Ergonomie
Das moderne Leben ist der Gesundheit des Psoas-Muskels nicht unbedingt zuträglich. Den größten Teil der Zeit verbringen wir im Sitzen. Wir fahren zur Arbeit, sitzen den ganzen Tag auf einem Bürostuhl oder einem anderen Sitzmöbel, fahren sitzend nach Hause, setzen uns dort zum Essen an den Tisch und verbringen anschließend den restlichen Abend vor dem Fernseher oder dem Computer. Mit all diesen sitzenden Positionen ist die Verkürzung des Psoas vorprogrammiert.
Der Psoas ist nicht das einzige Opfer des ewigen Sitzens. Der bewegungsarme Lebensstil birgt zudem das Risiko, übergewichtig oder sogar fettleibig zu werden, an Diabetes Typ 2, Krebs, Herz-Kreislauf Erkrankungen zu erkranken oder sogar früh zu sterben. Wenn du einer Bürotätigkeit nachgehst, kannst du verschiedene Dinge tun, um die Ergonomie deines Arbeitsplatzes so zu verändern, dass diese der Gesundheit deines Psoas-Muskels dient. Möglicherweise wirst du sogar feststellen, dass sich diese Veränderungen positiv auf deine Arbeitsabläufe und deine Produktivität auswirken und dir dabei helfen, ein gesundes Gewicht beizubehalten.
- Überlege dir, ob du dir einen Stehschreibtisch anschaffst. Auf diese Weise kannst du immer wieder aufstehen und deine Arbeit im Stehen verrichtest, ohne dass deine Produktivität darunter leidet. Für diesen Tisch sollten Sie sich allerdings auch einen passenden Stuhl in Barhockerhöhe anschaffen, da ganztägiges Stehen genauso ungesund ist wie ganztägiges Sitzen und Schmerzen im unteren Rücken, den Knien und Füßen verursachen kann
- Sende Kollegen im gleichen Gebäude – nach Möglichkeit – keine E-Mails, sondern suche sie in ihrem jeweiligen Büro auf. Eine Untersuchung, die im Magazin Science veröffentlicht wurde, hat ergeben, dass Menschen, die sich den ganzen Tag bewegen, stehen oder herumlaufen, im Verlauf des Tages 350 Kalorien mehr verbrennen als Menschen, die den ganzen Tag sitzen. Beide Testgruppen nahmen für das Experiment jeden Tag zusätzliche 1000 Kalorien zu sich und trieben keinen Sport. Nur die Gruppe, deren Teilnehmer den ganzen Tag in Bewegung waren, konnte eine Gewichtszunahme vermeiden. Diese und andere Untersuchungen haben bestätigt, dass ständige Bewegung besser ist als vereinzelte sportliche Aktivitäten bei einem ansonsten bewegungsarmen Lebensstil.
- Tausche deinen Bürostuhl nicht gegen einen Fitnessball aus. Entgegen der Fitnesswerbung und den Ratschlägen einiger Sportler verbrennst du weder zusätzliche Kalorien, wenn du den ganzen Tag auf einem Ball sitzt, noch aktivierst du deine Bauchmuskeln. Stattdessen kann das zu einer Verkürzung des Psoas führen, weil dieser sich ständig zusammenziehen muss, damit du das Gleichgewicht auf dem Ball halten kannst.
- Mache mehrmals am Tag Dehnübungen für den Psoas, wenn du den ganzen Tag sitzen musst. Zu den besten Übungen gehören Ausfallschritte im Stehen und im Gehen, Dehnübungen für den Quadrizeps, die Baumstellung aus dem Yoga und der V-Sitz.
Für diese Übungen brauchst du keine speziellen Geräte und auch nicht viel Platz. Du musst dich dafür auch nicht auf den Boden legen, was im Büro unter Umständen nicht so angemessen ist. Wenn du einer sitzenden Tätigkeit nachgehst, prüfe, ob dein Psoas gesund ist, indem du die zuvor erwähnten Kraft- und Flexibilitätstests machst.
