Die mehrgelenkigen Übungen aktivieren stets viele Muskelgruppen und -schlingen gleichzeitig, wobei vor allem die wichtigen kleinen Stabilisationsmuskeln gestärkt werden. Nahezu jede Übung stellt eine Ganzkörperübung dar und fördert somit das funktionelle Zusammenspiel verschiedener Muskeln über mehrere Gelenke hinweg. Die Ergebnisse äußern sich in einer besseren Beweglichkeit sowie einer besseren Kraftübertragung. Wirbelsäule und große Gelenke wie Knie, Hüften und Schultern verbessern ihre Stabilisationsfähigkeit. Sämtliche Bewegungen können effektiver ausgeführt werden und das Training ist dabei recht kurz, da viele Muskeln gleichzeitig arbeiten.
Trainieren mit Kettlebells – Core Training
Kettlebellübungen wirken sich besonders stärkend auf das Kraftzentrum des Körpers in der Körpermitte aus. Im Englischen spricht man auch von »Core« oder »Pillar Strength«. Gemeint ist damit vor allem der untere Rumpfbereich um die Lendenwirbelsäule und die Hüftgelenke herum. Das Training mit Kettlebells kräftigt und stabilisiert aber auch enorm den Schultergürtel, vor allem die Muskeln der Rotatorenmanschette und der Schulterblätter.
Während im gegenwärtigen Kraftfitnesstraining überwiegend noch nach Bodybuilding-Prinzipien trainiert wird – das heißt isoliertes Training einzelner Muskelgruppen –, geht es beim Kettlebelltraining vor allem um die Entwicklung funktioneller Kraft im ganzen Körper. Ziel ist also nicht der Aufbau aufgepumpter Showmuskeln, sondern die Entwicklung einer effektiven, nutzbaren Kraftentfaltung und Kraftübertragung, wie man sie im Alltag und Sport tatsächlich benötigt.
Ausdauer und Maximalkraft gemeinsam trainieren – es geht!
Die ballistischen Übungen, bei denen die Kettlebell mehr geschwungen als gehoben wird, machen den Großteil des Trainings aus und dienen vor allem der Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Konditionierung. Da diese Übungen immer explosiv ausgeführt werden, verbessern sie auch die Kraft- und Schnellkraftproduktion. Vereinfacht ausgedrückt kann man sich darunter ein explosives Kraftausdauertraining vorstellen. Bei den ballistischen Übungen geht es vor allem um eine maximale Beschleunigung des Körpers beziehungsweise der Kettlebell.
Spannungsbetonte Kraftübungen
Die spannungsbetonten Kraftübungen dienen vor allem der Bewegungsschulung und der Verbesserung der Kraft im ganzen Körper. Mit ihnen lässt sich auch gut Muskulatur aufbauen. Die reinen Kraftübungen werden langsamer, bewusst und konzentriert ausgeführt. Dabei steht eine hohe und lange Muskelspannung im Vordergrund, unabhängig vom verwendeten Gewicht. Es geht praktisch darum, durch ein besseres Anspannungsvermögen der Muskulatur kräftiger zu werden. Vor allem die untere Rumpf- und die gesamte Beckenmuskulatur wird hier deutlich gekräftigt, was sich im Sportbereich in einer höheren Leistungsfähigkeit und im Alltag in einer gesunden und stabilen Wirbelsäulenfunktion äußert. Diverse Kniebeugenvarianten stellen die Kraftsteigerung des Unterkörpers sicher.
Die Übungen dienen nicht dazu, Muskelmasse im Sinne von Bodybuilding aufzubauen. Es geht vielmehr darum, durch ein verbessertes Zusammenspiel der verschiedenen Muskeln und eine höhere Rekrutierung von Muskelfasern – also die Fähigkeit, mehr Muskelfasern gleichzeitig anspannen zu können – die Kraft zu erhöhen. Falls erwünscht, lassen sich durch Veränderungen der Wiederholungszahlen innerhalb der Übungsdurchgänge (Sätze) jedoch auch beachtliche Ergebnisse im Aufbau von Muskelmasse erzielen.
Das Juggling
Das Juggling (»Jonglieren«) mit Kettlebells ist nicht mit klassischem Jonglieren von Bällen oder Keulen zu vergleichen. Es beinhaltet das Loslassen und Auffangen einer oder zweier Kettlebells, während diese um den Körper geschwungen und in der Luft in alle Richtungen gedreht werden.
Die Effektivität des Kettlebelltrainings ist vor allem durch die ballistischen Übungen bekannt geworden, die sich mit Kurz- oder Langhanteln in dieser Form kaum oder gar nicht durchführen lassen.
Juggling ist ebenfalls ballistisches Training, wobei die Kettlebell hier aber immer wieder in die Luft geworfen und aufgefangen wird. Dies verbessert die Koordination, die Reflexe, das Timing und die Griff- und Rumpfkraft. Die Stabilisationsmuskeln müssen sich reaktiv anspannen, während der Körper in alle möglichen Richtungen und aus sämtlichen Winkeln Kraft entwickeln und das Gewicht wieder abbremsend auffangen muss.
Juggling ist also ein multidirektionales Explosivkraft- und Kraftausdauertraining. Vor allem die tief liegenden Wirbelsäulenmuskeln profitieren hiervon, was eine gute Wirbelsäulenstabilisation zur Folge hat. So wird Verletzungen vorgebeugt und die sportliche Leistungsfähigkeit wird gesteigert. Juggling ist eine tolle Herausforderung für Fortgeschrittene, verbessert die Explosivität, die Kraftausdauer, die Stabilität, die Koordination des ganzen Körpers und macht viel Spaß. Da die Kugeln anfänglich häufig aus der Hand fallen, sollte man im Sand oder auf Rasenflächen üben. Wer mit leichten Kettlebells und einfachen Grundübungen anfängt und sich langsam auf höhere Gewichte steigert, kann schnell in das Training hineinfinden.
Euer Dr. Till Sukopp