Es ist bewiesen, dass Krafttraining für Ausdauersportler sehr hilfreich sein kann, da es u.a. die Gelenke stärkt, die Trainingsform verbessert, Verletzungen vorbeugt und bei Müdigkeit dem Athleten nochmal den nötigen Kick geben kann, weil er mehr anaerobe Energiespeicher anzapfen kann. Immer mehr Ausdauersportler erkennen den Wert den Krafttraining für ihren Sport hat. Doch wenn es es darum geht, ob bessere Ausdauer für Kraftsportler bzw. andere vermeintlich rein anaerobe Sportarten von Vorteil ist, besteht noch Überzeugungsbedarf.
Die Annahme (und auch oft die Angst), dass klassisches Ausdauertraining zum einen hart antrainierte Muskelmasse frisst, die Kraft verschlechtert und zudem wenig Sinn macht, da der Körper beim Krafttraining seine Energie (in Form von ATP) hauptsächlich anaerob, d.h. ohne Sauerstoff bereit stellt, macht immer noch seine Runden. Was steckt dahinter?
Hier ist es nützlich sich eine kurze Zusammenfassung der verschiedenen Laufbahnen anzuschauen, die der Körper nutzt um Energie bereitzustellen:
Phosphagen (ATPPC) System
- rein anaerob und dominant bei kurzer (0-6sek) und extrem hoher Trainingsintensität (Krafttraining, Olympisches Gewichtheben, Sprints)
- Gewinnt ATP durch körpereigene Speicher und das Auffüllen dieser durch Phosphocreatine (PCr)
- Der schnellste Energielieferant und am Anfang jeder Aktivität egal welcher Intensität beteiligt
- Die Kapazität der ATP Herstellung ist aus allen Energiesystemen die geringste
Glykolyse
- dominant bei kurzen (6sek -2min) und sehr hohen Trainingsintensitäten
- gewinnt ATP durch die Aufspaltung von Kohlenhydraten, entweder in Form von Glykogen in Muskel und Leber oder direkt aus Glukose im Blut
- langsamere ATP Bereitstellung als Phosphagen, dafür mit sehr viel höherer Kapazität
- man unterscheidet auch zwischen schneller und langsamer Glykolyse
Das aerobe/oxidative System
- dominant im Ruhezustand und bei längeren (ab 2min) Einheiten und niedrigeren Trainingsintensitäten
- nutzt hauptsächlich Kohlenhydrate und Fette zur Energiebereitstellung
- Ist der langsamste Energielieferant, aber mit Abstand der mit der höchsten Kapazität
Da wir beim Krafttraining, vor allem bei sehr hoher Intensität (1-3RM), unsere Energie hauptsächlich vom ATPPC System schöpfen, hat der aerobe Stoffwechsel uns nicht groß zu interessieren, oder?
Anaerobe Leistungen haben immer den Nachteil, dass sie zu schneller Müdigkeit führen, weil der Körper zwar schnell Energie liefern kann, aber mit dem Nachschub nicht hinterher kommt. Die Kapazität ATP herzustellen ist auf anaeroben Wege zu gering. Anaerobe Belastungen führen daher zu schneller Ermüdung durch vielerlei Faktoren, die zu zahlreich sind, als dass ich sie hier alle auflisten möchte.
Bestimmte Aktivitäten oder Sportarten werden meist als rein anaerob oder aerob eingestuft, doch arbeitet ein einziges Energiesystem niemals alleine. Stattdessen überlappen sich diese ständig. Eins ist womöglich am Anfang einer Belastung dominant, doch die prozentuale Beteiligung eines anderen und spätere Verlagerung in Bedeutung ist nicht abzuerkennen. Dieses Zwischenspiel ist prominent in Sportarten wie Tennis, Fußball oder Basketball, aber wie sieht es mit rein anaeroben Sportarten aus, die nur auf Kraft und Schnellkraft basieren?
Eine Studie hat gezeigt, dass die aerobe Beteiligung in vermeintlich rein anaeroben Belastungen, wie dem 200m Sprint, größer ausfällt als angenommen. Die aerobe Energiebereitstellung machte hier satte 30% aus. Für eine hochintensive Belastung von unter 30 Sekunden ein beachtlich und unerwartet hoher Teil. Bei den 400m, 800m und 1500m lieferte der aerobe Stoffwechsel schon nach kurzer Zeit mehr als 50% der Energie, obwohl vor allem die ersten beiden Läufe als rein anaerobe Disziplinen gehandelt werden. Da die anaerobe Energiebereitstellung schnell erschöpft ist, hat eine höhere Beteiligung des aeroben Stoffwechsels an Belastungen den Vorteil, dass es die Zeit bis zur Mukelerschöpfung hinauszögert.
Andere Studien haben gezeigt, dass aerobes Training die Phosphagenwerte im Muskel erhöht und diese bei submaximalen Belastungen auch vor der frühzeitigen Erschöpfung schont (dies ist auch ein Effekt des anaeroben Trainings). Zusätzlich ist der aerobe Stoffwechsel für einen Großteil der Erholung von anaeroben Belastungen verantwortlich.
Wie profitieren wir also konkret von besserer aeroben Ausdauer?
1. Bessere Leistung bei anaerob dominanten Belastungen
Eine größere Beteiligung des aeroben Stoffwechsels bei Belastungen hoher Intensitäten schont die anaeroben Energiereserven und damit die vorzeitige Ermüdung, die durch eine ausschliessliche Nutzung von anaerober Energie einhergehen würde. Konkret bedeutet dies, dass ein Kraftsportler mehr Wiederholungen mit einem submaximalen Gewicht (% seines Max) absolvieren kann als dies ihm mit geringerer aeroben Kapazität möglich wäre.
