Neurotransmitter beeinflussen unsere geistige Leistungs- und Lernfähigkeit, unser Gedächtnis, unsere Motivation und auch die Art und Weise, wie wir mit Stress umgehen: Neurotransmitter.
Die chemischen Botenstoffe sorgen dafür, dass Informationen von einer Nervenzelle zur anderen weitergeleitet werden. Der Sportwissenschaftler Dennis Thannhäuser stellt die vier wichtigsten Neurotransmitter vor.
Er erläutert ihre Eigenschaften und macht deutlich, warum es gerade auch in Zusammenhang mit Sport, Bewegung und Prävention wichtig ist, die individuelle Neutrotransmitterdominanz oder ein vorliegendes Defizit zu erkennen.
Was sind Neurotransmitter?
Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe, die im Gehirn und im Körper eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung spielen. Sie sind sozusagen verantwortlich für die Kommunikation zwischen den Nervenzellen und sorgen dafür, dass Informationen im Gehirn und im Körper weitergeleitet werden können.
Das individuelle Neurotransmitterprofil ist dabei genetisch bestimmt und prägt unser Verhalten, unsere Persönlichkeit und unser Temperament. Diese genetische Komponente (Dominanz) ist grundsätzlich nicht veränderbar. Allerdings kann unser Lifestyle zu einem Defizit an bestimmten Neurotransmittern führen.
Die vier primären Neurotransmitter, die für unser Verhalten und unseren Charakter verantwortlich sind, sind
- Dopamin,
- Acetylcholin,
- GABA und
- Serotonin.
Jeder Neurotransmitter hat spezielle Eigenschaften, die ich im Einzelnen nun erläutern möchte.

Dopamin
Dopamin sorgt für ein hohes Energielevel und viel „Drive“. Dopamin-dominante Personen sind sehr selbstbewusst und zielstrebig. Zahlen, Daten und Fakten sind deutlich häufiger die Basis ihrer Entscheidungen als Gefühle und Emotionen.
Im Sport findet man Dopamin-dominante Athleten meist in Individualsportarten mit einem hohen Level an „Competition“. Eine zu hohe Dopaminkonzentration kann zu einer Neigung zu Gewalt und unkontrolliertem Verhalten führen und lässt Menschen in gewissen Situationen sehr intensiv reagieren.
Wenn das Gehirn hingegen zu wenig Dopamin produziert oder zu viel davon verbrennt, gerät die Neurochemie aus der Balance. Diese Dysbalance kann Folgendes begünstigen:
- Übergewicht,
- Parkinson,
- Bluthochdruck,
- Depressionen,
- Vergesslichkeit.
Acetylcholin
Acetylcholin ist der Speed-Neurotransmitter. Er sorgt für Aufmerksamkeit und Konzentration. Acetycholin-dominante Personen sind kreativ, offen und flexibel. Das Besondere ist, dass es der einzige Neurotransmitter an der motorischen Endplatte ist und somit Muskulatur kontrahieren lassen kann. Talentierte Athleten sind oft Acetycholin-dominant. Je höher der Acetycholinspiegel, desto wahrscheinlicher ist ein erhöhter Anteil von Fast-twitch-Fasern in der Muskultur.
Wenn zu wenig Acetylcholin vorhanden ist – es wurde zu wenig produziert oder zu viel verbrannt –, ist die neurochemische Balance gestört. Das Gehirn erzeugt physische Stimuli über Alpha-Gehirnwellen. Diese Alphawellen werden mithilfe von Acetylcholin vom physischen Stimulus zu Erinnerungen oder Gedanken. Je ausbalancierter das Acetylcholin, desto besser funktioniert dieser Prozess.
Ist Acetylcholin defizitär, kann es Schwierigkeiten mit der Geschwindigkeit dieses Prozesses geben. In der Folge werden neue Eindrücke nicht in kurzer Zeit mit bereits gespeicherter Erinnerung verknüpft und „aussortiert“. Die Reaktion auf neue Stimuli fällt langsamer aus als gewohnt. Dies führt zu Vergesslichkeit, begünstigt Alzheimer und sorgt für Konzentrations- sowie Koordinationsprobleme.
GABA
„Gamma-aminobutyric Acid“ – kurz: GABA – ist der Neurotransmitter, der für Ruhe und Stabilität sorgt. GABA-dominante Menschen sind strukturiert und organisiert. Ein Großteil der Bevölkerung ist GABA-dominant. Im Mannschaftssport sind oft die Mannschaftskapitäne, im Football die Quarterbacks, im Fußball die 6er oder im Basketball die Aufbauspieler (Position 1) GABA-dominant. Strukturierung und langfristige Planung sind charakteristische Fähigkeiten dieser Personen.
GABA-Defizite sind aus meiner persönlichen Erfahrung die häufigsten Defizite bei Neurotransmittern. Das ist durch unseren Alltag, der durch Social Media, Handys, elekotromagnetische Felder und generell ein sehr hohes Stresslevel, das die Neuronen hochreguliert, zu erklären. Da GABA die Neuronenaktivität herunterreguliert, ist es schnell verbraucht. Ist kein GABA oder zu wenig davon vorhanden, gerät das Gehirn aus dem Rhythmus. Dies kann sich in verschiedenen Symptomen äußern: Angststörungen, manischer Depression oder gar Psychosen.

