Die Brustwirbelsäule und der Brustkorb sind nicht nur für die Mobilität und Gesundheit der Schulter wichtig, sondern der Spinal-Engine-Theorie Serge Gracovetskys zufolge auch für die Fortbewegung. Eine der besten Beschreibungen der Thoraxfunktion liefert Robert Burgess, BEd, PT, PhD und Feldenkrais-Therapeut, in der September-2007-Ausgabe seines Newsletters. Er fragt sich, was der Brustkorb ist: „Ein starrer Käfig oder eine biegsame Feder?“
Überlegen wir einmal – wie ist bei all den Rippen, die hinten an der Wirbelsäule und vorne am Sternum anheften, im Brustkorb viel Bewegung möglich? Sehen wir uns die Sache etwas genauer an: bei seinen Angaben über die Beweglichkeit der BWS verweist Burgess in seinem Newsletter auf Buchalter et al. 1988 und Willems et al. 1996. Die BWS ist zu 50 Grad Rotation, 26 Grad Seitbeugung, 25 Grad Extension und 30 Grad Flexion im Sitzen fähig.
Atmung
Wenn wir korrekt atmen und unser Zwerchfell und die Zwischenrippenmuskeln für die Respiration benutzen, passiert im Brustkorb viel. Aber die meisten Menschen atmen durch den Trapezius und die obere Brust – eine Gewohnheit, die die Entwicklung einer Kyphose (Buckel) und eines steifen Brustkorbs begünstigt. (Siehe Artikel über Atmung).
Anatomie
Aber was ist mit den Rippen und ihren Anheftungen an der Wirbelsäule und dem Sternum? Das bedeutet doch sicherlich, dass die BWS steif ist – oder?
Nicht, wenn man sich die Anatomie des Bereichs genauer ansieht! Die Rippen sind durch eine Reihe von Knorpelgelenken – und nicht durch knöcherne Gelenke wie dem Sternoklavikulargelenk – mit dem Sternum verbunden. Diese Knorpelgelenke sorgen für mehr Mobilität, und selbst das Sternum hat mindestens zwei halb-bewegliche Gelenke in seiner Struktur. Die Rippen sind über zwei Gelenke mit den Brustwirbeln verbunden – dem Costotransversalgelenk und dem Costovertebralgelenk – die eine noch „interessantere“ Bewegung der BWS erzeugen. Bei einer Herz-Lungen-Wiederbelebung lässt sich die Brust 5 cm nach unten drücken – doch woher stammt dieser Spielraum? Ist der Brustkorb nun also ein Käfig oder eine Feder?
Von toter Anatomie zu lebender Funktion
Tote Anatomie ist ein Leichnam, der auf einem Tisch liegt. Die Funktionsfähigkeit eines lebenden Organismus ist ein facettenreiches Zusammenspiel anatomischer Strukturen mit den neurologischen und physiologischen Systemen des menschlichen Körpers. Tote Anatomie ist nur ein Startpunkt. Sie kann und wird nie dem faszinierenden Potenzial des gesamten intakten Systems Rechnung tragen. Mechanorezeptoren, Golgi-Sehnenorgane, intrafusale Muskelfasern und viele, viele andere neurologische Strukturen machen aus der unbewegten Aufnahme der toten Anatomie einen lebendigen Film.
Zehn Rippen haben neben den Gelenken, die sie hinten mit der Wirbelsäule verbinden, vorne noch zwei weitere Gelenke, die einerseits die Rippen mit dem Rippenknorpel verbinden und andererseits den Rippenknorpel mit dem Sternum. Alle diese Gelenke sind lebendiges, neurologisch aktives Gewebe, das Informationen an das Gehirn weiterleitet. Die BWS ist also alles andere als ein toter starrer Käfig – sie kann sich bewegen und viele Aufgaben verrichten. Die BWS ist für die Gesundheit und Beweglichkeit der Scapula und damit des Glenohumeralgelenks unerlässlich. Wenn sich die Schulter nicht frei bewegen kann, ist eine Überprüfung der BWS angeraten.
Was ist mit dem Rest der Wirbelsäule?
Die LWS und HWS sollten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten angemessen bewegen können, aber man darf die BWS als Zwischenglied nicht vergessen.
