Der tägliche Erfolg gibt uns mit diesem Ansatz Recht.
Stabilität ist von der Mobilität abhängig. Ich hoffe sehr, das Thema „Mobilität vor Stabilität“ damit mehr im Bewusstsein von uns Trainern verankert zu haben. Es ist mir ein Herzensanliegen die Themen Mobilität und Stabilität weiter in den Fokus zu rücken. Schließlich gibt der tägliche Erfolg mit diesem Ansatz uns Recht.
Auch das Stabilitätstraining hat in den letzten Jahren ein wahren „Hype“ erfahren. Die Ziele eines solchen Trainings liegen auf der Hand. Denn viele Funktionen im Körper können durch ein Stabilitätstraining viel zielgerichteter und ökonomischer ablaufen. Dadurch werden Kompensationsbewegungen reduziert, und der Körper gewöhnt sich in Folge dessen an effektivere Bewegungen. Ein gemeinsames Training aus Mobilität und Stabilität sorgt dafür, dass sich der Kredit der Natur nicht zu schnell aufbrauchen lässt. Es geht also um eine möglichst hohe Lebensqualität bis ins hohe Alter.
Nun stellt sich lediglich die Frage: Wie ist das möglich?
Bewegungen kontrollieren
Ich persönlich bin ein großer Befürworter eines ganzheitlichen Trainings, da ich am eigenen Leib erfahren durfte, wie sich eine gute Bewegungsqualität anfühlt. Zunächst kurz zur Definition von Stabilität: Ganz simpel formuliert wäre Stabilität die Fähigkeit, „Bewegungen zu kontrollieren“. Etwas genauer ausgedrückt, bezeichnen wir Stabilität als die Fähigkeit, eine aktive muskuläre Führung auf ein Gelenk auszuüben, um Kräfte umzuleiten beziehungsweise zu neutralisieren. Gleichzeitig die normale Flexibilität der Muskeln, mit der dazugehörigen Gelenkbeweglichkeit zu wahren. Dabei sollten wir zwischen zwei großen Muskelarten entscheiden.
- Die Muskeln, die das Gelenk stützen – Das lokale Muskelsystem, oder die sogenannte Halte- und Stützmuskulatur. Andere Nomenklaturen sind: Tiefen- oder Skelettmuskulatur, gerne auch gelenkstabilisierende Muskeln genannt. Dann gibt es noch die autochthone- oder genuine Muskulatur, diese können wir jedoch nicht kopfgesteuert aktivieren. Eines haben diese Muskelarten aber gemeinsam: Sie bestehen aus kleinen, tief und gelenknah liegenden Muskeln, die überwiegend eine stabilisierende Funktion haben. Sie sind verantwortlich für unsere aufrechte Haltung und arbeiten mit niedrigem Kraftaufwand, da sie im Dauereinsatz sind.
- Die Muskeln, die bewegend arbeiten – das Globale Muskelsystem sorgt dafür, dass auch bei intensiver Bewegung, sprich einem Sturz oder Stoß, die kleinen Gelenke immer in einer bestimmten Stellung bleiben. Sie verhindern auf diese Weise Funktionsstörungen (Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen oder Blockierungen) und entlasten das passive Stützsystem des Körpers (Lokales Muskelsystem), sowie das System, das für Bewegung sorgt (Globales Muskelsystem). Das globale Muskelsystem besteht aus langen, an der Oberfläche liegenden Muskeln. Sie sind in der Lage, Bewegungen der Wirbelsäule und der Extremitätengelenke schnell und mit hoher Kraft auszuführen und sind für die Kontrolle des Gleichgewichts mitverantwortlich. Um ihre Aufgabe korrekt zu erfüllen, sind die globalen Muskelfasern auf eine intensive Durchblutung angewiesen und ermüden daher schnell bei länger andauernder Haltearbeit.
Hauptaufgabe der Muskulatur ist Stabilisation
Ein Muskel kann immer “bewegend/ hebend“ = dynamisch konzentrisch; oder “senkend“ = dynamisch exzentrisch“; zum Beispiel im Armbereich wirken. Muskulatur kann aber auch “stabilisierend“ arbeiten, beispielsweise im Schulterblatt. Falls es zu einem Ungleichgewicht kommt, kämpfen wir oft mit verspannter, oberflächiger Muskulatur. Außerdem kommt die tiefliegende gelenkstabilisierende Muskulatur ihrer Hauptaufgabe, der Stabilisation, dann nicht mehr nach. Das ZNS, respektive unser Kopf, kennt keine Muskeln, sondern nur Bewegungen. Selbst wenn Muskeln zu schwach sind, sollten wir immer Bewegungen trainieren, da ein isoliertes Krafttraining hier nur wenig Sinn macht, da es eher auf einer anderen Muskelebene stattfindet. Gleichzeitig haben wir zum Ziel, das Timing der “richtigen“ Muskulatur zum “richtigen“ Zeitpunkt zu verbessern.
