Isometrisches Performance-Training
Schneller und stärker durch isometrische Vielfalt
Isometrisches Training ist seit einigen Jahren in aller Munde. Dennoch ist die Integration des Trainings zumeist nur in Rehabilitations-Settings zu finden. Warum das nicht sein muss und was die Isometrie für die Performance eines Athleten tun kann, erfährst du von Athletiktrainer Konstantin Stamm.
Fast jedem sind Formen des isometrischen Trainings auf seinem Weg als Trainer, Therapeut oder Sportler begegnet, doch nur selten in ihrer ganzen Vielfalt. Ob Extreme, Yielding, Overcoming oder Ballistic Isometrics – jede Form hat ihre ganz eigene Möglichkeit, das athletische Potenzial eines Athleten zu verbessern. Richtig angewendet, spannt sich dabei das gesamte Spektrum von früherer Rehabilitation bis zur höchsten Performance auf. Es ist – wie so oft – das individuelle Training und die damit zusammenhängende Programmierung des Trainings, die zwischen erfolgreicher, positiver Anpassung und Stagnation oder sogar Degradation der Leistungsfähigkeit führt. Letzten Endes ist das isometrische Training eines der Werkzeuge, die ein Trainer nutzen kann. Nicht mehr und nicht weniger.
Vielfalt statt Einfalt – Überblick über die Formen des isometrischen Trainings
Die bekannteste isometrische Trainingsform ist wohl jene, in der ein Athlet eine bestimmte Position für einen bestimmten Zeitraum halten muss. Diese Form beinhaltet die Fähigkeit des Athleten, einen bestimmten Widerstand – das eigene Körpergewicht oder ein externes Gewicht wie eine Hantel – zu halten und dabei die „perfekte“ Form zu wahren. In den allermeisten Fällen wird dies vergleichsweise extensiv mit niedrigen Intensitäten getan. Der Vorteil – allerdings gilt dies für alle Formen isometrischen Trainings – ist die geringe Verletzungsgefahr passiver Strukturen. Durch Verletzungen in ihrer Belastungstoleranz negativ bedingte Gelenke, Sehnen und Bänder können geschont und bereits früh in der Rehabilitation notwendige Reize auf Muskulatur und Sehnen gesetzt werden.1
Doch diese eher niedrig-intensive Form des Trainings stellt nur einen kleinen Teil der Palette isometrischen Trainings dar. Zur besseren Übersicht soll die nachfolgende Darstellung die ganzen isometrischen Trainingsmöglichkeiten aufzeigen. Anhand der Grafik ist es möglich, in aller Kürze einen Überblick über die Formen, ihre Durchführung und Anpassungsmechanismen zu gewinnen. Aus der Grafik können dann entsprechende Integrationen in das eigene Training oder das der trainierten Sportler erfolgen.

Wem die übergeordneten Begriffe nichts sagen sollten, dem hilft vielleicht eine kurze Definition der Haupttrainingsformen:
• Gehaltene: Der Sportler versucht, eine Position möglichst „perfekt“ für eine bestimmte Zeit zu halten.
• Nachgebende: Der Athlet hält eine Position unter Zunahme von zusätzlichem Gewicht. Je nach Programmierung muss der Athlet jedoch nachgeben, sodass es zu einer exzentrischen Belastung der Agonisten kommt. Ersichtlich wird dies aus der Tabelle in der Möglichkeit, lediglich ein 1-Satz-Training durchzuführen, das zur totalen Erschöpfung („until failure“) führt.
• Überwindende: Der Athlet versucht unter maximaler Kraftanstrengung, einen Widerstand zu bewegen, der oberhalb seines konzentrischen 1RM liegt und somit nicht zu überwinden ist.
• Ballistisch-Überwindende: Eine Unterform des überwindenden isometrischen Trainings ist jenes, in welchem der Athlet explosiv versucht, das nicht zu überwindende Gewicht zu bewegen. Diese Unterform wird zur stärkeren Fokussierung auf eine Entwicklung der Rate der Kraftentwicklung (RFD) und der maximalen Kraft (Peak Force) genutzt.
Während in der Tabelle die möglichen Adaptionen übersichtlich dargestellt sind, so lohnt sich ein Blick in die sich mit dieser Thematik beschäftigende Forschung. Im Jahr 2019 stellten zwei Meta-Studien2, 3 die bisherigen Untersuchungsergebnisse wie folgt dar:
1. Isometrisches Training eignet sich besonders zur Stärkung der trainierten Gelenkwinkel (+/- 15 %). Ein Training mit größerer Range-of-Motion (ROM) zeigt dabei einen besseren Transfer auf die gesamte ROM als eines in einer kleineren.
2. Ist das Ziel des Trainings die Hypertrophie der trainierten Muskeln, sollte das Training mit möglichst großer ROM stattfinden.
3. Isometrisches Training führt zu einer verbesserten neuromuskulären Aktivierung der Muskulatur. Mit anderen Worten: Es verbessert die Feuerrate der Motoneuronen (ausführenden Nervenzellen), die Rekrutierung von Muskelfasern und die Fähigkeit, Kraft schnell zu produzieren (RFD). Letztes gilt vor allen Dingen dann, wenn das Training hochintensiv und/oder ballistisch durchgeführt worden ist.
Aber verbessert es mich denn wirklich in meiner Sportart?