Und…
Ohne eine mobile BWS kann man sich nicht gut bewegen. Es gibt einige Übungen, mit denen sich die BWS hervorragend testen und mobilisieren lässt. Im FMS befassen wir uns normalerweise mit der BWS, wenn wir an den Korrekturstrategien für die Schultermobilität oder den Ausfallschritt arbeiten. Im SFMA ist die BWS vor allem in den Breakouts für die multisegmentale Rotation und die Schulter relevant.
Nachfolgend stelle ich drei Übungen für die BWS vor, die ich gerne anwende, um in diesem Bereich eine gute Mobilität zu erzielen bzw. zu erhalten:
- Rib Grab (BWS-Rotation in Seitenlage): Eine tolle atemgestützte Übung, die die Mobilität der BWS mittels tiefer Zwerchfellatmung verbessert. Es ist wichtig, während des gesamten Übungsablaufs auf eine korrekte Körperhaltung zu achten und die LWS nicht zu bewegen; nur so lässt sich sagen, ob die BWS-Rotation auf beiden Seiten gleich ist.
- Brettzel: Diese Übung fordert die vordere Kette der gegenüberliegenden Hüfte. (Rotation nach rechts erfolgt mit der vorderen Kette der linken Hüfte). Es lässt sich also feststellen, ob die BWS-Mobilität durch eine feste vordere Kette/Hüfte beeinträchtigt wird. Auch bei dieser Übung ist eine gute Zwerchfellatmung unabdingbar, deshalb wollen wir hier dieselbe BWS-Mobilität sehen wie im Rib Grab.
- Quadruped T-Spine Rotation Lumbar Locked (BWS-Rotation im Vierfüßlerstand mit fixierter LWS): Diese Bewegung stellt bereits eine aktive Mobilitätsübung dar. Die Angleichung der aktiven Mobilität an die atemgestützte Mobilität zählt zu meinen größten Errungenschaften in der Arbeit an der BWS.
Wichtige Anmerkung: Du solltest keine der Übungen in der LWS spüren (also im unteren Rücken)!
Was ist mit der Extension?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Extension ganz von selbst verbessert, wenn sich die Rotation verbessert, aber eine leichte Art, an ihr zu arbeiten, sind einfache Extensionen über einer Hartschaumrolle. Achte nur darauf, dass die Extension nicht von einem einzelnen Abschnitt kommt (sieht wie ein PEZ-Spender aus), sondern von der gesamten BWS (sieht wie ein Bogen aus), und übertreibe es nicht.
Zusammenfassung
Ob du den FMS nutzt, um die Schultermobilität zu erhöhen, oder mithilfe des SFMA die multisegmentale Rotation verbessern willst – die BWS kann in beiden Fällen eine entscheidende Rolle spielen. Atmung, Schultermobilität usw. beruhen auf einer mobilen und gut kontrollierten BWS. Probiere also einmal die vorgeschlagene Sequenz von atemgestützten und aktiven Übungen aus.
Euer Brett Jones
Brett Jones ist zertifizierter Athletiktrainer und Spezialist für Strength & Conditioning aus Pittsburg, PA. Er hat seinen Bachelor of Science in Sportmedizin von der High Point University erhalten und seinen Master of Science für Rehabilitation von der Clarion University in Pennsylvania. Brett ist Certified Strength & Conditioning Specialist (CSCS) der National Strength and Conditioning Association (NSCA). Mit über zwanzig Jahren Erfahrung als Coach berät Brett regelmäßig Profiteams und -sportler und hält sowohl in den USA als auch weltweit Vorträge. Als Athletiktrainer, der mittlerweile in der Fitnessbranche tätig ist, unterrichtet Brett seit 2003 Handhabung und Einsatz von Kettlebells; zurzeit ist er Director of Education bei StrongFirst. Er leitet seit 2006 auch FMS-Kurse und hat in Zusammenarbeit mit Gray Cook mehrere DVDs und Manuals veröffentlicht, unter anderem die beliebte Reihe „Secrets of …“; außerdem berät er Functional Movement Systems zur Entwicklung des Lehrplans und der Ausbilder.