Kraft ist ohne Kontrolle nichts wert
Die Definition von Kraft sollte sein, Bewegungen anzustoßen.
Detaillierter ausgedrückt ist Kraft die Fähigkeit, eine hohe Last mit viel Intensität über eine kurze Zeitspanne zu erbringen. Krafttraining hat nicht nur Hypertrophie zur Folge, sondern verbessert auch die Flüssigkeits-Versorgung der Muskulatur. Außerdem kann mehr Energie in Form von Glykogen gespeichert werden (Brennstoff für die Muskulatur), es kommt zu einer besseren Blutversorgung und die Kapillargefäße breiten sich aus. Das wiederum bedingt eine bessere Nährstoff-Versorgung der Muskulatur. Außerdem wird der Metabolismus angeregt. In meinen Augen steigert Kraft zwar die Stabilität in den Gelenken, doch wirkt diese oft unkontrolliert. Deshalb ist Kraft ohne Kontrolle nichts wert. Genau aus diesem Grund können wir nicht auf Stabilität verzichten. Zusätzlich zählt es zu den Aufgaben der Muskulatur, einwirkende Kräfte zu absorbieren und interartikulären Drücke zu verhindern. Insofern sollte Functional Training immer „ground based“ erfolgen.
FMS ist eine sehr gute Möglichkeit um die Bewegungsqualität zu überprüfen
Halten wir also fest: Stabilität bezeichnet die Fähigkeit, eine funktionelle Körperhaltung bei Bewegungen im dreidimensionalen Raum aufrechtzuerhalten, und gleichzeitig in der Lage zu sein, die Bewegung zu kontrollieren und zu koordinieren.
Die Hauptaufgabe von Muskeln ist Stabilisation. Denn stabilisierende Muskeln sind immer Effektoren, und zugleich Motoren aller Bewegungen. So arbeitet bei einer Primärbewegung immer eine Bremskraft, ein Bremstonus oder anders formuliert eine Fallverhinderung. Außerdem vermeiden wir durch die stabilisierende Muskelarbeit Abscherbelastungen in den Gelenken. Bei nicht ausreichenden Stabilisatoren, fehlt uns des Weiteren eine ausreichende Propriozeption. Das bedeutet, dass die fehlende Eigenwahrnehmung die Bewegung unsicher macht.
Ich möchte an dieser Stelle nochmal darauf aufmerksam machen, dass der Functional Movement Screen eine sehr gute Möglichkeit darstellt, die Bewegungsqualität zu überprüfen. Wir sollten im Körper immer das schwächste Glied beziehungsweise die schlechteste Eigenschaft auftrainieren, denn wenn wir Schwachstellen auslassen, wächst das Risiko der ineffizienten Bewegung, die im schlimmsten Fall in einer Verletzung münden können.
Eine abweichende Gelenkstellung hat immer eine muskuläre Dysbalance zur Folge. Wenn unsere Stabilität also zu gering ist, belasten wir sehr stark unsere passiven Strukturen. Ein Beispiel hierfür könnte das „im Bett liegen“ sein. Wenn ich morgens aufwache und nicht mehr liegen kann – ich rolle nur von Seite zu Seite – und vielleicht sogar Schmerzen bekomme, dann hänge ich oft in meinen passiven Strukturen. Denn wenn ich aufstehe und mich bewege, sind die Schmerzen schnell vorüber. Schlussfolgerung: Ich habe zu wenig muskuläre Stabilität. Das wiederum sind Schubbelastungen, die auf die passiven Strukturen (Ligamente, Sehnen, Knorpel, Knochen, Faszien, Kapseln, Nerven, Bandscheiben) einwirken. Dies hat weitreichende Konsequenzen:
- Sie sind häufig Ursache belastungsabhängiger Schmerzen
- Sie verschwinden durch Entlastung und/oder durch die richtige Muskelaktivität wieder
Schlafende Muskulatur wieder aktivieren
Oft ist es die Inkongruenz der Gelenke, die zu einer Deplatzierung der Gelenke führt. Sie sind monoton, schier unbeweglich und somit verhindern sie ein zentriertes Gelenk. Zusätzlich greift die Neuromuskuläre Inhibition, oder anders ausgedrückt die Abschaltung des Muskels. Genau diese beiden Faktoren führen zu nicht optimal zueinander stehenden Gelenken, und die wiederum reagieren mit Ansteuerungsproblemen. Wenn wir dann bei deren Aktivierung ein Zittern der Struktur wahrnehmen können, dann sprechen wir vom sogenannten Staccato Prinzip. Wir trainieren demnach „schlafende“ Muskulatur, die wieder lernen soll, mitzuarbeiten. Wenn wir diese Muskulatur nicht herausfordern, kommt es häufig zu einer Bewegungseinschränkung oder gar zu Schmerzen. Die Lösung ist eine Gelenkzentrierung oder Reharmoniesierung der Gelenkstellung. Jene können wir durch eine gute Mobilität und Stabilität erreichen, welche mit einer verbesserten Koordination wieder effizienter und Schmerzfreier abläuft.
