Was sind die Unterschiede zwischen Wettkampf und Fitness-Kettlebells?
Die beiden Kettlebells unterscheiden sich in Material und in der Form, es sind zwei verschiedene Arten.
Die Fitness Kettlebell wird aus Eisen gegossen und mit zunehmendem Gewicht wird der Kugelkörper größer. Und der Griff wird auch bis zu einem gewissen Grad dicker. Das heißt, je schwerer die Kugel, desto dicker wird die Kugel.
Bei den Wettkampf- oder Competition-Kettlebells ist die Größe mehr oder weniger genormt. Das heißt, sie haben einen großen Kugelkörper aus Stahl. Die Gewichte sind gleich groß, werden nur unterschiedlich gefüllt. Sie haben also die gleichen Ausmaße, aber unterschiedliche Gewichte. Außerdem sind sie aus Stahl. Zudem ist der Abstand vom Griff zum Kugelkörper geringer, der Griff liegt also enger am Köper bzw. am Arm. Das bedeutet, die Kugel wackelt weniger bei schwungvollen Übungen am Arm, was u. a. Energie einspart.
Der Wettkampf ist ja so gestaltet, dass man ein bis drei Übungen macht:
- Snatch (Reißen)
- Jerk (Stoßen)
- Long Cycle Clean and Jerk (langer Zyklus vom Stoßen)
Der Wettkampf ist wie Gewichtheben nur als Kraft-Ausdauer-Wettkampf angelegt. Beim Gewichtheben geht es ja darum, möglichst viel Gewicht einmal Überkopf zu bringen. Wer das höchste Gewicht stemmt hat innerhalb seiner Gewichtsklasse gewonnen.
Beim Kettlebell-Wettkampf geht es darum, dass man innerhalb der Gewichtsklassen die Gewichte innerhalb von 10 Minuten möglichst häufig Überkopf bringt. Das heißt, wer die meisten Wiederholungen schafft hat gewonnen. Die Männer haben beim Stoßen und langen Zyklus je nach Klasse 24 bis 32 kg in einer Hand. Man darf nicht absetzen und dann wird 10 Minuten lang durchgehend Überkopf gestoßen. Beim Reißen hat man eine 24 bis 32 kg Kugel. Ansonsten gilt das gleiche, man muss die Kugel in 10 Minuten möglichst häufig Überkopf bringen. Auch beim Reißen darf man die Kugel nicht absetzen und es ist nur ein Handwechsel in den zehn Minuten erlaubt. Das heißt, man reißt die Kugel jeweils etwa 5 Minuten so oft wie es geht Überkopf.
Bei den Frauen wiegen die Wettkampfgewichte je nach Klasse 16 bis 20 kg. Mittlerweile gibt es auch schon einhändige Varianten der Wettbewerbe oder auch mit niedrigeren Gewichten.
Unterscheiden sich die Übungsausführungen mit der Wettkampf- oder der Fitness-Kettlebell?
Die Übungsausführung ist in der Regel unterschiedlich. Der Wettkampf ist Leistungssport. Man kann das grob mit Schwimmen und Turnen vergleichen: Beim Wettkampfschwimmen geht es darum, dass man nur die nötigsten Muskeln anspannt und nicht alles auf einmal. Beim Turnen sollten – vereinfacht ausgedrückt – möglichst viele Muskeln gleichzeitig angespannt werden. Wir haben also quasi Schwimmen und Turnen beim Kettlebell-Training.