2. Wir erholen uns schneller
Der aerobe Stoffwechsel spielt bei der Erholung von anaeroben Belastungen eine große Rolle. Dies bedeutet, dass wir uns nicht nur schneller zwischen einzelnen Sätzen beim Krafttraining erholen, sondern auch nach den Trainingseinheiten selbst.
3. Wir können länger härter trainieren
Je länger Trainingseinheiten von hoher Intensität anhalten, umso mehr verlagert sich die Energiebereitstellung von anaerob zu aerob. Der Athlet mit der besseren aeroben Ausdauer ist daher in der Lage hohe Intensitäten über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten. Dies ist eine Fähigkeit die in Sportarten wie zum Beispiel Crossfit sehr wichtig ist, da hier in Wettbewerben über längere Zeiträume eine Anreihung von anaeroben hochintensiven Belastungen gefragt ist.
4. Wir schonen wertvolle Substrate
Phosphocreatine oder Glykogen sind wertvolle Energieboten, die es gilt zu schonen wenn möglich, da sie bei länger andauernden Belastungen und trotz gefühlter Müdigkeit uns nochmal den nötigen Kraft oder Schnellkraftkick liefern können. Durch eine bessere aerobe Kapazität werden wir effizienter in der Nutzung von Fett als Energiebote und schonen damit die wertvollen “schnellen” Energiequellen, damit wir diesen Joker immer noch im Ärmel haben.
Wann beginnt Ausdauertraining unserer Kraft und Leistung zu schaden?
Einige Studien haben gezeigt, dass aerobes Ausdauertraining (hauptsächlich in Form von Laufen) zu Kraft, Schnellkraft und Muskeleinbüßen führen kann, wenn es mit hoher Häufigkeit, Dauer und Intensität durchgeführt wird. Die Kraft leidet vor allem wenn Kraft und Ausdauertraining in einzelnen Einheiten kombiniert werden. Das verstoffwechseln von Muskelprotein zur Energiegewinnung wurde allerdings erst bei Ausdauereinheiten ab 90 Minuten nachgewiesen.
Aber brauchen wir denn überhaupt klassisches Ausdauertraining (in Form von z.B. Laufen oder Radfahren) um unsere aerobe Kapazität zu erhöhen und erst recht in diesem hohen Ausmaß? Können wir aerobe Kapazität nicht genauso gut mit kurzen Kraftzirkel oder Intervalltrainingseinheiten bei hoher Intensität stärken? Mit Sicherheit. Eine Flut an Studien über die Jahre hat genau dies bewiesen.
Ein potentieller Nachteil ist allerdings die lange Erholung, die die Muskeln und das zentrale Nervensystem nach Belastungen solch hoher Intensität benötigen. Diese wiederum können genau wie extensives Ausdauertraining auch Fortschritte in Kraft und Schnellkraft beeinträchtigen.
Kann eine “Grundlagenausdauer”wie sie gerne genannt wird die mit den Vorteilen für unser HerzKreislauf System (wie ein höheres Herschlagvolumen und mehr sauerstofftragender Kapazität des Bluts) in Verbindung gebracht wird, ausschliesslich mit HighIntensity Intervalleinheiten erzielt werden?
Kraftzirkel / Intervalltraining und das klassische Ausdauertraining sind zwei Paar Schuhe. Beide verbessern die aerobe Kapazität (das erstere zusätzlich die anaerobe Kapazität), doch ein Intervalltraining ist ein Werkzeug womit wir gezielt auf die funktionalen Ansprüche der Muskulatur und jeweiligen Sportart eingehen können. Es ist also das beste Tool um die spezielle Art von Ausdauer zu trainieren.
Das klassische Ausdauertraining hingegen kann als ein globaler Akteur gesehen werden. Deswegen wird Laufen immer noch in Trainingspläne für Boxer, MMA Kämpfer, American Football oder Rugby Spieler eingebaut. Nicht weil es “funktional” für den Sport ist, denn zu keinem Zeitpunkt ist das Joggen ein Teil des Wettbewerbs. Es sind die globalen Vorteile für das HerzKreislauf System, die ein Kraftzirkel oder Intervalltraining oft in der Form nicht zu 100% abdecken können, sowie der Fakt, dass wir Sportler nicht ausschliesslich mit hochintensivenBelastungen bombardieren können um aerobe Kapazität zu steigern, ohne dass wir sie ins Übertraining stürzen.
Fazit:
Klassisches Ausdauertraining hat mittlerweile inmitten des “HighIntensity Trends” einen schlechten Ruf. Doch es hat seine Zeit und seinen Ort. Für die besten Ergebnisse müssen wir anaerobes und aerobes Ausdauertraining so einsetzen, dass es Sinn macht. Hier liegt es im Ermessen des Trainers einen fundierten Trainingsplan aufzustellen. Einen Trainingsplan der Kraft, Schnellkraft, Intervallkomponenten und klassisches Ausdauertraining sinnvoll kombiniert und damit den Anforderungen des jeweiligen Sports gerecht wird und andere wichtige athletische Fähigkeiten nicht behindert, indem er beispielsweise einen Kugelstoßer, Diskusswerfer oder Powerlifter drei Mal die Woche eine Stunde joggen schickt. Doch die wenigsten Athleten finden sich in diesen einmaligen Leistungen, die unter 5 Sekunden andauern wieder, wo der Körper seine Energie fast nur vom ATPPC System schöpft. Schon bei etwas längeren, aber immer noch sehr kurzen Belastungen haben wir gesehen, dass aerobe Komponenten eine bedeutende Rolle einnehmen.
Wer die Vorteile guter aeroben Kapazität im Hinterkopf behält, kann für seine Kraftsportler und “anaeroben Athleten” in Zukunft bessere Trainingsergebnisse erzielen.
Euer Phil Heather