Jedes Mal, wenn Sportler einen Schläger schwingen, machen sie unbewusst Hunderte verschiedene Bewegungen gleichzeitig in einer raschen zeitlichen Folge. Glücklicherweise muss der Mensch diese Vielzahl an Muskelaktivitäten nicht bewusst steuern, denn das Gehirn plant und überwacht all diese Bewegungsmuster automatisch. 95 Prozent aller Handlungen laufen ohne aktive Teilnahme des Bewusstseins ab. All diese Automatismen basieren auf der Fähigkeit, motorisch zu lernen. Und Training fürs Gehirn ist nichts anderes als eine Form des Lernens. Häufiges Training überführt neue Bewegungen oder Techniken ins Unterbewusstsein, wo sie gespeichert werden. Da die menschlichen Fähigkeiten für bewusste Handlungen stark limitiert sind, benötigt der Mensch gerade für komplexe Rotationsbewegungen und die Koordination von Händen und Augen extrem viel Training mit unzähligen Wiederholungen ein und derselben Bewegung.
Die Kette von aktiven und passiven Gliedern
Wie bei allen anderen Sportarten braucht der Sportler auch bei den Schlagsportarten ein stabiles Fundament zur Leistungsfähigkeit. Darunter versteht man in erster Linie ein ausgeprägtes Gleichgewichtsgefühl (Balance) und ein ausgewogenes Verhältnis von Mobilität und Stabilität. Wenn auch nur eine dieser grundlegenden Fähigkeiten schwächer ausgeprägt ist, kann der Sportler nicht seine beste Leitung bringen. Er vergeudet wertvolle Trainingszeit und ist zudem anfälliger für Verletzungen. Der menschliche Bewegungsapparat setzt sich aus einem aktiven und einem passiven Teil zusammen. Der passive besteht aus über 200 Knochen, die durch Kapseln und Bänder zusammengehalten werden. Der aktive Teil umfasst mehr als 650 Muskeln und die dazu gehörigen Sehnen, die einen stabilen Stand (Statik) und eine dreidimensionale Bewegung (Fortbewegung) im Raum ermöglichen. Die Muskeln arbeiten dabei nie einzeln oder isoliert, sondern immer im Zusammenspiel miteinander.
Der menschliche Bewegungsapparat ist daher als eine Kette von ineinandergreifenden, teils aktiven, teils passiven Gliedern zu verstehen. Sobald eines dieser Kettenglieder schwächelt, droht der ganzen Kette, also dem gesamten Bewegungsapparat, Instabilität. Dabei muss es sich nicht immer um eine Muskelschwäche handeln. Auch Schäden an Sehnen, Bändern oder Faszienstrukturen können das Bewegungsmuster negativ verändern. Um das funktionelle Training grundlegend verstehen zu können, müssen zwei Begriffspaare geklärt sein:
- Mobilität und Stabilität
- Bewegungsqualität und -quantität
Mobilität und Stabilität
Unter dem Begriff Mobilität versteht man die Beweglichkeit und den Bewegungsumfang oder die Range of Motion eines Gelenks beziehungsweise eines oder mehrerer Bewegungssegmente. Die Mobilität ist dabei vor allem abhängig von der Spannung in der Muskulatur, der Gelenkbeweglichkeit, die durch die Gelenkoberfläche sowie Kapseln, Sehnen und Bänder bestimmt wird, und der Verschieblichkeit der einzelnen Gewebeschichten wie Haut, Unterhaut, Bindegewebe, Faszien und Muskulatur.
Unter Stabilität versteht man die Fähigkeit, eine funktionelle Körperhaltung bei Bewegungen im dreidimensionalen Raum aufrechtzuerhalten und dabei in der Lage zu sein, ständig die Bewegung zu kontrollieren und zu koordinieren.
