aufpasst.
Kurzum: Die Aktivierung des Subscapularis ist gemeinhin angezeigt.
Ich lernte die beste Übung für diesen Zweck von dem in Syracuse ansässigen Physiotherapeuten Michael Hope, der allwissend zu sein scheint, weshalb ich mich oft frage, ob er nicht vielleicht der „Große Schöpfer“ ist, der sich den menschlichen Körper ausgedacht hat.
Aber ich schweife ab. Probiere die Übung „Innenrotation in Bauchlage“ aus. Lege dich bäuchlings auf eine Trainingsbank und halte Schultern und Ellbogen jeweils im 90-Grad-Winkel zum Rumpf gebeugt. Der Oberarm liegt auf der Bank auf, die Scapula sollte in Depression sein. Rotiere nun den Humerus einwärts, so dass sich die Hantel zur Hüfte bewegt. Wenn sich dein Handgelenk um mehr als nur einige Grad beugt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du mogelst, um diesen Bewegungsumfang zu erreichen. Wenn du spürst, dass dein oberer Trapezius arbeitet, machst du die Übung falsch; du solltest die Bewegung am unteren Anteil des Schulterblatts spüren – bis in die Achsel.
15.Extensionen der Brustwirbelsäule auf der Hartschaumrolle
Mike Roberts und ich warfen mit unserem Beitrag „Feel Better for 10 $“ ein Schlaglicht auf die Hartschaumrolle bzw. den Foam Roller. In diesem Artikel sprachen wir über die Vorteile des Myofascial Release, den man mit der Rolle bewirken kann, aber wir gingen nicht genau darauf ein, wie sie benutzt werden kann, um die Mobilität zu verbessern. Extensionen der BWS auf der Hartschaumrolle sind eine hervorragende Gelegenheit, um eine exzessive Kyphose zu normalisieren und die thorakale Mobilität zu verbessern.
Lege dich mit dem oberen Rücken auf die Rolle, sie sollte sich etwa 2-3 cm unter dem unteren Ende der Schulterblätter befinden. Lege dein Gesäß auf dem Boden ab, es darf sich während der Übung nicht bewegen. Spanne die Bauchmuskeln an, damit sich die Lendenwirbelsäule nicht überstreckt; wir wollen hier keinen übertrieben großen Bewegungsumfang erzielen.
Verschränke die Hände hinter dem Kopf (ohne daran zu ziehen) und stelle die Ellbogen auf. Halte das Kinn angezogen, schiebe den Kopf zum Boden und stelle dir vor, du würdest die Brust nach vorne, also aufwärts, strecken. Du wirst merken, dass sich der obere Rücken mit jeder langsamen, kontrollierten Wiederholung lockern wird (halte die untere Endposition zwei Sekunden lang).
Extensionen der BWS auf der Foamroll
Wenn du mit einer Stelle fertig bist, bringst du die Rolle einige Wirbel nach oben und arbeitest an der Mobilität auf mittlerer Höhe der Scapula. Achte nur darauf, dass sich die Lendenwirbelsäule nicht bewegt. Wie gesagt: es geht hier nicht darum, einen zusätzlichen Bewegungsumfang zu erzielen.
16.Streiche „Langhantelrudern aufrecht“ aus deinem Programm
Ich habe schon oft gesagt, dass ich nicht an kontraindizierte Übungen glaube – sondern nur an kontraindizierte Personen. Ich stehe nach wie vor dazu, aber wenn es eine Übung gibt, die mich auf die Palme treibt, dann ist es das Rudern aufrecht. Weiter kann man den Humerus nicht einwärts rotieren, und man bringt bei jeder Wiederholung den Oberarm genau in die Position, die ein Impingement fördert.
Aus diesem Grund verordne ich diese Übung keinem meiner Klienten oder Athleten. Die Kurzhantelversion ist die geringfügig sicherere Alternative, obwohl ich finde, dass es wesentlich bessere Methoden gibt, um den oberen Trapezius und den Deltamuskel zu trainieren. Kurzum: wenn du ein Schulterproblem hattest oder vielleicht jetzt eins haben könntest und/oder einer Risikogruppe angehörst (schlechte Haltung, viele Überkopfbewegungen im Alltag), ist das Risiko eines Impingements erhöht, und es wäre sinnvoll, insgesamt auf aufrechtes Rudern zu verzichten.
Euer Eric Cressey