Serotonin
Serotonin wird oft auch als der „Wohlfühl-Neurotransmitter“ bezeichnet. Harmonie, Kommunikation, Freude, Optimismus und Unabhängigkeit – all diese Begriffe werden mit Serotonin assoziiert. Nachts ist es das Serotonin, welches das Gehirn herunterfährt und zur Ruhe kommen lässt. Serotonin ist vor allem im zentralen Nervensystem aktiv. Aus hormoneller Sicht ist es der Vorläufer des „Tiefschlafhormons“ Melatonin.
Ist zu wenig Serotonin vorhanden, fehlt das Yin zum Yang. Ein Beispiel: Ein Motor hat vielleicht viel PS, das nützt allerdings wenig, wenn der Tank leer ist. Sind wir nicht aufgeladen, nicht regeneriert, kann das früher oder später im Extremfall zu Alkoholismus oder Drogensucht führen oder kann das Prämemenstruelle Syndrom, Lustlosigkeit und Nervosität zur Folge haben.
Neurotransmitter testen
„If you‘re not assessing, you‘re guessing“, heißt ein Sprichwort. Als Therapeut oder Coach weiß man, dass Interventionen bei Mensch, Körper oder beim Training begründet sein sollten und eine Basis brauchen. Im Fall der Neurotransmitter ist die beste Grundlage der sogenannte Braverman-Test.
Der Braverman-Test ist ein psychologischer Test, der dazu dient, die individuelle Neurotransmitterdominanz oder ein Neurotransmitterdefizit zu erkennen. Er wurde vom amerikanischen Arzt und Unternehmer Eric Braverman entwickelt und besteht aus einer Reihe von Fragen, die sich auf Verhaltensweisen und Symptome beziehen, die mit den einzelnen Neurotransmittern in Verbindung gebracht werden können. Die Fragen beziehen sich unter anderem auf Themen wie „Motivation“, „Konzentration“, „Stimmung“, „Schlafgewohnheiten“ und „Essverhalten“.
Basierend auf den Antworten kann der Test eine Dominanz, aber auch ein Defizit an einem der vier verschiedenen Neurotransmittertypen Dopamin, Acetylcholin, GABA und Serotonin herausfinden. Der Braverman-Test ist zwar nicht unumstritten, doch meiner Meinung nach für Trainer und auch Therapeuten ein gutes Tool, um die eigene Coaching-Herangehensweise zu schärfen und bessere Trainingsergebnisse mit Kunden zu erzielen. Weitere Testmöglichkeiten bieten Bluttests oder Urintests, die von Ärzten durchgeführt werden können.
Um Neurotransmitter zu erklären, ziehe ich oft den Vergleich mit einem Auto heran. Dopamin ist im Auto der Motor; ohne einen PS-starken Antrieb fährt es nicht schnell. Wenn allerdings eine Übersetzung auf eine kurvenreiche Straße notwendig ist, braucht das Auto ein gutes Fahrwerk: Acetylcholin. Wer viel PS unter der Haube hat, braucht auch starke Bremsen, um die Geschwindigkeit zum richtigen Zeitpunkt herunterregulieren zu können: GABA. Autos mit guten Bremsen kommen besser aus der Kurve, GABA-dominante Menschen können besser regenerieren.
Zu guter Letzt nützen mir Motor, Fahrwerk und auch Bremsen wenig, wenn der Tank zu klein ist. Der Tank ist in der Auto-Metapher das Serotonin. Um also ein gutes Auto zu haben, vielleicht sogar ein Rennen zu gewinnen, müssen wir Motor, Fahrwerk, Bremsen und Tank dem (genetischen) Bauplan nach auf ein Optimum bringen.
Damit ein Auto lange und zuverlässig Leistung bringt, müssen alle Komponenten aufeinander abgestimmt sein und perfekt funktionieren. Damit der Mensch gesund altert und auch in späteren Lebensabschnitten gesund und leistungsfähig ist, ist ein Gehirn in Balance ein entscheidender Faktor.

Über den Autor
Dennis Thannhäuser lebt als selbstständiger Personal Trainer in München. Der studierte Sportwissenschaftler ist außerdem als Strength-and-Conditioning-Coach beim FC Bayern München Basketball tätig und besuchte weltweit Fortbildungen bei renommierten Ausbildern. Sein Wissen gibt er u. a. in seinem Podcast „Highflyerz“ weiter.