Gerade in spielentscheidenden Situationen unterscheidet man gute von weniger guten Spielern darin, dass sie in Beurteilung der Situation, einem entsprechenden Entscheiden und einer daran gekoppelten Bewegungsausführung wesentlich schneller agieren. Neben den taktisch-kognitiven Aspekten spielt dabei vor allem die Bewegungsschnelligkeit eine zentrale Rolle. Dies lässt sich mittels verschiedener Systeme im Zuge der Sprint- und Laufleistung messen. Dabei wird oft die absolut zurückgelegte Laufdistanz eines Spieler oder der gesamten Mannschaft als aussagekräftiger Indikator für den Fitnesszustand herangezogen.
Studien belegen jedoch, dass es weniger die absolute Laufleistung ist, welche die athletische Fähigkeit und Relevanz eines Spielers darstellt.
Vielmehr ist es wichtig, in den richtigen Spielabschnitten über mehrere Minuten hinweg das Tempo hochalten zu können oder in spielentscheidenden Situationen einen Schritt schneller zu sein als der Gegenspieler. So zeigt sich z.B. im Fußball, dass das Spiel geprägt ist von 70-90 kurzen Antritten und Richtungswechseln, welche in der zweiten Halbzeit meist mit der gleichen Intensität aber nicht mehr in dieser Dichte wie in der ersten Halbzeit ausgeführt werden. So steigt die Pausendauer zwischen den einzelnen schnellkräftigen, explosiven Antritten drastisch und weniger torgefährliche Situationen werden kreiert.
Somit werden torgefährliche Aktionen und Drucksituationen für den Gegner nicht mehr in gleicher Häufigkeit und Nachhaltigkeit generiert werden können, als dies in der ersten Halbzeit der Fall ist. Durch die begrenzten Wechselmöglichkeiten hat der Trainer im Spiel nur bedingt Einfluss darauf, diesen Ermüdungserscheinungen entgegenzuwirken. Nun stellt sich die Frage, wie man durch ein gezieltes Athletiktraining, das genau diese wiederholten hochintensiven Belastungen trainiert, die Athleten auf die wettkampfspezifische Belastung vorbereiten kann. Dabei zeigt sich die wichtige Rolle der modernen Leistungsdiagnostik sowie der Betreuung durch einen erfahrenen und kompetenten Athletiktrainer.
Dies gilt nicht nur für den Profibereich – sondern auch im hochklassigen Jugendbereich gilt es, die Trainingszeit ökonomisch zu nutzen und zu versuchen klassische Ausdauereinheiten, z.B. lange Läufe, unter neuen Gesichtspunkten zu sehen. So muss dem Trainer bewusst sein, dass die Trainingszeit des Athleten begrenzt ist und man ähnlich Effekte auch durch entsprechende Spielformen hervorrufen kann. Gleichzeitig muss überdacht werden, ob die klassische Einteilung von Ausdauer- und Schnelligkeitstraining überhaupt dem Anforderungsprofil der Sportart entspricht.
So ist neben dem klassischen Ausdauer-, auch das Schnelligkeitstraining zu überdenken
Dies zeigte sich in den letzten Jahren auch im sportwissenschaftlichen Bereich, da durch mehrere Studien nachgewiesen wurde, dass die einmalige Schnelligkeitsleistung nur bedingt die zentralen und spielrelevanten athletischen Fähigkeiten eines Spielsportlers abdeckt. Sicherlich stellt eine grundlegende hohe Kontraktionsgeschwindigkeit und Explosivität einen wichtigen Faktor dar, aber gerade bei modernen Spielsystemen muss der Sportler in der Lage sein, ausgehend von einem kontinuierlich hohen Grundtempo, dieses entsprechend zu variieren um den Gegner dauerhaft unter Druck zu setzen.
