Biohacking im Sport
Auf der Suche nach optimaler Leistung und schnellerer Regeneration
Häufig kommt es anders, als man denkt…so oder so ähnlich lässt sich die aufkeimende Romanze zwischen der Idee des Biohackings und dem (Leistungs-)Sport umschreiben. War Biohacking lange als esoterischer Nebenschauplatz verschrien, stößt das Thema inzwischen auch bei Athleten und deren Betreuern immer mehr auf Interesse. Biohacker Andreas Breitfeld konzentriert sich in diesem Artikel vor allem auf die Anwendungen im Sport und widmet sich der Frage, wie mit überschaubarem Aufwand, aber einem grundlegenden Verständnis der menschlichen Biologie die Weichen für Fokus, Leistungsfähigkeit und schnellerer Regeneration gestellt werden können.
Dave Asprey war ursprünglich ein junger, kränklicher und übergewichtiger Nerd. Nachdem er seine ersten Millionen verdient hatte, entschloss er sich, seine Gesundheit zurückzugewinnen und Gewicht zu verlieren. Er war einer der Ersten, der den Namen „Biohacking“ prägte, indem er zunächst die Datensammler der Quantified-Self-Bewegung als willige Rekruten für seine Begeisterung für Selbstexperimente, mit denen er seine Gesundheit und Leistungsfähigkeit verbessern wollte, fand. Sicher eine inspirierende Geschichte, aber zunächst für uns und unsere Kunden ziemlich irrelevant. Dank erster Wearables konnte bestenfalls die Effizienz verschiedener Strategien und Mittelchen evaluiert werden und so entstand ein breiter Wissensschatz rund um Performance, Leistung und Co. Heute, rund 15 Jahre später, beraten Biohacker (Profi-)Sportler genauso wie Manager und Hausfrauen – also alle „Athleten des Alltags“ – oft in Allianz mit der funktionellen Medizin und damit ist Biohacking eine ernst zu nehmende Ressource zur Verbesserung von Wohlbefinden, Performance und Recovery.
Lichtexposition am Morgen
Tatsächlich ist das Thema „mentale Vorbereitung“ eines der wenigen, das selbst im Spitzensport immer noch Ansatzpunkte bietet, um aus einer guten Leistung eine bessere zu machen. Manche nennen das „Potenzialentfaltung“, vermutlich ist es aber einfach ein besseres Verständnis der menschlichen Biologie. Als angehende Biohacker beginnen wir erst einmal damit, uns anzusehen, was bei einem „normalen“ Athleten abläuft, wenn er mit seiner Leistungserbringung beginnt.
Der Einfachheit halber nehmen wir einmal an, ein Athlet will ein Krafttraining absolvieren. Gemeinhin wird auf dem Weg zum Training ein Youtube-Video laufen, im Auto Radio oder eine beliebige Playlist auf Spotify gehört, im Studio wird es ein zehnminütiges Warm-up auf einem Cardiogerät geben, vermutlich läuft der Fernseher im Fitnessstudio oder man checkt noch mal die Social-Media-Kanäle. Auf das Ganze folgen einige spezifische Aufwärmübungen und nach spätestens 20 Minuten beginnt das eigentliche Training.
Wie aber sieht das Training bei einem Biohacker aus? Bei ihm hat das Training schon Stunden vor dem eigentlichen Training begonnen, indem der Sportler beispielsweise die Sonne (oder eine helle künstliche Lichtquelle) nutzte, um die Produktion des Motivationshormons Dopamin anzukurbeln. Ja, richtig gelesen: des Motivationshormons. Jahrzehntelang sprachen wir bei Dopamin von einem Belohnungshormon, was aber de facto nicht stimmt. Dopamin lässt nach Spitzenleistung und der darauffolgenden Belohnung streben, nicht nach der Belohnung an sich – gemäß dem alten Sprichwort: „Vorfreude ist die schönste Freude.“ Abgesehen vom Mindset, reicht schon die reine Lichtexposition aus, um den Dopaminspiegel signifikant anzukurbeln; zudem steigt dabei die Schmerztoleranz.
Lichtexposition am Morgen, ideal 15 bis 20 Minuten in der Sonne oder unter einer hellen künstlichen Lichtquelle, um die Dopaminausschüttung anzukurbeln.