Sport
Körperliche Aktivität fördert einen gesunden Psoas, indem die Blutzirkulation und die Sauerstoffzufuhr sowie die Beweglichkeit der Muskeln und Gelenke verbessert werden. Neben der sportlichen Betätigung solltest du dich im Verlauf des Tages mehr bewegen, vor allem wenn du einer sitzenden Tätigkeit nachgehst. Versuche, an den meisten Tagen, wenn nicht sogar täglich, 30–60 Minuten pro Tag ein Herz-Kreislauf-Training mittlerer Intensität zu absolvieren, gefolgt von 20–30 Minuten Krafttraining. Sport muss nicht endlose Stunden auf einem Laufband bedeuten. Es gibt unzählige Wege, deine körperliche Aktivität zu steigern. Überlege dir, eine oder zwei dieser Freizeitaktivitäten neben deiner bereits bestehenden sportlichen Routine in deinen Wochenablauf zu integrieren. Ob als Freizeitbeschäftigung oder für ein bewusstes Fitnesstraining, wähle möglichst mehrere dieser Aktivitäten aus. Auf diese Weise entwickelst du eine größere Bandbreite an Bewegungen. Das hilft auch, Verletzungen durch Überbeanspruchung vorzubeugen. Letztlich ist der Sport, der dir am meisten Spaß macht, die beste aerobe Aktivität.
Schlaf
Die Bedeutung eines gesunden Schlafs kann gar nicht überbewertet werden. Ein Minimum von acht Stunden Schlaf mag als Luxus erscheinen, ist für deine Gesundheit aber von ganz wesentlicher Bedeutung. Ein angemessener Schlaf verbessert die Hormonregulierung und trägt zu einem stabilen Körpergewicht bei, wohingegen Schlafmangel Hungergefühle erzeugt und den Sättigungsmechanismus behindert, die Motivation sowie die Fähigkeit zu körperlicher Betätigung beeinträchtigt. Das ist schon deshalb eine unglückliche Kombination, weil Sport die Schlafqualität verbessert. Schlafmangel führt dazu, dass der Betroffene weniger Sport treibt, und das wirkt sich wiederum negativ auf die Schlafqualität aus. Ein schlechter und/oder nicht ausreichender Schlaf trägt auch zu chronischen Schmerzen und einer beeinträchtigten Schmerztoleranz bei. Beides kann den Schlafmangel weiter verschlimmern. Schlaf und Schlafmangel sind ganz eindeutig ein wechselseitiges Problem; die Entwicklung eines gesunden Schlafs hat zahlreiche positive Effekte. Hier einige einfache Schritte, mit denen du deine Schlafgewohnheiten verbessern kannst:
Sorge dafür, dass in deinem Schlafzimmer schlaffördernde Bedingungen herrschen: Die optimale Raumtemperatur für einen gesunden Schlaf beträgt zwischen 18 und 22 Grad Celsius. Der Raum sollte dunkel, aber nicht pechschwarz sein. Verdunkelnde Jalousien können hilfreich sein. Entferne Geräte, die Licht aussenden – Wecker, Telefone und auch Ladegeräte. Ein Ventilator, der die Luft zirkulieren lässt, kann zu einer verbesserten Atmung führen, und er erzeugt neutrale Geräusche, die akustische Ablenkungen übertönen, die die Schlafqualität beeinträchtigen können.
Benutze vor dem Schlafengehen keine Bildschirme: Das blaue Licht, das Fernseher, Computer, Tablets und Mobiltelefone aussenden, verringert die Ausschüttung von Melanin, das dazu beiträgt, dass du schläfrig wirst. Stelle – nach Möglichkeit – alle elektronischen Geräte und LED-Lampen ab und ersetze sie durch gedämpftes, warmes Licht. Selbst eine Kerze anstelle einer LED-Lampe kann die Schlafqualität verbessern.
