Teil 1 – Höher, schneller, weiter
Vor etwa 30 Jahren galt das Krafttraining im Sport häufig noch als kontraproduktiv. In Zeiten des Bodybuilding-Booms dachte man, dass zuviel Muskelmasse zu langsameren und verletzungsanfälligeren Athleten führe. Heute weiß man von den verschiedenen positiven Effekten der intensiven Kraftentwicklung (Maximalkraft) im Bezug auf andere Leistungskomponenten (Reaktivkraft, Schnellkraft, Kraftausdauer). Athleten beschleunigen schneller, springen höher und weiter, bewegen sich agiler oder sind bei smartem Einsatz von Krafttraining in verschiedenen Bereichen verletzungsresistenter.
Krafttraining im Sport – Reaktiv- und Maximalkraft
Neben Trainingsformen wie dem Schnellkrafttraining, das zum Beispiel mit Olympischen Bewegungen wie dem Umsetzen (Clean) oder dem Reissen (Snatch) trainiert werden kann, ist vor allem auch das Training zur Verbesserung der Reaktivkraft wichtig. Diese Fähigkeit verbessert die neuronale Ansteuerung von Bewegungen (schnelle Kontraktionsfähigkeit durch Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus). Bewegungen wie Sprints, Sprünge oder Richtungswechsel können so schneller und leistungsfähiger abgerufen werden. Dieser Effekt setzt neben einer ausreichenden Mobilität (zum Beispiel der dorsalen Kette bei bi- oder unilateralen Sprüngen) vor allem eine reaktive Spannungsfähigkeit des Muskels und eine hohe Maximalkraft voraus.
Dysbalancen und Asymmetrien prüfen
Um einen Athleten wirklich stärker machen zu können, müssen verschiedene Grundvoraussetzungen geklärt sein. Neben einem verletzungsfreien Bewegungsapparat sollte der Sportler auch keine großartigen muskulären Dysbalancen oder Asymmetrien aufweisen. Diese sollte der Trainer zu Beginn einer Betreuung durch verschiedene Tests wie dem „Functional Movement Screening“ überprüft und zu einem gewissen Maße korrigiert haben. Andernfalls stören intensive Bewegungen die neuronalen Bewegungsmuster und können zu weiteren Kompensationen und zu zukünftigen Beschwerden oder sogar Verletzungen führen.
Falls ein Athlet keine groben Einschränkung in seinem funktionellen Bewegungsspektrum hat, kann auch mit ihm intensiv trainiert werden. Das menschliche fundamentale Bewegungsmuster kann in 5 Kategorien eingeteilt werden, die auch alle in einem sinnvollen Trainingsplan für das Krafttraining im Sport vorkommen:
- Upper Body Pull (Oberkörperzugbewegungen)
- Upper Body Push (Oberkörperdrückbewegungen)
- Squat (Kniebeugebewegungen)
- Hinge (Hüftbeugebewegungen)
- Core (Rotations- und Antirotationsfähigkeiten)
Trainingszustand und Periodisierung
In welcher Intensität der Sportler sein Krafttraining im Sport durchführen sollte, kann man pauschal nicht sagen. Je nach Trainingszustand und Periodisierung muss hier eine adequate Trainingsintensität gewählt werden. Wichtig ist, herauszufinden, wo seine eventuellen Schwachpunkte versteckt sind. In vielen Fällen ist dies die Fähigkeit zur maximalen Kraftentfaltung. Die grundlegende Kraftentfaltung der oben genannten Kategorien steht hier im Fokus des Krafttraining im Sport.
1. Upper Body Pull: Der Pull-Up (Klimmzug)
Diese Übung ist hervorragend, um die Oberkörperzugbewegungen zu trainieren. Sie stärkt neben den Armen (inkl. Griffkraftverbesserung) und Schultern vorallem den breitesten Rückenmuskel (m. Latissimus dorsi), der alles Verbindung zur Thoracolumbaren Faszienstruktur die Stabilität der Hüfte deutlich mitbeinflusst.
Wir empfehlen erst die supinierte Version (Handflächen zeigen zu euch, Handdistanz entspricht ungefähr der Schulterbreite) durchzuführen.
2. Upper Body Push: Double Kettlebell Overhead Press (Überkopfdrücken mit den Kugelhanteln)
Eine ideale Art und Weise, die Oberkörperdrückbewegungen an die Grenzen zu bringen und dabei die Schulterblätter medial kaudal durch die vertikale Kompression der Kugeln richtung Boden stabil zu halten. Ebenfalls haben wir durch die unilaterale Ansteuerung an die Propriozeptoren der Armachsen einen verstärkten Effekt auf die lokalen Stabilisatorenmuskeln dieser Kette. Die Kettlebells werden nach jeder Wiederholung in die Ausgangsposition (Front-Rack-Positon) zurückgebracht. Die Schultern sind dabei aktiv nach hinten unten zu fixieren.
3. Squat Pattern: Der Boxsquat (tiefe Kniebeuge auf eine Box)
Um vorallem die Antrittsgeschwindigkeit zu verbessern, trainieren wir mit einer Boxsquat die Knie- und Hüftstreckerschlingen. Wichtig ist, über ausreichend Mobilität in der dorsalen Kette zu verfügen, um den lumbaren Bereich auch in einer tiefen Kniebeuge fixiert zu halten. Die Halswirbelsäule wird dabei stabil (als Verbindung zur Wirbelsäule) gehalten. Haltet den Blick stets unten, um Hyperlordosen im HWS-Bereich zu vermeiden. Die Füße sollen auf ca. 30° Aussenrotation und zw. Schulter- und Hüftbreite stehen. Durch diese „open Hip Position“ entlasten wir sagital die Fußgelenksanforderungen und setzen auch die Innenrotatoren- und Adduktorengruppe als Hüftstrecker mitein.
4. Hinge Pattern: Der Deadlift (Kreuzheben)
Viele Athleten unterschätzen die Wichtigkeit der dorsalen Hüftstrecker. Dennoch ist es wichtig, vorallem im Hüftbereich mobil zu sein, und das Becken in neutraler Stellung fixiert zu halten. Falls wir uns in eine Beckenkippende Position (durch Hohlkreuzmuster) bewegen, verlieren wir die Aktivität der Gesäß- und der Bauchmuskulatur. Wir versuchen also, diese beiden Bereiche stets aktiviert zu halten, um den Lumbus neutral stabilisiert zu halten. Auch hier wird der Kopf in Verbindung zur Wirbelsäule gehalten.
5. CORE: (Anti-Rotation oder Rotation)
Als Übung zur Verbesserung der Rumpfmuskulatur können verschiedene Varianten von Chop & Lifts (Gray Cook Band), Kettlebell Carries oder auch isometrischen Stützübungen wie Planks (Unterarmstütz) oder Hipbridges (Hüftbrücken). Mit forgeschrittenen Athleten können je nach Sportart auch dynamische Bewegungen wie Medizinballwürfe (zwei oder einbeinig) durchgeführt werden.
Als Trainingsplanbeispiel wollen wir eine typische Off-Season Kraftperiodisierung (Fokussierung auf exzentrische Reize) Wir setzten ein adequates Warm-Up von mindestens 20 Minuten voraus. In diesem sollten bereits mehrdimensionale Bewegungsreihen durchgeführt, spezielle Schwachstellen durch eventuelle Corrective Exercises entgegengewirkt und auch das Kardio-vaskuläre System vorbereitet sein.
Euer Chris Gamperl