Alpha-Zustand
Als nächstes Thema betrachten wir den Weg ins Studio. Wer selbst mit dem Auto anreist, könnte wahlweise binaurale Beats (binaural: lat., mit beiden Ohren; sind eine für Dritte nicht hörbare Wahrnehmung, die empfunden wird, wenn beiden Ohren Schall mit leicht unterschiedlicher Frequenz direkt zugeführt wird) hören oder weiter fortgeschrittene Soundtracks, die verschiedene Frequenzen und verbalen Input kombinieren, abspielen.
Das Ziel dabei ist es, das Gehirn in einen Alpha-Zustand zu versetzen. Dazu nutzt man den Sound auf einer Wellenlänge zwischen 8 und 12 Hertz, damit das Gehirn in dieser Frequenz „schwingt“. Da dieser Alpha-Zustand mit dem – vermutlich bekannten – Flow-Konzept übereinstimmt, kann bereits so vor Trainingsbeginn das Gehirn auf Spitzenleistung vorbereitet werden. Wenn die Anreise mit einem öffentlichen Verkehrsmittel oder als Beifahrer erfolgt, kann das Thema sogar noch weiter vorangetrieben wird, indem man ein spezielles Headset nutzt, welches den Sound mit Lichteffekten kombiniert und so noch effektiver auf das Gehirn wirkt.
Das Gehirn proaktiv in einen Alpha-Zustand versetzen, um eine fixe Basis für Spitzenleistung zu schaffen. Bonus: Wenn das Ritual im Training konsequent eingehalten wird, kommt es auch unter Wettkampfbedingungen zuverlässig zum Tragen.
Atem-Warm-up auf dem Ergometer
Was spricht dagegen, wenn der Athlet während des Warm-ups auf dem Ergometer (bei dem es übrigens nicht um eine tatsächliche Erwärmung geht, sondern lediglich darum, die Durchblutung anzuregen) die Beschallung weiter nutzt, aber, statt auf das Mobiltelefon zu starren, Atemübungen absolviert. Besonders Atemtechniken mit Fokus auf die Ausatmung helfen, den Blutdruck zu senken, während Techniken mit Fokus auf die Einatmung das Gegenteil bewirken. Klassische Anwendungsbeispiele wären:
Das Warm-up auf dem Ergometer ist eine super Gelegenheit, den eigenen Zustand mithilfe der Atmung „fernzubedienen“.
Visualisieren vor dem Training und Wettkampf
Vor dem eigentlichen Training können wir mit einem besseren Verständnis für die menschliche Biologie noch eine Menge optimieren. So kann beispielsweise das wiederholte Visualisieren von neuen Bewegungsabläufen vor dem Training (kann auch gut während des Warm-ups passieren) helfen, neue Bewegungsabläufe schneller zu erlernen und ad hoc richtig auszuführen. Aber Visualisierung kann auch abseits der Trainingsroutine hervorragend funktionieren und auch die Bedeutung der Visualisierung im Sport sollte man nicht unterschätzen. Mentales Techniktraining kann tatsächlich helfen, schneller zu lernen, und sogar im Wettkampf eine entscheidende Rolle spielen. So wird berichtet, dass Tom Brady vor dem Gewinnen des Superbowls ein Jahr lang täglich visualisiert hat – inklusive eines Countdown-Timers im Home Gym, um sicherzustellen, dass er jeden Tag im Training sein Bestes gab.
Selbst im Ausdauersport ist die Technik erfolgreich und beliebt, wie man u. a. bei Brad Kearns in seinem autobiografischen Buch „Can you make a living doing that“ nachlesen kann. Sein Zögling, der Ultra-Radfahrer und Spinning-Erfinder Jonathan Goldberg, bekannt auch als Johnny G, konnte so, bevor er als Erfinder des Indoor Cyclings Weltruhm erlangte, einen erstaunlichen Rekord bei einem Qualifikationsrennen für das Race Across America erzielen, der dreißig Jahre später noch Bestand hat.
Visualisieren vor dem Training und Wettkampf kann das Erlernen neuer Fertigkeiten beschleunigen und helfen, auch unter Wettkampfbedingungen zu brillieren.