Sorge für einen gleichmässigen Schlafrhythmus: Stehe nach Möglichkeit jeden Tag zur selben Uhrzeit auf und gehe zur selben Uhrzeit ins Bett – am besten auch am Wochenende. Das verbessert ebenfalls die Schlafqualität und fördert einen tieferen Schlaf. Und wenn du gut ausgeruht bist, wirst du gar nicht den Wunsch haben, an deinem freien Tag lange zu schlafen.
Reduziere deinen Alkoholkonsum: Wenn du einige Gläser Alkohol trinkst, um besser einschlafen zu können, kann sich das zum Bumerang entwickeln. Ein einziges Glas dagegen hat laut einer Studie, die in der Fachzeitschrift Electroencephalography and Clinical Neurophysiology veröffentlicht wurde, womöglich weder eine Einschlafwirkung noch verbessert es die Schlafqualität.
Nehme eine gesunde Schlafposition ein: Wenn du dich zu stark in eine Fötalhaltung zusammenkauerst, kann das zur Verkürzung des Psoas beitragen. Wenn du auf dem Bauch schläfst, kann das zu einer Überdehnung des Psoas und einem Hohlkreuz führen. Am besten schläfst du auf dem Rücken oder auf der Seite und hältst deine Wirbelsäule in einer neutralen Position.
Treibe täglich Sport: Selbst wenn du keine Lust hast oder dich schlecht fühlst, kann ein wenig sportliche Betätigung am Tag die Schlafqualität verbessern. Wenn du unter Schlaflosigkeit leidest, schlecht einschlafen kannst oder Durchschlafschwierigkeiten hast, kann täglicher Sport zur Verbesserung der Schlafqualität beitragen und den Wunsch nach körperlicher Betätigung an den darauffolgenden Tagen steigern.
Der Psoas-Muskel und ausreichende Hydrierung
Dehydrierung hat zahlreiche negative Effekte, ihre Wirkung auf die Skelettmuskeln wird außerhalb von medizinischen Fachzeitschriften jedoch selten erwähnt. Eine schlechte Hydrierung beeinträchtigt bekanntermaßen die Muskelkraft und Muskelausdauer. Ihre negative Wirkung auf die Körperhaltung ist subtiler, aber gleichermaßen bedeutend. Eine Studie, die in der Fachzeitschrift Neuroscience veröffentlicht wurde, untersuchte die Effekte der Hydrierung auf die Kontrolle der Körperhaltung und kam zu dem Ergebnis, dass eine schlechte Hydrierung, vor allem bei intensiver körperlicher Betätigung, zu einer schlechten Haltung führt. Durst ist nicht immer ein zuverlässiger Indikator für mangelnde Hydrierung. Eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr sorgt daher für die richtige Hydrierung. Abhängig von deiner körperlichen Bewegung und dem Klima, in dem du lebst, solltest du pro Tag zwei bis drei Liter Flüssigkeit trinken. Menschen, die in sehr hoch gelegenen Orten oder in einem sehr trockenen Klima leben, und diejenigen, die körperlich anstrengenden Tätigkeiten nachgehen, müssen mehr Flüssigkeit zu sich nehmen.
Chiropraktik und Massage
Das Ziel einer chiropraktischen Behandlung besteht darin, die strukturelle Ausrichtung des Körpers zu korrigieren und die funktionelle Bewegung zu verbessern. Die Massagetherapie gilt als eine Form der komplementären Medizin. Zu den vielfältigen Massagestilen gehören die Schwedische Massage, die Tiefengewebsmassage, die Sportmassage und die Triggerpunkt-Massage. Jede Richtung hat ihren eigenen Zweck, ihre eigene Intensität und Massagetechnik.
