Erlebe Mark Verstegen live auf dem Functional Training Summit vom 8.-10. Juli in München
Die Säule stellt unsere zentrale Rotationsachse dar. In herkömmlichen Workoutprogrammen dient das Warm-up oft lediglich dazu die Arme und Beine zu aktivieren. Es macht jedoch viel mehr Sinn, zuerst die Säule aufzuwärmen. Genau das ist die Aufgabe der Pillar Prep – es handelt sich hierbei um eine kurze Folge von Übungen, die die Säule aktivieren, kräftigen und eine hervorragende Körperstabilität ermöglichen, bevor man zu anspruchsvolleren Bewegungen übergeht. Um die beste Säulenkraft zu entwickeln, müssen wir über eine perfekte Haltung verfügen und so symmetrisch wie möglich sein. Im Gegensatz zur landläufigen Annahme ist kein Athlet völlig symmetrisch. Selbst bei der Geburt ist der Körper nicht völlig symmetrisch, als Einheit stellt er aber trotzdem ein absolut ausgewogenes System dar.
Zivilisatorische Faktoren aber, wie etwa sitzende Tätigkeiten und falsches Training, verkürzen die Hüftbeuger und lassen im Körper Asymmetrien entstehen, die zu Dysfunktionen und Verletzungen führen können. Wir sollten danach streben, die nahezu perfekten Bewegungsmuster wiederzuerlangen, die wir im Krabbelalter einmal hatten. Nur wenn wir diese Säulenkraft aufbauen können, sind wir in der Lage, uns wieder effizienter und kraftvoller zu bewegen.
Die Säulenkraft ist wichtig, weil man bei jeder größeren Bewegung Muskeln strecken muss, von denen ein Ende an Ihrem Säulenbereich befestigt ist. Durch eine stabile Säule können wir also mehr Energie mobilisieren und Kraft übertragen, der Körper wird nicht nur flexibler, sondern auch schneller, explosiver und ausdauernder – und zwar mit weniger Anstrengung.
Das klingt gut, oder? Bedauerlicherweise sieht die Säule eines durchschnittlichen Sportlers wie ein Gebrauchtwagen aus, der kaum noch anspringt. Wer zu uns kommt, hat meist schon einige Kilometer auf seinem Tachometer. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass es dir ähnlich geht.
Wir sehen häufig Sportler, deren Schultern und Nacken nach vorne gebeugt sind. Dies wird durch einen verspannten Oberkörper (Brustmuskeln, Latissimus und Trapezius) verursacht, der das sogenannte Upper-Cross-Syndrom erzeugt – ein vorgebeugtes, schlaffes Erscheinungsbild, das mit explosiven Bewegungen und einer effektiven Atmung absolut unvereinbar ist.
Die gute Nachricht ist, dass wir deinen Tachometer zurückdrehen und deine Säule kräftigen können, wodurch du eine korrekte Körperausrichtung erlangst und obendrein dein Kraftpotenzial neu entdecken wirst. Dabei wirst du einen ähnlichen Entwicklungsprozess durchlaufen wie ein Kind, das sich zunächst auf den Unterarmen vorwärtsbewegt, sich dann mit den Händen aufstützt und schließlich seinen Oberkörper aufrichtet. Die Säulenkraft bedeutet nichts anderes als die Kräftigung von Schultern, Rumpf und Hüften in allen drei Bewegungsebenen: frontal, sagittal und transversal.
Die Frontalebene
teilt den Körper in eine Vorder- und Rückseite und schafft so eine anterior- posteriore Achse. Zu den Übungen in der Frontalebene zählen der Frontstütz, das Cutting (abruptes Abbremsen), bei dem der Rumpf über den Füßen bleibt, oder seitliche Ausfallschritte.
Die Sagittalebene
unterteilt den Körper in eine linke und rechte Seite und ermöglicht Bewegungen um die Koronarachse. Zu den Bewegungen in der Sagittalebene gehören Flexionen und Extensionen, wie sie bei Kniebeugen, beim Kreuzheben und beim Marschieren vorkommen.