Wir halten also fest, dass mangelnde Bewegungsmuster Schwachstellen sind. Um die ganze Angelegenheit noch komplexer zu machen, sollten wir nicht nur fehlende Mobilität und eingeschränkte Stabilität dazu zählen. Denn oft kommt auch eine schlechte Elastizität der Faszien hinzu, die sich in schlechten Funktionsfähigkeiten und Leistungseinbußen mit Energieverlust widerspiegeln. Rezeptoren in den Faszien geben zugleich ein Rückschluss darüber, wie die Segmente im Körper positioniert sind. Die Gelenkfühler übernehmen diese Aufgabe erst in der Endposition. Faszien haben zudem die Eigenschaft, temporär Energie zu speichern und sie wie bei einem Katapult freizusetzen. Wenn wir die Bewegung trotz Schwachstellen fortsetzen, kann unser Körper das eine Zeit lang zwar kompensieren, doch irgendwann kommt es auch hier zur Verletzung. Zur Verdeutlichung verwende ich gerne das folgende Sinnbild: Für jede schlechte Eigenschaft können wir den Inhalt eines 2 cl Schnapsglas in ein 0,2l Glass füllen. Der Körper kann dies eine ganze Zeit lang „aushalten“, doch irgendwann ist das 0,2l Glass voll und läuft über. Spätestens dann gibt es Probleme.
“Life-Impact“ in den Personal Trainingsstunden
Durch unsere Intervention wird sich das Röntgenbild nicht verbessern, doch durch unseren “Life-Impact“ in den Personal Trainingsstunden arbeiten die Strukturen besser. Denn die Funktionsweise können wir aktiv optimieren.
Dazu sollte der Sportler die Bewegung erfühlen und eine Eigenwahrnehmung aufbauen, also immer Bewegungsmuster und Bewegungsabläufe trainieren.
Somit findet eine Umprogrammierung der Gelenkstellung durch Stabilitätsübungen statt. Anschließend ökonomisieren wir die Bewegungsmuster. Dieser biomechanische Ablauf wird durch Geradlinigkeit in der Bewegung gekennzeichnet.
Falls sich durch Korrekturübungen schnelle Verbesserungen einstellen, sind es keine ernsten Probleme. Anders ist es, wenn sich die Funktionen nur Stückweise verbessern. Hier müssen wir vertieft ansetzen und eine Ursprungsbekämpfung gegen die schwerwiegendsten Probleme starten. Wir könnten also feststellen: „ die Hardware funktioniert nicht“ (Unflexible Gelenke + abgeschwächte Muskulatur).
Der Körper führt ungern Bewegungen aus, die er nicht kontrollieren kann.
Wenn ich also eine Verschlechterung der Haltungskontrolle habe, muss ich mit einer erhöhten Sensibilität, mit Störungen und letztlich mit Funktionseinschränkungen rechnen. Leider werden diese auf allen Ebenen zunehmen. Wir sollten daher handeln und ein Stabilitätstraining durchführen. Bei Stabilität geht es weniger um Kraftentfaltung. Wahre Stabilität sollte immer reflexgesteuert sein. In unserem Beispiel würde ich gern die Schulterblattstabilisatoren aktivieren. Denn wenn das Segment eine ausreichende Stabilität aufweist, ist der Brustkorb aufgerichtet. Zusätzlich machen die Arme und der Kopf das, was Ihm der Brustkorb vorgibt. Einen weiteren Benefit bringt das Aufarbeiten von schwachen Synergisten, denn wenn es dem Schulterblatt an Stabilisatoren fehlt, muss die Schulter zu viel arbeiten.