Wasserhaushalt und Elektrolyte
Ein Thema, das sich in der Praxis als deutlich relevanter erwies als lange angenommen, ist die richtige Flüssigkeitsversorgung. Gerade für Sportler gilt, dass die Gefahr, zu wenig zu trinken, sehr groß ist. In Anlehnung an die Galpin-Gleichung sind 30 ml je Kilogramm Köpergewicht täglich das Minimum. Hinzu kommt der Flüssigkeitsverlust durch das Schwitzen beim Sport. Für das Erbringen einer exzellenten Leistung ist es sehr sinnvoll, gut hydriert an den Start zu gehen. Deswegen empfehle ich, die Flüssigkeitsreserven beim Warm-up nochmals aufzufüllen und ein Wasser mit hohem Mineralstoffgehalt zu wählen oder ggf. einige Elektrolyte zuzugeben. Bei Spitzenathleten verwende ich ein spezielles Tracking- Pflaster aus den USA, mit dem man den Schweiß auf seinen Elektrolytgehalt untersuchen kann. Alternativ kann etwas mehr hochwertiges Salz oder eine Elektrolytlösung helfen, den Mineralstoffhaushalt stabil zu halten.
Wasser und Elektrolyte vor und während dem Training im Blick behalten und entsprechend trinken.
Die Kraft der Kälte nutzen
Meine Spezialität: die Nutzung von Kälte beim Sport. Gerade vor (und lokal sogar während) einer Trainingseinheit kann eine gezielte Absenkung der Körperkerntemperatur z. B. durch den Aufenthalt in einer Kryokammer oder in einem Eisbad tatsächlich Erstaunliches bewirken: So bildet der Körper als Reaktion auf die Kälte Ephedrin und Dopamin, wodurch die Motivation und auch die Leistungsfähigkeit gesteigert werden; selbst die Maximalkraft wird erhöht. Wichtig: Nach dem Abkühlen die Extremitäten erst wieder mobilisieren, bevor das eigentliche Training beginnt, sonst sind Verletzungen vorprogrammiert. Die Wirkung der Kälte (inklusive des Anstiegs der Körperkerntemperatur und der damit gesteigerten Alarmbereitschaft) hält für mindestens eine Stunde an. Eine lokale Kühlung der Handinnenflächen zwischen den Sätzen kann zudem die Leistungsdauer verlängern.
Kälte vor und lokal während dem Training kann die Leistung und die Motivation steigern, erhöht die Alarmbereitschaft und wird (noch) völlig unterschätzt.
Frequenzemittierende Wearables
Wer es etwas „technischer“ mag, kann alle oben genannten Strategien mit etwas „Schwingungen“ kombinieren. In den letzten Jahren wurde eine Handvoll hochwertiger Wearables entwickelt, die allesamt mithilfe von Frequenzen auf den Organismus wirken und in erster Linie wahlweise den Sympathikus bzw. den Parasympathikus aktivieren. Mit allen Geräten kann das Warm-up beschleunigt werden und auch beim Cool-down setze ich diese Geräte bei meinen Klienten gern ein.
Frequenzemittierende Wearables können in Synergie mit Atmung, binauralen Beats und Visualisierung die Ergebnisse weiter verbessern.
Fazit
Meine Erfahrung zeigt: Motivation und Fokus lassen sich durch eine Erweiterung der Routine, optische Trigger, Atemübungen und einige technische Hilfsmittel sehr leicht erhöhen. Wer seiner Routine für drei Wochen konsequent folgt, wird in kurzer Zeit feststellen, wie sich sein Leistungsvermögen und auch seine Aufmerksamkeitsfähigkeit kontinuierlich verbessern. Letzten Endes nutzen wir Körperfunktionen bzw. Inputstellen wie die Lichtrezeptoren im Auge, um eine direkte Verbindung zwischen der Atmung und dem Vagusnerv herzustellen, und die Wirkungen der Atmung auf Sympathikus und Parasympathikus, um spezifisch unser Wohlbefinden zu beeinflussen. Gib der Methode des Biohackings eine Chance und nutze das Wissen um die eigene Biologie zur Trainingsoptimierung.

Andreas Breitfeld beschäftigt sich seit acht Jahren intensiv mit dem Thema „Biohacking“ – inzwischen ist er Profi-Biohacker sowie Gründer und Betreiber des ersten Biohacking-Labs im deutschen Sprachraum. Als ehemaliger Fitnessjournalist, Kommunikationsexperte und Agenturinhaber sowie Besitzer diverser Trainerscheine und Ausbilder für Indoor Cycling vereint er das Thema „Biohacking“ mit seinen Interessen und seiner Expertise. Im Podcast „Die Biohacking Praxis“ teilt er gemeinsam mit Stefan Wagner wöchentlich sein Wissen rund um Biohacking und Co. Zudem ist er als Autor tätig und betreut „Athleten des Alltags“ und Profisportler. Beim Perform Better Institute leitet er den Kurs „Grundlagen des Biohacking“. www.breitfeld-biohacking.com