Die Transversalebene
teilt den Körper in eine obere und untere Hälfte und erzeugt somit eine vertikale Achse. Zu den Bewegungen in der Transversalebene gehören die Innen- und Außenrotation der Gliedmaßen, das Werfen eines Medizinballs aus der Drehung heraus und das Schwingen eines Baseball- oder Golfschlägers.
Hüftstabilität
Der Hüftgürtel mit seinen vielen Muskeln ist die Kontrolleinheit, die den gesamten Unterkörper steuert. Über den Oberschenkel beispielsweise, der mit dem Knie zusammenspielt, wird von hier aus sogar die Fußposition beeinflusst. Weil sich die Hüfte in der Körpermitte befindet, muss man den Muskeln in diesem Bereich besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen, denn sie leisten einen entscheidenden Beitrag dazu, viele weitere Bewegungen sowohl im Unter- als auch im Oberkörper mit zu koordinieren.
Die Hüftregion besteht aus über vierzig Muskeln, die sich im – und um das Becken herum befinden, 40 Prozent davon bewirken eine Innen- oder Außenrotation, die für einen Großteil der Beweglichkeit und Explosivität des Unterkörpers verantwortlich sind. Leider werden die Hüften oft vernachlässigt, wenn es darum geht, das Verletzungspotenzial zu verringern und die athletische Leistungsfähigkeit zu verbessern. Und auch die meisten Rücken- und Hüftschmerzen entstehen durch blockierte oder instabile Hüften. Ist ein Hüftgelenk blockiert, dann ist das in etwa so, als wäre der entsprechende Oberschenkelknochen mit dem Becken vernietet – oder als wäre deine Hüfte dauerhaft eingegipst.
Dieses Programm beginnt mit der Pillar Prep und hilft dir, deinen Femur besser zu kontrollieren, indem du dich weniger auf die Knie konzentrierst, sondern mehr auf die Hüfte. Wir werden uns noch ausführlich mit den Bewegungsmustern beschäftigen, die die Hüftregion fordern.
Rumpf-(Core-)Stabilität
Rumpfstabilität ist viel mehr als eine definierte Körpermitte oder ein Waschbrettbauch. Der Core besteht aus den Muskeln des Rumpfs. Er stellt die entscheidende Verbindung zwischen Hüft- und Schulterstabilität dar und schließt Knochen-, Gelenk- und Muskelgruppen ein wie den M. rectus abdominis (gerade Bauchmuskeln), M. transversus abdominis (querverlaufenden Bauchmuskeln), die inneren und äußeren schrägen Bauchmuskeln, den Beckenboden, M. psoas (Lendenmuskel), das Zwerchfell, die Wirbelsäulenstrecker, den M. latissimus dorsi (breiten Rückenmuskel) und die vielen kleinen stabilisierenden Muskeln zwischen den Wirbelkörpern, die als Mm. multifidi bezeichnet werden.
Die Multifidi sind die kleinen Muskeln, die bei einer Rückenverletzung oft eingeklemmt und anschließend nicht wieder reaktiviert werden, was langfristig zu Problemen führt. Diese Muskeln springen nicht wieder von selbst an; man muss ihnen helfen, indem man seine Rumpfmuskeln durch ein entsprechendes Training stark und stabil macht, und zwar mithilfe der richtigen Rekrutierungsmuster, die es ihnen ermöglichen, mit den Schultern und Hüften zusammenzuarbeiten.
Um aus den Übungen in diesem Programm das Optimum für sich herauszuholen, musst du den Rumpf aktiv halten und korrekt ausrichten, und zwar nicht nur während des Trainings, sondern den ganzen Tag hindurch. Dein Bauch sollte stets flach sein, stelle dir vor, du würdest ihn gegen die Hüftknochen drücken.
Halte ihn außerdem leicht gespannt, so wie wenn du deinen Gürtel öffnest. Das ist nicht gleichzusetzen mit dem klassischen Baucheinziehen mit Luftanhalten. Die Bauchmuskeln sind fest, aber atme weiter.
Durch das Beherrschen der Atemmuster und der Pillar Prep stellst du sicher, dass dein Rumpf von innen und außen gestützt wird, damit du dich effizient bewegen und einen langfristigen körperlichen Abbau verhindern kannst. Dafür ist es wichtig, dass du diese Grundlagen verinnerlichst und sie zur Selbstverständlichkeit werden.