Reaktives Neuromuskuläre Training
Um diesen Sachverhalt besser zu erläutern würde ich gern das Reaktive Neuromuskuläres Training als Stabilitätstraining vorstellen. Hierbei wird eine propriozeptive Fehlhaltung verstärkt, sodass der Betroffene nun merkt: „ein Band zieht mich absichtlich hinein in das falsche Bewegungsmuster“ und ich muss lernen, bewusst dagegen zu arbeiten. So kann nach wenigen Minuten im Gehirn was überschrieben werden. Denn anschließend arbeitet der eigentliche Stabilisator wieder und denkt dabei: „Kämpfe gegen das Band und lasse dich nicht in das schlechte Bewegungsmuster hineinziehen“. Das Gute darin ist, dass das Band weg ist und meine Schaltleitzentrale (ZNS) mir weiterhin diese Information gibt. Es kommt also anschließend zu einer Mehraktivierung der richtigen Muskulatur. Die Bewegung wird also neu beziehungsweise korrigiert erlernt. Der dazu gehörige Rumpf dient als Kraftverteilungszentrum. Daher sollte Core Training primär exzentrisch und stabilisierend erfolgen. Des Weiteren sollen in erster Linie auch die Bewegungen verhindert und nicht initiiert werden. Das dabei alles in neutraler Wirbelsäule absolviert wird, versteht sich von selbst.
Stabilitätstraining mal anders
Durch mehr labisierenden Übungen wie zum Beispiel Stand Up Paddling findet eine genau so gute Zentralisierung statt, wie beim Stabilitätstraining. Anders ausgedrückt, eine Instabilität zwingt also den Körper dazu, die richtigen Bereiche anzuspannen. Durch solch ein Training, erreichen wir eine bis zu 11 x höhere Ansteuerung der FT – Fasern der unteren Extremitäten. Anschließend fühlt es sich beim Gehen und Laufen an, als hätte man “Luft“ in den Knien. Dieser Ansatz ist nicht nur vielversprechend, sondern sollte regelmäßig durchgeführt werden.
Zusammengefasst
Bei einer Dezentrierung (Statik oder Bewegungsverhalten) der Gelenke kommt es zu einer schlechten biomechanischen Komponente (Drehpunktverschiebung). In Folge dessen wird die sensomotorische Fähigkeit und Fertigkeit eingeschränkt. Dadurch ergibt sich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der daraus resultierenden Mobilitäts- und Stabilitätsentwicklung, die konstant abnimmt. Psychologische (Warum habe ich Schmerzen?) und Morphologische (Muskelabbau) negative Reize, sind die Konsequenzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Gelenke degenerieren, steigert sich enorm. Ziel sollte es sein, die Funktionen zu optimieren. Eine Zentrierung der Gelenke wird sich auf Präzision, Kraft und Ausdauer auswirken. Unser Ziel ist ein gesundes Verhältnis von Mobilität und Stabilität, welches dann auch in ein reduziertes Verletzungsrisiko mündet.
Wir sollten also Bewegungsmuster mit kompletten Bewegungsamplituden in Verbindung mit Mobilität und Stabilität trainieren. Dabei ist Stabilität die Voraussetzung für Kraft. Außerdem ist ein Gelenk ist nur so viel Wert, wie es auch eine funktionierende Muskulatur bedienen kann.
Wie sagt ein Trainerkollege immer:
Auch wenn vieles schon bekannt ist, sollte man dieses Wissen wiederholen, sodass es wie beim Bizepscurl wachsen kann.
Euer Tino Gäding
Stabilität nach Panjabi ist das Zusammenspiel zwischen aktiven Strukturen, passiven Strukturen und höheren Level (CNS), bei optimaler Balance erfolgt dann ein natürlicher oder kontrollierter Bewegungsablauf mit normaler Biomechanik sowie effizienter Beteiligung aktiver Strukturen. Daher würde ich argumentieren das die Aussage: „(…) Stabilität die Fähigkeit, „Bewegungen zu kontrollieren“ nicht ganz richtig ist, da Bewegungskontrolle zwar ein Teil von Stabilität ist jedoch dem komplexen Zusammenhang nicht gerecht wird. Ich würde eher von Motor Control sprechen.
Interessanter Artikel, schön wäre wenn ihr die entsprechenden Studien/Literatur am Ende des Artikels auflisten könntet, wäre super interessant: so z.B. mit der 11x Aktivierung der fast twitch fasern.
Hallo lieber Leser von Functional Trainer Magazin,
ich finde die Definition von Panjabi auch sehr gut und zutreffend. Genau, mit den Artikeln können wir immer nur einzelne Teilbereiche – gerne auch „Motor Control“ – besprechen und gemeinsam voneinander lernen. In Zukunft werde ich gerne auch ein Literaturverzeichnis anfügen. Eine 11 x höhere Aktivierung der FT-Fasern findest du im Sensomotorik Buch von Andreas Bertram. In diesem Sinne freue ich mich auf eine gute Gemeinschaft im Functional Trainer Magazin.
Viele Grüße,
Tino