Bewegungsqualität und -quantität
Der menschliche Körper ist ein Meister darin, seine Schwachstellen zu verbergen. Ständig versucht er, die Quantität der Bewegung, wie Bewegungsumfang und Geschwindigkeit, in einem Segment aufrechtzuerhalten, auch wenn er dafür bei der Qualität der Ausführung schummeln muss. Da der Körper aus sehr vielen Komponenten besteht, gibt es jeweils unzählige Möglichkeiten, die fehlende oder eingeschränkte Beweglichkeit eines Segments durch vermehrte Bewegung eines benachbarten Körperteils mittels einer Kompensationsbewegung auszugleichen und zu verschleiern. Erst wenn das Maß der Kompensation in den benachbarten Regionen ausgeschöpft ist und diese dadurch überlastet sind, treten die ersten Symptome wie zum Beispiel Schmerzen auf. Orthopäden und Sportmediziner stehen dann oft vor dem Problem, die wirkliche Ursache des Schmerzes von den Symptomen zu unterscheiden und einen Erfolg versprechenden Pfad für die Therapie einzuschlagen. Die Ursache bei Überlastungsschäden ist selten dort, wo die Beschwerden auftreten. In solchen Fällen muss man das Problem bei geschwächten Synergisten suchen. Das bedeutet, dass man bei immer wiederkehrenden Beschwerden auch die Muskeln mit untersuchen muss, die eine ähnliche Funktion in der Bewegungskette haben.
Rotationssportarten – Wirbelsäule im Fokus
Bei den Rotationssportarten steht vor allem die Wirbelsäule immer wieder im Fokus der Probleme. Denn wenn die Hüfte, die Brustwirbelsäule oder die Schulter nicht genug Bewegungsumfang haben, macht die Lendenwirbelsäule die oben beschriebenen Kompensationsbewegungen, für die sie anatomisch einfach nicht geeignet ist. Daher liegt ein Hauptaugenmerk im funktionellen Training bei Rotationssportarten auf der gezielten Stärkung des Körperkerns.
Eine gut trainierte antirotatorische Muskulatur stabilisiert die Lendenwirbelsäule so, dass sie keine Rotationsbewegungen mehr machen muss, um eine fehlende Beweglichkeit der anderen Segmente zu kompensieren. Bei den Rotationssportarten steht vor allem die Wirbelsäule immer wieder im Fokus der Probleme.
Für Rotationssportarten benötigt man:
- Einen sicheren Stand mit gutem Gleichgewicht, da der Köper sich dreidimensional im Raum bewegt.
- Eine gute Beuge- und Streckfähigkeit im Kniegelenk und Sprunggelenk.
- Beweglichkeit und Stabilität im Hüftgelenk: Hüftgelenke, die frei nach innen und nach außen rotieren und sich unabhängig vom Schultergürtel bewegen lassen (Dissoziation).
- Einen stabilen Rumpf, der die Kraft aus den Beinen auf den Oberkörper überträgt.
- Beweglichkeit in der Brustwirbelsäule.
- Maximale Rotationsfähigkeit in den Schultern.
Sobald eine dieser Anforderungen nicht erfüllt ist, ist die Nachhaltigkeit der Leistungsfähigkeit gestört und das Risiko einer Sportverletzung steigt dramatisch an.
Erweiterung des FMS
Um einen Sportler adäquat beraten und trainieren zu können, kommt man an einem Movement Screen nicht vorbei. Neben den sieben klassischen sportartunspezifischen Tests des Functional Movement Screens ist es sinnvoll, die Diagnostik um vier weitere sportartspezifische Bewegungstests zu erweitern:
- Rivet Test: misst die Innen- und Außenrotationsfähigkeit der Hüften.
- Seated Trunk Rotation: Isolierte Rotation der BWS.
- 90/90 Rotation: Rumpf-/Schulter-Rotation.
- Innen- und Außenrotation der Schultern (da der Shoul der Mobility Test in einer nicht sportarttypischen Haltung erfolgt).
Euer Dr. Lutz Graumann
Ich finde leider keine Infos zu dem Rivet Test, ein Link wäre hilfreich….
Danke