Die Schnittstellen zwischen Athletic und Functional Training sind groß – und dennoch sind es zwei unterschiedliche Trainingsformen, die von Laien gerne über einen Kamm geschert werden. Reha- und Athletic-Trainer Jesper Schwarz klärt auf.
Training ist die planmäßige und systematische Realisation von Maßnahmen (Trainingsinhalte und Trainingsmethoden) zur nachhaltigen Erreichung von Zielen (Trainingsziele) im und durch Sport.“ (1) Dieser Definition von Hohmann, Lames und Letzelter nach verbinden das Functional Training und das Athletic Training drei wichtige Faktoren: Regelmäßigkeit, Systematik und Nachhaltigkeit. Demnach verfolgen beide Trainingsmethoden ein klares Ziel und unterliegen wissenschaftlichen Grundlagen und Trainingsprinzipien. Der Unterschied, wenn es denn einen gibt, muss also im jeweils ersten Wort der Bezeichnung zu finden sein.
WAS VERSTEHEN WIR
UNTER „ATHLETIC TRAINING“?
Schaut man sich den Begriff „Athlet“ näher an, führt dies einen schnell ins Altgriechische (αθλητής, athlētēs) oder auch ins Lateinische (athleta). In beiden Sprachen lässt sich der „Athlet“ als „Wettkämpfer“ übersetzen. Das Athletic Training ist also ein Training für Wettkämpfer. Welche Art von Wettkampf – das bleibt erst einmal offen. Das Athletic Training dient der Vorbereitung auf eine möglichst gute Performance im Wettkampf. Das Ziel ist daher zum einen die Steigerung der sportartspezifischen Leistungsfähigkeit und zum anderen die Reduzierung des Verletzungsrisikos. Ein Athlet, der aufgrund einer Verletzung einen Wettkampf verpasst, verfehlt seine eigentliche Bestimmung. Je weiter man aber beim Athletic Training ins Detail geht, desto mehr unterschiedliche Meinungen herrschen neben dem tatsächlichen Inhalt vor – vor allem über die Herangehensweise. Es stellt sich z.B. die Frage, ob das Athletic Training eine rein ergänzende Funktion einnimmt oder ob sich das physische Training überhaupt von den sportartspezifischen Inhalten trennen lässt.
WAS HAT ES MIT DEM FUNCTIONAL TRAINING AUF SICH?
Wie sieht es jetzt mit dem Begriff „Functional Training“ aus? Worin besteht der Unterschied zum Athletic Training? Functional – zu Deutsch funktionell – bedeutet erst einmal, dass etwas eine Funktion erfüllt. Im Bereich der Bewegungswissenschaft beschreibt Michael Boyle, einer der führenden Experten in den Bereichen Functional Training und Leistungssteigerung, den Begriff „funktionell“ wie folgt: „Bewegungen, die nur einen einzigen Muskel isoliert beanspruchen, sind als unfunktionell zu bezeichnen. Funktionelle Bewegungsformen integrieren immer mehrere Muskeln und Muskelgruppen gleichzeitig.“ Dieser Definition nach fallen vor allem mehrgelenkige Bewegungen unter den Begriff „Functional Training“, das damit einen klaren Kontrast zum klassischen Bodybuilding, bei dem gezielt und isoliert Muskeln gestärkt werden, darstellt. Haben diese Übungen aber unter Berücksichtigung der eigentlichen Bedeutung von „functional“ keine Funktion? Oder ist das gezielte Auftrainieren eines einzelnen Muskels nach einer Verletzung unfunktionell?
ATHLETIC TRAINING VS. FUNCTIONAL TRAINING
Wenn sich das Functional Training also am Trainierenden und seinen körperlichen Aufgaben orientiert, so muss sich das Athletic Training am Wettkämpfer, also am Athleten orientieren und alle Anforderungen, die durch dessen Wettkampf gegeben sind, berücksichtigen. Welche Anforderungen an einen Wettkämpfer letztlich gestellt werden, ist sehr individuell und hängt natürlich vor allem von der ausgeübten Sportart ab. Dieser Definition nach ist es selbstverständlich, dass sich das Athletic Training eines Schachspielers sehr stark von dem Athletic Training eines Fußballspielers unterscheiden muss. Beide Sportler bestreiten Wettkämpfe, sind also Athleten. Dennoch sind die Anforderungen an ihre konditionellen Fähigkeiten Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Koordinationsfähigkeit, Schnelligkeit und Stabilität deutlich verschieden. Entsprechend unterschiedlich muss das Training auch gestaltet werden, um den Athleten optimal auf seinen Wettkampf vorzubereiten. Sowohl das Functional Training als auch das Athletic Training orientiert sich also an den Anforderungen an den Trainierenden. Der wesentliche Unterschied besteht im Wettkampfcharakter, den das Athletic Training zusätzlich im Fokus haben muss.
INSGESAMT GIBT ES ALSO VIELE SCHNITTPUNKTE ZWISCHEN BEIDEN TRAININGSFORMEN. WIE GENAU DAS TRAINING DANN ABER BEZEICHNET WIRD, HÄNGT VON DEN SPEZIFISCHEN ANFORDERUNGEN AN DEN JEWEILIGEN TRAINIERENDEN AB. ENTSCHEIDEND IST IMMER NUR, DASS DIE PERSÖNLICHEN ZIELE UND DIE INDIVIDUELLEN VORAUSSETZUNGEN EINES TRAINIERENDEN BEACHTET WERDEN.
Den ganzen Artikel gibt es in FUNCTIONAL TRAINING MAGAZIN, Ausgabe 2/2019 (Erscheinung Mitte Juni 2019). Jetzt das kostenfreie Probe-Abo sichern!
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