Ein besonders heiß diskutiertes Thema unter den Sofortmaßnahmen ist das Kühlen mit Eis. Im akuten Fall können Eisspray oder eine Eispackung bewirken, dass die Wunde weniger anschwillt und weniger schmerzt. Auch werden geringere Mengen an Entzündungsbotenstoffen im Gewebe ausgeschüttet. Allerdings muss man bedenken, dass Eis den Körper bei seiner natürlichen Reaktion auf die Wunde ausbremst: Der erste Schritt der Reparaturarbeit, in der Blut, Entzündungsbotenstoffe und Immunkörper zur verletzten Stelle gelangen, wird gehemmt.
Daher ist Eis nur sinnvoll, wenn der Sportler so schnell wie möglich wieder einsatzfähig sein muss und wenn es nicht zu lange angewendet wird, um die Wundheilung nicht zu stören. Denn das hat Folgen – kann der Körper nicht natürlich regenerieren, ist das Risiko für eine neue Verletzung höher: Eine Achillessehne reißt nach einer verkürzten Wundheilungszeit schneller wieder, als dies bei einer natürlichen Heilung der Fall wäre.
Eine ähnliche Lage zeigt sich bei entzündungshemmenden Medikamenten, darunter Diclofenac und Ibuprofen. Sie werden oft bei akuten Verletzungen empfohlen. Noch stärker als Eis hemmen sie die erste Wundheilungsphase. Ärzte von Spitzensportlern stehen dabei aber oft vor einem Dilemma: Sollen sie einem Fußballer mit Kälte-Anwendungen und Medikamentendazu verhelfen, möglichst bald wieder einsatzfähig zu sein – im Wissen, dass die faszialen Strukturen dann etwas schmerzunempfindlicher sind? Oder sollen sie die Sportler darin unterstützen, die natürliche Wundheilung wirken zu lassen, um erst in der nächsten Saison mit optimal regenerierten Bändern und Sehnen wieder einzusteigen?
Bei Freizeitsportlern ist die Sache klar
In den allermeisten Fällen gilt Zurückhaltung mit Eis und Medikamenten. Die natürliche, nachhaltige Regeneration geht vor. Anders ist es allerdings bei chronischen Entzündungen, die behandelt werden müssen. Meistens kann man damit aber sowieso nicht trainieren. Wie auch immer – auf keinen Fall sollte man auf eigene Faust kurieren und mit Schmerzmitteln, Eispackungen und Entzündungshemmern, die noch in der Hausapotheke herumliegen, experimentieren: Hat man dauerhaft Schmerzen oder eine akute Verletzung mit Verdacht auf einen größeren Schaden, sollte man immer zum Arzt gehen. Am besten zu einem kundigen Sportmediziner oder Orthopäden und zu einem erfahrenen Physiotherapeuten.
Was die Heilung angeht, muss man sich in Geduld üben: Fasziale Gewebe sind allgemein weniger dicht von Blutgefäßen durchzogen als Muskeln. Praktisch nicht durchblutet sind Sehnen. Sie bestehen überwiegend aus Kollagenfasern. Ihr Stoffwechsel ist langsamer, auch die Faserneubildung vollzieht sich langsamer. Daher brauchen verletzte Sehnen und Faszien länger zur Heilung als gut durchblutete Gewebe wie die Haut oder ein Muskel. Schwere Verletzungen an wichtigen Strukturen
wie dem Kreuzband am Knie oder der Achillessehne benötigen viele Monate zur vollständigen Regeneration.
Bei kleineren Bändern und Faszien kann es schneller gehen, schon innerhalb von drei Wochen haben sie sich nahezu vollständig wieder gebildet. Doch das heißt nicht, dass sie dann schon wirklich widerstandsfähig sind: Das neue Kollagen besitzt nach drei Wochen erst etwa 20 Prozent der ursprünglichen Zugstärke. Damit ist klar: Große Dehn- und Kräftigungsbelastungen in der Heilungsphase kommen nicht in Frage. Trotzdem kann oft schon sanft trainiert, gedehnt und bewegt werden. Fachleute sprechen hier von Frühmobilisation und sogenannten Matrixbelastungen für das Gewebe. Damit sind etwa isometrische Spannungen in den Muskeln und dem Bindegewebe rund um die Stelle gemeint. Sie bieten mechanische Reize, die ohne großes Gewicht erfolgen und daher das Gewebe anregen, aber nicht belasten. Dabei sollten auf keinen Fall Schmerzen auftreten, es geht also wirklich um eine sanfte Anforderung an das Gewebe.
Bei einem Muskelfaserriss mit Faszienbeteiligung kann nach drei bis vier Wochen oft schon wieder trainiert werden. Die Heilung ist dann zwar noch nicht ganz abgeschlossen, aber moderates Training ist möglich, manchmal sogar Wettkämpfe. Sportler aber gelten als notorisch ungeduldig. Viele fangen zu früh wieder mit dem Training an oder steigern zu schnell die Dosis, um an alte Leistungen anzuknüpfen. Dazu kommt der Druck im Sportbetrieb: Im Profibereich gilt es oft als unrealistisch, einen Athleten monatelang kaltzustellen. Sowohl der Sportler als auch Behandler, Ärzte und Trainer haben hier dieselbe große Verantwortung: Bewegung von Anfang an ja, Belastung nur wohldosiert, richtiges Training und Wettkämpfe nur, sofern es die medizinische Abteilung erlaubt.