Sowohl die chiropraktische als auch die Massagetherapie wird oft als Behandlungsmethode für Schmerzen im unteren Rücken eingesetzt und die Forschungsergebnisse lassen erkennen, dass beide Therapieformen genauso effektiv sein können wie konventionelle Behandlungsmethoden. Allerdings ist keine von beiden besonders erfolgreich, was die Behandlung des Psoas-Muskels angeht. Der Psoas liegt ziemlich tief unterhalb von anderem Muskelgewebe, Fett und Organen. Den Psoas isoliert zu behandeln, ist daher schwierig, sogar für einen kompetenten Massagetherapeuten oder Chiropraktiker. Selbst wenn er sich lokalisieren lässt, besteht eine weitere Herausforderung darin, dass die Massage des Psoas sehr unangenehm sein kann, so der ehemalige diplomierte Massagetherapeut Paul Ingraham. »Wie alle Beugemuskel reagiert der Iliopsoas sehr sensibel auf Druck und erzeugt fast immer ein unangenehmes Schmerzgefühl. Wenn man es richtig machen und ein – bisweilen sogar deutlich – unangenehmes Gefühl vermeiden will, muss man sich Zeit nehmen und behutsam vorgehen.« Ingraham warnt zudem davor, sich von Therapeuten behandeln zu lassen, die irrtümlicherweise glauben, der Psoas sei der Schlüssel zur Diagnose und Behandlung jedweder Schmerzen und Verletzungen. »Das ist ein klassisches Beispiel für ›Strukturalismus‹: der übertriebene Fokus auf spezifische biomechanische Ursprünge der Schmerzen.« Ein besserer Ansatz in der Massage und der chiropraktischen Therapie für einen gesunden Psoas ist seine Betrachtung als ein Muskel, der gesunde Knochen, Gelenke und die Funktion aller Muskeln vom unteren Rücken über die Hüfte bis zum Gesäß und den Oberschenkeln fördert. Wenn du einen Chiropraktiker aufsuchen willst, lasse dir von deinem Hausarzt oder deinem Wirbelsäulenspezialisten eine kompetente Praxis empfehlen. Laut einem Artikel, der in der Fachzeitschrift Evidence Report Technology Assessment erschien, haben einige Studien ergeben, dass das Einrichten der Wirbelsäule in einem nicht unerheblichen Maße mit einer Aufspaltung der Arteria vertebralis (Wirbelarterie) assoziiert wird, die vorübergehend oder sogar dauerhaft schlaganfallähnliche Symptome hervorrufen kann. Allerdings passiert dies nur bei chiropraktischen Behandlungen des Nackens, und das auch nur sehr selten.
Physiotherapie
Ein qualifizierter Physiotherapeut kann Menschen mit Psoas-Syndrom oder Schmerzen, Schwellungen, Krämpfen beziehungsweise einem verkürzten oder zu schwachen Psoas-Muskel eine effektive Behandlung bieten. Bei allen Patienten mit diesen Symptomen ist es besonders wichtig, dass ein Experte mit einer qualifizierten medizinischen Ausbildung, wie zum Beispiel ein Physiotherapeut, die Behandlung und Rehabilitation überwacht. Der Physiotherapeut wird dann möglicherweise spezifische Kraft- und Flexibilitätsübungen, Massagen, Eispackungen, Ruhe, eine medikamentöse Behandlung oder eine Kombination aus allem verschreiben, abhängig von den individuellen Beschwerden.
Alternative Behandlungsmethoden
Verschiedene alternative Behandlungsmethoden können zur Gesundheit des Psoas-Muskels beitragen. Dazu gehören Akupunktur, Qigong und Strukturelle Integration. Spreche aber immer zuerst mit deinem Hausarzt, bevor du dich einer alternativen Behandlungsmethode unterziehst, vor allem wenn du Schmerzen hast, und achte darauf, dass du zu einem qualifizierten Praktiker gehst.
Eure Pamela Ellgen
Pamela Ellgen ist Autorin des Buches „Training für den Psoas“