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So rückte im Bereich des Athletiktrainings neben der einmaligen Schnelligkeitsleistung der Begriff der Repeated Sprint Ability (RSA), welcher genau diese wiederholten hochintensiven Belastungen widerpiegelt, in den letzten Jahren mehr und mehr in den Fokus von Diagnostik- und Trainingsverfahren. Interessanterweise zeigen dabei Spieler, welche eine gute einmalige Schnelligkeitsleistung haben, einen vermehrten Abfall der Leistungsfähigkeit bei wiederholten hochintensiven Läufen. Diese eintretende Ermüdungserscheinung lässt sich auf verschiedene Weise berechnen, wobei neben dem SprintDecrement vor allem der FatigueIndex als valider Parameter Einzug in die Diagnostik gehalten hat. In der taktischen Anwendung bedeutet dies auch die Möglichkeit verschiedene Spielertypen anhand ihrer Schnelligkeitswerte und –fähigkeiten gegeneinander abzugrenzen. So wäre es ein Ansatz Spieler gezielt für ausgewählte Situationen zu trainieren, um in entsprechenden Situationen auch adäquat reagieren zu können.
Ein klassisches Beispiel ist der Konterstürmer im Fußball, der sich im Gegensatz um Außenverteidiger durch wenige, erst am Ende des Spiels stattfindende Aktionen auszeichnet. Sicherlich ist eine explizite Ausbildung der athletischen Fähigkeiten jeden einzelnen Spielers einer Mannschaft nicht umsetzbar und wahrscheinlich auch nicht unbedingt zielführend. Eine generelle „Angleichung“ der athletischen Ausprägungen aller Spieler, unabhängig ihrer Position und damit verbundenen Spielanforderung, sollte allerdings auch überdacht werden. Gerade die Möglichkeit in spielentscheidenden Situationen die Mannschaftscharakteristik zu variieren, kann den Gegner vor erhebliche Probleme stellen und über Sieg und Niederlag entscheiden. Inwieweit dies letztlich auch in der athletischen Ausbildung umgesetzt wird sei dahingestellt, sollte aber unbedingt berücksichtigt und in Erwägung gezogen werden.
Aufgrund der unterschiedlichen leistungsbestimmenden Faktoren beider angesprochenen Schnelligkeitsleistungen (einmalige und wiederholte Laufschnelligkeit) divergieren auch die jeweiligen Trainingsansätze. Da mit zunehmender Anzahl der Sprints die aerobe, ausdauerspezifische Komponente eine immer tragender Rolle spielt, sollten auch die entsprechenden Fähigkeiten anders trainiert werden als bei einem klassischen Sprinttraining. Im Zuge der Entwicklung der RSA spielen vor allem die Monocarboxylattransporter MCT1 und MCT4 eine zentrale Rolle, da sie das bei wiederholter, hochintensiver Belastung anfallende periphere Laktat aus der Arbeitsmuskulatur in laktatabbauende Organ und Muskelpartien transferieren. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit über submaximale 60-90sec-Intervalle die maximale Sauerstoffaufnahme sowie die intramuskulären Speicher zu vergrößern. Je nach Variation der Intervalldauer, Intensität und Pausengestaltung können die Schwerpunkte in die ein oder andere Richtung verschoben werden. Gleichzeitig ist es zu überdenken, ob diese Methoden direkt zu Beginn einer Saison eingesetzt werden oder man durch ein Grundlagentraining im Vorfeld eine erhöhte Ermüdungswiderstandsfähigkeit schafft um zu einem späteren Zeitpunkt darauf aufbauen zu können und die Trainingsdichte sowie –intensität signifikant steigern kann. Vor allem im Bereich des Profiports sollte sich das Athletiktraining in verschiedenen Phasen gliedern welche an den Saisonhöhepunkten ausgerichtet sind. Diesbezüglich ist eine enge Abstimmung des Trainers mit dem Athletikcoach nötig.
Zusammenfassend kann man festhalten:
die differenzierte Entwicklung der einmaligen und wiederholten Schnelligkeitsleistung bietet nicht nur aus athletischer, sondern auch aus taktischer Sicht verschiedene Variationsmöglichkeiten, welche im modernen Spielsport vermehrt genutzt werden. Letztlich bleibt es dem Trainer überlassen, ob er für gewisse Spielsituationen einen klassischen Konterstürmer möchte, der sich in den letzten 10 Minuten mit zwei bis drei torgefährlichen Aktionen in Szene setzt, oder er lieber einen Allrounder entwickelt, der über die gesamte Spielzeit ein hohes Tempo mit mehreren hochintensiven Läufen gehen möchte. Im Optimalfall hat er viele Optionen um sein Spiel gegner- und spielstandentsprechend variabel zu gestalten du adäquat zu adaptieren.
Euer Dr. Lutz Herdener