Das fitnessorientierte Kettlebel-Training ist eher wie Turnen. Man aktiviert möglichst viel Muskulatur. Es ist eher auf Kraft, Power und Explosivität ausgelegt – schnellkräftig oder spannungsbetont bei den langsamen Kraftübungen. Und das wettkampforientierte Kettlebell-Training ist mehr ein (Kraft-)Ausdauer-Training. Da muss man möglichst lange durchhalten. Die Technik ist also so, dass man möglichst viel mit Schwung und möglichst wenig aus Muskelkraft heraus arbeitet. Immer nur so viel Kraft wie nötig einsetzt. Und man versucht, sich innerhalb der 10 Minuten immer wieder so viel wie möglich zu entspannen, damit man die Zeit durchhält. Man kann es auch mit dem Laufen vergleichen: Wenn man Stoßen und Reißen im Fitness und Wettkampfbereich vergleicht, wäre das ungefähr so, als wenn man den 200 m Sprint mit einem Halbmarathon vergleicht. Beide laufen, aber die einen geben Vollgas und die anderen müssen sich die Kraft einteilen. Das ist eigentlich der Hauptunterschied. Man arbeitet bei der Wettkampftechnik eigentlich noch mehr aus dem ganzen Körper heraus und das muss auch sehr sehr gut geschult werden. Beim Erlernen braucht man eine noch höhere Köperbeherrschung, wenn man die Wettkampftechnik macht, als wenn man im Fitness-Bereich trainiert.
Meine Erfahrung ist die, dass man schneller die Körperbeherrschung lernt, wenn man erst den fitness-, spannungsorientierten Stil wählt. Anschließend kann man es einfacher auf den Wettkampfbereich umsetzen. Ich hatte in Seminaren mehrere Teilnehmer, die erst die Wettkampftechnik gelernt haben und dann über Rückenprobleme klagen, weil sie die Lendenwirbelsäule nicht stabilisieren konnten. Das muss nicht sein, aber die Gefahr ist schon da, weil sie die grundlegenden Körperspannungsmuster nicht gelernt haben. Da muss man viele Vorübungen vorher machen.
Die Fitness-Übungen sind so aufgebaut, dass Körperspannung und Core-Stabliltät trainiert werden und der Rücken stabilisiert wird. Ist es beim Wettkampf eher wie beim Gewichtheben, dass die Bewegung in Schritten gelernt wird?
Die Bewegung wird grundsätzlich in Schritten gelernt, aber man benötigt vorher schon eine sehr gute Köperbeherrschung, damit man den ganzen Körper wirklich so einbezieht und nicht einzelne Teile überlastet.
Beim Schwingen oder Reißen mit der Fitnesskettlebell wird sehr darauf geachtet, dass die Schulter nach unten gezogen wird, das der Rumpf stark angespannt ist, man arbeitet noch viel über die Gesäßspannung sowie die explosive Hüftstreckung. Bei der Wettkampftechnik macht man teilweise mehr aus dem Rücken heraus, es ist alles viel lockerer, so dass die Kugel aus dem ganzen Körper nach oben geschwungen wird. Da achten viele nicht unbedingt auf die Körperspannung oder wie die Schulter funktioniert. Das wird zwar vorausgesetzt, aber man muss darauf achten und auf jeden Fall einen Trainer habe, der einem diese beibringt. Auch die Atemmuster sind bei beiden Stilen komplett gegensätzlich. Während beim Wettkampftraining im Moment der höchsten Spannungen eingeatmet wird, ist es beim spannungsorientierten Stil genau umgekehrt.
Macht der geringere Abstand zwischen Griff und Kugelkörper Swing oder Clean einen Unterschied in der Ausführung?
Man hat ja beim Snatch und beim Jerk, also bei Stoßen und beim Reißen, im Wettkampf sehr hohe Wiederholungszahlen. Um da möglichst energiesparend über die zehn Minuten zu kommen, müssen die Bewegungen sehr präzise und immer wieder die gleichen sein. Auch im gleichen Tempo. Wenn man einen Halbmarathon oder einen Marathon nimmt, dann läuft man mehr oder weniger im gleichen Tempo. Man macht keine Sprints zwischendurch. Je enger die Kettlebell am Arm liegt, desto weniger kann sie beim Weg nach oben am Handgelenk schlackern. Das würde zu Kraftverlusten führen. Je enger die Kugel anliegt, desto besser kann man sie hochführen. Man spart mehr Energie und schafft mehr Wiederholungen.
