Fehlt es an Verständnis, führt das zu Leistungseinbußen, gesteigertem Verletzungsrisiko oder zu erhöhter bzw. zu geringer Trainingsintensität. Um diesen Dingen vorzubeugen, bedarf es einer systematischen Analyse der betreffenden Sportart. Hierfür ist es nötig zu wissen, wie die Rahmenbedingungen des Spiels sind, was genau sich auf dem Platz abspielt, welches die meistauftretenden Verletzungen sind und welcher Qualitäten es bedarf, um erfolgreich zu sein. Es ist demnach weder nötig, selbst einmal erfolgreich den zu analysierenden Sport ausgeübt zu haben, noch im taktisch-technischen Bereich besonders geschult zu sein. Zweifelsfrei stellt es jedoch einen Vorteil dar und erhöht die Glaubwürdigkeit im Umgang mit den Sportlern. Doch ist dies eher ein psychologisches Phänomen, denn ein Fachliches.
Alles, was ihr benötigt, ist eine systematische, analytische und vor allen Dingen objektive Sicht auf den Sport, um ein gutes, spezifisches Athletiktrainingsprogramm zu entwerfen.
Vereinfachte Grundeinordnung von Sportarten nach Gambetta
Im Jahr 2007 ordnete V. Gambetta Sportarten in vier verschiedene Kategorien ein. Im Sinne der Vollständigkeit sei jedoch der Hinweis gestattet, dass es Sportarten gibt, die eine Mischform mehrerer der genannten Kategorien darstellen. Basketball und Tennis sind hierbei gute Beispiele. Aufgrund dessen ist klarzustellen, dass es sich bei der genannten Einordnung nur um Richtlinien bzw. Vorschläge handelt, um dem Trainer in Spe den Einstieg in die Thematik zu erleichtern, ohne jeglichen Anspruch auf Absolutheit. Was aber tun bei Mischformen? In diesen Fällen müssen oft individuelle Fähigkeiten, Taktik (bzw. individuelle Spielweise) oder Positionen, als das jeweilige Hauptkriterium angesetzt werden. Weitere zu betrachtende Parameter können zudem sein, ob es sich um eine Kontakt- (z.B. Fußball), Kontaktfreie- (z.B. Volleyball) oder Kollisions-Sportart (z.B. Rugby) handelt.
Die 4 Schritte der Anforderungsanalyse
Eine grundlegende Analyse lässt sich in vier Grundschritte einteilen. Folgt ihr diesen systematisch, werdet ihr ein gutes Gesamtbild der zu trainierenden Sportart erhalten. Wie sooft im Leben gilt auch hier: Je besser die jeweils gestellten Fragen, desto genauer die Antworten. Seid also kreativ!
- Analyse der generellen Rahmenbedingungen der Sportart
Wie lautet das Regelwerk? Was ist das Ziel des Sports? Wie bewegen sich die Sportler von A nach B? Welche Grundelemente beinhaltet der Sport? Wie lange wird gespielt? Gibt es Unterbrechungen? Wie groß ist das Spielfeld? Was passiert wann auf dem Feld? Usw.
- Untersuchung typischer Ereignisse und unterschiedlicher Positionen der Sportart
Hier gilt es die Geschehnisse auf dem Platz genauer unter die Lupe zu nehmen. Nachdem die grundsätzliche Frage beantwortet wurde, ob es sich um eine Mannschafts- oder Individualsportart handelt, müssen ggf. einzelne Positionen analysiert werden. Ob sich viele Parallelen finden werden (da alle in derselben Sportart antreten), wird es auch spezifische Unterschiede geben. Als Beispiel wären z.B. Mittelstürmer und Linksverteidiger im Fußball zu nennen. Unterschiede in Bewegungsmustern und Anforderungen an Geschwindigkeit, Robustheit, Kraft Agilität sind offensichtlich. Darüber hinaus gilt es typische Spielsituationen und Abläufe zu erkennen und zu analysieren. Oftmals lohnt sich dabei den Blick abseits des Spielgeräts zu lenken. Neben trainingswissenschaftlichen Gründen, kann dies vor allem auch dabei helfen „spielähnliche“-Trainingseinheiten zu kreieren. Eine nicht zu unterschätzende Trainings-Motivation für Spieler, da sie den Transfer zwischen Training und Spiel erkennen.
- Analyse der individuellen Qualitäten eines Sportlers
Ferner müssen Erfahrungsschatz bzw. das sogenannte Trainingsalter des Sportlers betrachtet werden. Diese beiden Eigenschaften können einen signifikanten Unterschied in der Trainingssteuerung ausmachen. Darüber hinaus ist der körperliche Zustand jedes einzelnen zu testen. Wie steht es um Kraft, Power, Ausdauer, Schnelligkeit, Verletzungsanfälligkeit und allgemeine Fitness? Last but not least gilt es in diesem Schritt abschließend die Frage zu beantworten, wie es um die technischen Fertigkeiten des Sportlers bestellt ist. Wie ist er in der Gesamtbetrachtung der Mannschaft und/oder anderer Sportler des gleichen Levels einzuordnen?
- Untersuchung der häufigsten auftretenden Verletzungen
Verletzt sich ein Spieler aufgrund des von Ihnen gegebenen Trainings seid ihr euren Job los. Punkt. Eventuelle Klagen des verantwortlichen Vereins oder des betreuten Sportlers außen vorgelassen. Ein wichtiger Punkt, um dies zu verhindern, ist zu analysieren, wo und wann körperliche Stresslevel auftreten bzw. erhöht sind. Ferner muss untersucht werden, was die typischen Verletzungen in der betreffenden Sportart sind und wie diese auftreten. Die daraus resultierenden Erkenntnisse in das Training einfließen zu lassen oder ggf. dem Cheftrainer Hinweise zu geben, wen es im nächsten Spiel eventuell zu schonen gilt, ist Ihre Aufgabe. Hinsichtlich der Trainingsinhalte kann dies durch präventive Übungen (z.B. Corrective Exercises), Stärkung der betreffenden Bereiche oder regenerative Maßnahmen erfolgen.
Zusammenfassung
Die (gute) Analyse einer Sportart muss zum 1×1 eines jeden Athletiktrainers gehören. Sie eröffnet ihm die Chance äußerst spezifisch zu arbeiten und die Stellschrauben von Trainingsintensität, Trainingsinhalten und Trainingshäufigkeit genau zu betätigen.
Neben den genannten trainingswissenschaftlichen Vorteilen resultieren weitere Vorteile, wie die gesteigerte Trainingsmotivation der Sportler. Die, dank der nicht zu übersehenden Verbindung zu deren ausgeübten Sport und Objektivität Ihrer Erkenntnisse, Vertrauen in Ihre Arbeit haben werden. Die ausführliche Analyse bietet zudem eine optimale Diskussionsgrundlage mit dem entsprechenden Cheftrainer und medizinischen Personal. Es wäre jedoch falsch anzunehmen, dass sämtliches Training nur auf spezifische Bewegungen der Sportart reduziert werden könnte. Nach wie vor spielen allgemeingültige Inhalte eine große und nicht zu unterschätzende Rolle.
Euer Maximilian Lankheit, CSFC, 2014
(Quellenangabe: Athletic Development, Human Kinetics; Gambetta, V. 2007)