Das solltest du über die ischiocrurale Muskulatur wissen
Die ischiocrurale Muskulatur (engl. Hamstrings) sorgt für saubere Bewegungsabläufe und muss daher stark sein. Zudem ist diese Muskelgruppe höchst sensibel, weswegen eine Stärkung dieser Muskelpartie umso wichtiger ist. Prof. Dr. Thomas Gronwald und Prof. Dr. Thomas Ertelt über diese wichtige Muskelgruppe.
Eine starke und funktional arbeitende ischiocrurale Muskulatur ist eine der wichtigsten Komponenten für effektive Bewegungsabläufe des
Stütz- und Bewegungssystems.
Zur ischiocruralen Muskulatur gehören der zweiköpfige Oberschenkelmuskel (M. biceps femoris), der Plattsehnenmuskel (M. semimembranosus) und der Halbsehnenmuskel (M. semitendinosus). Im sportlichen Kontext fördert diese Muskelgruppe die Stabilität des Kniegelenks und der Körpermitte und sorgt durch ihre zweigelenkige Arbeitsweise für eine funktionale Kraftübertragung der unteren Extremitäten auf den Rumpf und der daraus folgenden sportartspezifischen Bewegungsaktion. Verletzungen der Hamstrings gehören zu den häufigsten Verletzungen im Sport, denen kein äußerer Einfluss oder Kontakt beispielsweise mit einem Gegenspieler vorausgehen muss.
In einer Langzeitstudie konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass im europäischen Profifußball pro 1 000 Stunden Belastung acht (!) Verletzungen in dieser Kategorie auftreten. Damit stehen Verletzungen der Hamstrings im Fußball, bezogen auf alle Verletzungsarten, an vorderer Stelle. Etwa 83 Prozent der Verletzungen an den Hamstrings entfallen dabei allein auf den zweiköpfigen Oberschenkelmuskel (M. biceps femoris), etwa 11 Prozent auf den Plattsehnenmuskel (M. semimembranosus) und etwa 5 Prozent auf den Halbsehnenmuskel (M. semitendinosus). Bezogen auf Wiederverletzungsraten, bewegt sich die Gefahr einer erneuten Verletzung der Hamstrings nach einem Monat trotz intensiver rehabilitativer Behandlung – abhängig von der Sportart – im Bereich von 16 bis 60 Prozent. Diese Wiederverletzungen betrafen in einer Studie jedoch ausschließlich den M. biceps femoris.

RISIKOFAKTOREN FÜR VERLETZUNGEN DER HAMSTRINGS
Die meisten Muskelverletzungen treten infolge einer (maximalen) exzentrischen bzw. nachgebenden Beanspruchung auf, wenn der Muskel maximal kontrahiert und gleichzeitig über seine anatomisch-funktionelle Länge hinaus gedehnt wird. Hamstringverletzungen sind zum Beispiel die Folge einer plötzlichen Hüftbeugung in Verbindung mit einer plötzlichen Kniestreckung. Beispielsweise ist die späte Schwungphase beim Laufen, verbunden mit der Bodenkontaktphase, eine besonders kritische Bewegungsphase. Es gibt eine Vielzahl von Risikofaktoren für das Auftreten von Hamstringverletzungen. Nach einer Hamstringverletzung ist der Muskel des jeweils betroffenen Beins deutlich verkürzt und das zu bewegende Gelenk ist in seiner Bewegungsreichweite eingeschränkt. Auch die Muskelfaszienlänge des M. biceps femoris ist in diesen Fällen verringert.
Die Gefahr einer Verletzung ergibt sich daraus, dass die Muskelspannung schnell ihr Maximum erreicht und damit der Muskel-Sehnen-Übergang stärker belastet wird.
Eine geringe exzentrische Muskelkraft und Belastbarkeit des Muskel-Sehnen-Apparats führt ebenso zu einem erhöhten Verletzungsrisiko der Hamstrings. Viele Trainingsprogramme konzentrieren sich ausschließlich darauf, die konzentrische Muskelkraft der Hamstrings zu trainieren, ohne dabei die exzentrische Kraftentwicklung zu berücksichtigen, die aber für eine sportartspezifische Belastbarkeit essenziell ist. Dies kann zu einem erheblichen Risikofaktor führen. Während die konzentrische Arbeitsweise für die Krafterzeugung wichtig ist, ist die exzentrische Kraft entscheidend, um Energie zu absorbieren. Die meisten Muskel- und Sehnenverletzungen, die ohne Kontakt mit einem Gegenspieler oder Hindernis auftreten, ereignen sich während des exzentrischen Teils einer Muskelaktion, wenn der Muskel-Sehnen-Apparat nur vermindert belastbar ist. Beim Sprinten und Springen werden die Hamstrings extrem exzentrisch beansprucht, um das Kniegelenk und das Becken zu stabilisieren. Zusammen mit einer verringerten Muskelfaszienlänge bildet eine verminderte exzentrische Muskelkraft der Hamstrings somit ein erhebliches Verletzungsrisiko