Kann man also sagen, das die Fitness-Kettlebell für den Fitnesssportler besser ist, weil sie mehr Ausgleichsbewegungen fordert und den Körper insgesamt mehr fordert?
Das muss nicht unbedingt sein. Es ist eher Geschmackssache. Ich kann nicht sagen, dass die eine oder andere besser ist. Es hängt von der Sportlerin oder dem Sportler ab, was man als komfortabler empfindet.
Die Vorteile bei der Fitness-Kugel liegen ganz klar darin, dass die Grifföffnung größer ist und der Griff breiter. Beim Fitness-Training mit der Kettlebell wird der beidhändige Swing gemacht und den kann man besser mit der Fitness-Kettlebell ausführen.
Beim Wettkampftraining gibt es kein beidhändiges Fassen, da wird alles nur einhändig gemacht. Deswegen ist der Griff entsprechend schmaler. Der Griff eignet sich besser für einhändige Übungen, aber nicht so gut für beidhändige Schwünge.
Die Wettkampfkettlebells sind in der Größe genormt. Bringt das für das Training bzw. die Technik einen Vorteil?
Es hat den Vorteil, wenn die Technik erlernt, dass man sich vom Volumen der Kugel nicht umstellen muss. Egal welches Gewicht man hat, sie liegt immer genau gleich am Körper an.
Die Fitnesskugeln liegen aufgrund der unterschiedlichen Größen immer anders an. Da muss man sich dann schon umstellen.
Ein weiterer Vorteil, wenn man z. B. die Wettkampfkugel nimmt, haben diese alle einen großen Boden. Das bedeutet, man kann sie sehr gut standfest abstellen und dann z. B. Liegestütz darauf machen. Bei den Fitness-Kettlebells geht das erst ab einer gewissen Größe, weil diese sonst leichter Umkippen.
Man kann den Swing eher wettkampforientiert durchführen, da wird er als Vorbereitung genommen. Oder fitnessorientiert. Da ist immer die Frage, ist das eine besser oder das andere. Die Antwort ist immer: Es kommt darauf an, was Du erreichen möchtest.
Wenn ich eher die Langzeitausdauer trainieren will, z. B. ein paar Minuten Schwungübungen machen will, bietet es sich an, kraftsparender zu arbeiten und die entspanntere Wettkampftechnik anzuwenden. Dann wird die Atmung anders eingesetzt, eigentlich ist die ganze Technik ist anders, weil alles viel entspannter ist.
Wenn ich mit hohen Gewichten arbeite, mehr auf Power und Explosivität ausgerichtet, dann würde ich eher die spannungsorientierte Variante wählen. Wenn ich ein kurzes hochintensives knackiges Intervalltraining mache, dann würde ich eher spannungsorientiert trainieren. Bei den Schwungübungen ist dann die Atmung funktionell. Wenn man die Kugel zwischen die Beine schwingt atmet man ein. Oben am höchsten Punkt der höchsten Anspannung atmet man wieder aus.
Beim Wettkampfswing ist die Atmung biologisch, d. h. ich atme am unteren Punkt aus wenn der Oberkörper sich zusammenzieht und am oberen Punkt atme ich ein. Das ist auch immer entspannender. Es ist also von der Technik anders.
Kann man da einfach umschalten?
Das Umschalten geht, wenn man die Technik beherrscht. Für Einsteiger, im Athletiktraining und im Reha-Sport würde ich eher die spannungsbetonte Variante wählen. Da habe ich einfach die Erfahrung, dass man das schneller lernt. Wer das Spannungsbetonte zuerst lernt, lernt den Körper in allen Bereichen zu stabilisieren und kann dann leichter umschalten auf das andere. Umgekehrt ist das häufig schwieriger.
Euer Dr. Till Sukopp