Wenn es wieder aufwärts geht – Training nach einer Verletzung
Wenn eine verletzte Stelle noch wehtut, nimmt man automatisch eine Schonhaltung an. Diese Haltungen erfolgen oft unbewusst – doch das Problem ist, dass sie sich dann verfestigen können. Die beteiligten Faszien sind dabei durchaus unabhängig vom Muskel, auch sie können sich zusammenziehen, wie wir aus eigener Forschung wissen. Schonhaltungen können sich also auch und gerade in den Faszien festsetzen.
Während man früher bei Überlastungsstörungen im Bewegungsapparat allgemein zu Schonung riet, geht heute der Trend sehr deutlich in die entgegengesetzte Richtung: Möglichst früh wieder mobilisieren, wenn auch moderat. Die Patienten neigen gerade bei Schmerzen zwar dazu, im Alltag möglichst alle Bewegungen zu vermeiden, die auch nur in die Nähe der ursprünglich verletzenden Bewegungsrichtung gehen. Doch gegen diesen natürlichen Impuls anzugehen, hat sich in der Praxis bewährt: Mit gut dosierten täglichen Belastungen kann man die Wundheilung in den allermeisten Fällen unterstützen.
Allerdings liegt auch hier die Herausforderung darin, keine neuen Verletzungen in dem geschwächten Gewebe zu provozieren – trotzdem sollte sich der Körper wieder an seine gesunde Bewegungsdynamik gewöhnen. Sportler, die das Glück haben, von einem Teamarzt oder Physiotherapeuten betreut zu werden, bekommen sofort Hilfe von Experten. Freizeitsportler sollten nach Verletzungen auf jeden Fall erst nach Rat des Arztes das Training wieder aufnehmen, am besten unter Aufsicht und möglichst erst nach einer vorsichtigen Aufbauphase beim Physiotherapeuten. Für zu Hause gibt es einfache Möglichkeiten, die Beweglichkeit zu erhalten. Bei Beinverletzungen hat sich zum Beispiel das tägliche Radeln auf einem Zimmerfahrrad bewährt, bei Rückenschmerzen ein sanftes Rumpfschwingen.
Worauf du achten solltest
In der Regenerationsphase ist klar: Der Körper braucht möglichst gute Bedingungen, damit eine Wunde optimal heilt. Schließlich muss er das Immunsystem hochfahren, die Zellteilung beschleunigen, die Durchblutung regeln – also eine Menge Ressourcen anzapfen. Technisch ausgedrückt kostet das Zeit, Energie und Material. Es gibt dabei eine Menge ungünstiger Faktoren, die die Heilung beeinträchtigen:
- Mangel an Bewegung oder körperliche Überlastung
- erhöhter Blutzuckerspiegel (Diabetes)
- Vitaminmangel
- Mangel an Mineralien und Spurenelementen
- Mangel an essenziellen Aminosäuren
- Mangel an wichtigen ungesättigten Fettsäuren (vor allem Omega-3)
- Rauchen
- Alkohol
- Arteriosklerose
- Stress
- Schlafmangel
- Verdauungsprobleme
- gestörtes oder geschwächtes Immunsystem
- Antibiotika
An fast allen diesen Stellschrauben kann man drehen
Schaffe gute Voraussetzungen für die Heilung, indem du ausreichend schläfst, vielseitig, schmackhaft und nahrhaft isst und Stress vermeidest. Bei Stress kreisen Hormone im Blut, die das Immunsystem unterdrücken und damit die wichtige Aktivität der Abwehrzellen verringern, die für die Wundheilung wichtig sind.
Ernährung ist ein überaus wichtiger Faktor. Das Immunsystem braucht für die Wundheilung unter anderem besonders gut verdauliches, hochwertiges Eiweiß, denn die Abwehrzellen bestehen aus Protein. Auch die neue Zellsynthese für die gerissenen Muskel- und Faszienfasern ist auf zugeführtes Protein angewiesen. Die ungesättigten
Fettsäuren, Vitamin C und Zink spielen für das Immunsystem eine ebenfalls bedeutende Rolle. Viel Gemüse und gute Zinkquellen, darunter Fleisch oder Linsen, sowie Omega-3-Fettsäuren aus tierischen Lebensmitteln solltest du auf dem Speiseplan haben.
Nicht zu vergessen ist auch, dass bei jeder Verletzung der Kopf mit dabei ist. Jede Verletzung ist mit Schmerzen, Ungewissheit und meistens auch Angst verbunden. Hierbei entstehen nicht nur unbewusst ablaufende Hormonprozesse, sondern auch eine häufig nicht wahrzunehmende Gedankenflut. Etwa 70.000 Gedanken hat der Mensch pro Tag, die meisten davon sind unterbewusst. Wenn es demnach etwas gibt, was in unserem »Ich« arbeitet und wühlt, werden wir uns häufiger damit beschäftigen, als wir denken. Nicht selten nehmen mentale Schwächen auch Einfluss auf Verletzungen. Der Glaube an sich selbst und an die eigene Gesundheit ist ein besonders wirksamer Faktor für eine volle Genesung.
Euer Berengar Buschmann