Natürlich können Kritiker nun anbringen, dass die obigen Forschungsergebnisse nicht unbedingt einen Transfer auf die in der Sportart stattfindenden Bewegungen erlauben. Ob Sprints, Sprünge oder andere explosive Bewegungen – der Transfer von eher generellen Übungen ist ein Dauerstreitthema unter Trainern. Ebenso jenes, ob isometrische Übungen und dynamische Bewegungen miteinander in Verbindung stehen. Und doch deuten Forschungsergebnisse mit gut trainierten Sportlern auf einen Transfer isometrischer Trainingsmethoden hin.
Zum einen zeigte 2018 eine Studie mit gut trainierten Floorball-Athleten, dass diese nach nur zwölf Trainingseinheiten (ballistisch-isometrisch durchgeführte Übungen) höher springen und schneller sprinten konnten.4 Sicherlich eine nicht ganz unwichtige Fähigkeit, die dann ermöglicht, auch mit dem Ball schneller zu laufen (Fertigkeit). Zum anderen überzeugen Ergebnisse aus einer Untersuchung von 20215 mit Nationalkader- und College-Kanuten. Jene, welche die Hälfte ihres Trainingsvolumens mit ballistisch durchgeführten isometrischen Übungen ersetzten, verbesserten ihre 200-m-Zeit um etwa 15 Prozent. Dahingegen verbesserte sich die nach einem Best-Practice-Modell „traditionell“ trainierende Gruppe lediglich um circa 8 Prozent. Ein beachtlicher Unterschied.
Natürlich stehen diese Ergebnisse für einzelne Studien und sollten niemals verallgemeinert werden. Und doch stellen sie deutlich dar, dass selbst gut trainierte Athleten – oder vielleicht besonders die? – von der Implementierung isometrischen Trainings profitieren können. Ob die Integration dieser Art des Trainings lohnend ist, muss am Ende immer jeder selbst durch Experimentieren herausfinden. Nur als kleiner Gedankenanstoß sollen als Abschluss einige Übungen dargestellt werden, die im Training vieler Sportler Anwendung finden können.
Eine Auswahl an isometrischen Übungen
Die folgenden Übungen stellen eine kleine Auswahl an Übungen dar, die ich gerne im Training mit meinen Athleten – die meisten sind Ballsportler – nutze. Grundsätzlich lässt sich jede bekannte Übung in eine isometrische umwandeln, da sich isometrisch letztlich nur auf die genutzte Arbeitsform der Muskulatur bezieht.
Die Vorteile von isometrischen Trainingsformen sind die einfache Anwendung, die sehr kurze Lerndauer und die geringen Equipment-Ansprüche. Aus den Bildern geht vor allem der letzte Punkt deutlich hervor. Ein Spanngurt, das eigene Körpergewicht und eine moderat schwere Kettlebell können schon ausreichend sein, um ein intensives Training zu ermöglichen. Sollte es also einmal keinen Zugang zu schweren Gewichten geben, ist auf diese Weise – durch Einsatz überwindender isometrischer Übungen – ein Training der Maximalkraft ganz einfach möglich. Mithilfe einer mittelschweren Kettlebell lassen sich zudem durch den Einsatz von gehaltenen Varianten des isometrischen Trainings Hypertrophiereize setzen. Das ganze oben in der Tabelle dargestellte Spektrum – von Rehabilitation bis Performance – lässt sich mit begrenztem Equipment abdecken.
Ein weiterer positiver Aspekt ist die hohe Sicherheit der isometrischen Übungen, die damit auch für eher kleine Muskeln ein Maximalkrafttraining ermöglichen. Eine solche ist etwa auf dem letzten Foto oben links zu sehen, das eine Übung für die Schulterblattmuskulatur zeigt. Häufig sind es solche Muskeln, die trotz hoher Belastungen in Wurf- und Schlagsportarten hauptsächlich niederschwellige Reize im Athletiktraining erfahren und damit nicht selten überlastet werden. Selbiges gilt für den Rumpfbereich, bei dem der Fokus des Trainings zumeist extensiv ist und hohe Wiederholungszahlen den Hauptteil der Arbeit bilden. Dabei muss doch die Frage gestellt werden: Sollten nicht alle Muskeln des Körpers in ihrer Maximalkraft trainiert werden?
Abschließend wünsche ich „Viel Spaß“ beim Ausprobieren der gezeigten Übungen und beim Experimentieren mit den verschiedenen Methoden des isometrischen Trainings.







Konstantin Stamm ist selbstständiger Athletiktrainer und Spezialist für die Entwicklung explosiver athletischer Fähigkeiten. Seine 2019 gegründete Unternehmung „Reach Your Potential“ in Hamburg integriert dabei neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in die Trainingspraxis. Bereits über 100 Athleten verschiedenster Ballsportarten bis hin zu Bundesliga-Akteuren konnten von seiner Methode profitieren. www.athletiktrainer-koko.com
Quellenverzeichnis:
1 Oranchuk, D. J., Storey, A. G., Nelson, A. R., Cronin, J. B. (2019). Isometric training and long-term adaptations: Effects of muscle length, intensity, and intent: A systematic review. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 29(4), 484–503.
2 ebd.
3 Lum, D. & Barbosa, T. M. (2019). Brief Review: Effects of Isometric Strength Training on Strength and Dynamic Performance. International Journal of Sports Medicine, 40(6), 363–375.
4 Lum, D. & Joseph R. (2018). Effects of 2 Isometric Strength Training Methods on Jump and Sprint Performance, International Conference of Strength Training.
5 Lum, D., Barbosa, T. M. & Balasekaran G. (2021). Sprint Kayaking Performance Enhancement by Isometric Strength Training Inclusion: A Randomized Controlled Trial, Sports (Basel), 9(2):16.
Fotolocation: Medical School Hamburg