Schulterstabilität
Es scheint naheliegend, dass die Hände und Arme den Großteil der Arbeit für den Oberkörper erledigen, in Wirklichkeit aber sind es die Schultern, die einen Großteil der alltäglichen Belastungen auf sich nehmen.
Die meisten von uns merken gar nicht, dass uns vom vielen Reisen, Autofahren und Rucksacktragen die Schultern nach vorne sinken. Viele denken, dass nur Senioren dieses Problem haben, aber das ist nicht der Fall. Wenn du nichts dagegen unternimmst, garantiere ich dir, dass sich Rotatorenmanschette, Rücken oder Nacken bald melden und Ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigen werden.
Wir ziehen die Schultern meistens unbewusst und automatisch nach vorne, vor allem wenn wir lange sitzen oder einen Rucksack tragen. Aber du solltest genau das Gegenteil tun: Hebe das Brustbein an und ziehe die Schulterblätter nach hinten-unten, um eine korrekte Haltung einzunehmen. Mache dich lang, als ob ein Angelhaken unter deinem Brustbein angebracht wäre, der dich nach oben zieht.
Die meisten Sportler plagen Schulterschmerzen, vor allem an der Vorderseite, wo der Bizeps an der Schulter ansetzt. Das zugrundeliegende Problem ist allerdings eine unbewegliche Brustwirbelsäule und eine mangelhafte Ausrichtung von Brustkorb und Becken, was dysfunktionale Bewegungsmuster im gesamten Torso zur Folge hat. Die Funktionalität der Brustwirbelsäule bildet daher die Grundlage für eine dauerhaft gesunde Schulter.
Viele Athleten mühen sich vergeblich damit ab, ihre Schulterprobleme zu beheben, obwohl sie eigentlich an ihrer Brustwirbelsäule arbeiten sollten, die aufgrund einer schlechten Körperhaltung fehlerhaft ausgerichtet ist. Das ist vor allem bei Jugendlichen und Soldaten der Fall, die über viele Kilometer hinweg Rucksäcke und/oder Helme tragen müssen.
Es ist wichtig, diese Haltung auch in deinen Alltag zu integrieren. Um nachhaltige Veränderungen zu bewirken, musst du die Innenrotatoren (Brust und Latissimus) lang machen und die Außenrotatoren (Muskeln des oberen Rückens, Rotatorenmanschette sowie der Rest der Schultern) kräftigen.
Die Hüft-, Rumpf- (oder Core-) und Schulterstabilität verleiht uns Säulenkraft, eine zentrale Achse, die wir für alle möglichen dynamischen Bewegungen nutzen. Herkömmliche Trainingsprogramme betrachten das Warmup oft nur als Aktivierung der Muskulatur der Gliedmaßen. Aber da jede Bewegung von der Säule ausgeht, ist es sinnvoll, diese zuerst aufzuwärmen. Die Aktivierung von Schultern, Rumpf und Hüften ist der Sinn der Pillar Prep.
Zusammenfassung
Die Pillar Prep besteht aus einer kurzen Bewegungsfolge, die die Säule kräftigt und aktiviert und dadurch dem Körper eine hervorragende Stabilität und Effizienz verleiht, bevor man zu anderen, komplexeren Bewegungsmustern übergeht, die sich auf die Säule als Fundament verlassen. Indem wir zunächst Schultern, Rumpf und Hüften aktivieren, sind wir wesentlich besser darauf vorbereitet, die nachfolgenden Phasen unseres Trainings zu durchlaufen. Pillar Prep bildet die physiologische
und psychologische Grundlage dafür, um bei jeder Bewegung des Workouts die Säulenkraft einzubeziehen, da jede Übung oder jedes Bewegungsmuster diese erfordert. Pillar Prep gibt uns außerdem die Gelegenheit, uns körperlich und geistig auf die bevorstehenden Aufgaben einzustimmen, bevor wir uns den anderen Teilen des Trainingsprogramms widmen.
Euer Mark Verstegen
Erlebe Mark Verstegen live auf dem Functional Training Summit vom 8.-10. Juli in München