Hier sind drei Mythen, die sich um Schulterübungen ranken und die ich nachfolgend näher beleuchten möchte.
1. Schieb die Schulterblätter zusammen
Schiebe die Schulterblätter zusammen. Zieh die Schultern nach hinten. Quetsch die Scapulae förmlich zusammen. Verriegel sie zu einer festen Einheit. Diese und ähnliche Ratschläge hört man oft, wenn es um Schulterübungen geht. Das Ziel dieser Empfehlungen ist es, eine bessere Körperhaltung einzunehmen und die Scapula nach hinten zu bringen, was langfristig im Training zu einem gesunden, schmerzfreien Rücken und besseren Bewegungsmustern führen soll. In unserer Gesellschaft haben sich viele Menschen eine schlechte Körperhaltung angewöhnt: das klassische Upper-Cross-Syndrom mit nach vorne geschobenem Kopf und hängenden Schultern.
Ein normaler scapulohumeraler Rhythmus erfordert die gleichzeitige Bewegung von Schulter und Schulterblatt. Wenn man die Schulterblätter zusammenschiebt, spannt man zuerst den mittleren Anteil des Trapezius an, was eine vollständige Retraktion der Scapula bewirkt, und bewegt dann den Arm. Während dies für die Biomechanik der Schulter nicht annähernd so schlecht ist wie das Heben des Arms mit nach vorne fallenden Schultern, ist es meiner Meinung nach nicht so vorteilhaft, den Arm zu heben, wenn die Schulterblätter zurückgezogen sind. Es handelt sich hierbei letztlich um eine isometrische Kontraktion des Trapezius, die die normale Protraktion und Aufwärtsrotation einschränkt, die ganz natürlich ist, wenn man den Arm hebt und in eine bestimmte Richtung bewegt.
Schulterübungen in Form von Haltungsübungen zur Streckung der Brustwirbelsäule
Ziel dieser gängigen Empfehlung ist es, die Haltung und Biomechanik zu verbessern, während man den Arm trainiert, doch eventuell wäre es besser, die Brustwirbelsäule zu strecken. Vielleicht könntest du diese thorakale Extension mit einer oberen zervikalen Extension kombinieren, beispielsweise indem du Haltungsübungen mit einem gleichzeitigen Kopfnicken kombinierst. Das verbessert deine Haltung auf jeden Fall. Dir muss klar sein, dass eine sehr kyphotische Brustwirbelsäule und ein runder Rücken die Retraktion der Schulterblätter nicht ausschließt. Das Zurückziehen der Scapulae ist kein schlechtes Bild, aber Ihr Ziel sollte es vielmehr sein, die Brustwirbelsäule zu strecken.
2. Arbeite an deiner Mobilität und Kraft, um die Symmetrie deiner Scapulae zu verbessern
Wir alle haben schon die Haltung anderer überprüft und dabei festgestellt, dass viele den Kopf vorwärts schieben und die Schultern nach vorne fallen lassen. Wir sind dann zu dem Schluss gekommen, dass wir Dinge wie die Mobilität der Brustmuskeln und der oberen Halswirbelsäule verbessern müssen, während wir den unteren Anteil des Trapezius und die tiefen Nackenbeuger kräftigen. Das sind Dinge, an denen man auf jeden Fall arbeiten sollte, aber es steckt noch viel mehr dahinter.
Zunächst einmal sollten wir einen Schritt zurücktreten und ein Missverständnis aus dem Weg räumen. Deine Scapulae sind nicht symmetrisch. Die große Mehrzahl aller Menschen ist nicht symmetrisch, jeder hat leichte Unterschiede. Fakt ist, dass jeder von uns eine dominante Seite hat. Wir haben normalerweise eine dominante Hand und nutzen bestimmte Bewegungsmuster, die links- oder rechtslastig sind. Das wird dann zum Problem, wenn man immer wieder dieselbe unilaterale Bewegung ausführt. Ich meine damit nicht nur Profi-Sportler wie Baseball-Pitcher, sondern auch Büroangestellte, die stundenlang am PC sitzen und die Computermaus in der rechten Hand halten.
Eine korrekte Ausrichtung ist sehr wichtig
So entstehen im ganzen Körper Asymmetrien, unter anderem in den Hüften, der Wirbelsäule, dem Brustkorb und natürlich der Scapula.
Meiner Meinung nach steht die Position der Scapula mehr mit der Position der Rippen und der Brustwirbelsäule in Zusammenhang als mit verspannten, schwachen oder inhibierten Muskeln. Die Scapula liegt auf der Rückseite des Brustkorbs und bewegt sich daher gleichzeitig mit ihm. Musst du an diesen muskulären Dysbalancen arbeiten? Unbedingt. Aber eine korrekte Ausrichtung ist ebenfalls nötig, und sollte zuerst behandelt werden.
Jeder sagt, dass man sich vor der Verbesserung der Stabilität um die Mobilität kümmern sollte, stimmt’s? Nun, das würde ich gerne ein wenig modifizieren. Wie wäre es damit:
Ausrichtung vor Mobilität vor Stabilität.
3. Führe Schulterblatt-Übungen auf beiden Seiten aus
Ach ja, die guten alten YTWL-Übungen. Ich bin kein großer Freund davon, ganz gleich ob man sie in Bauchlage auf dem Behandlungstisch oder auf dem Physioball macht. Ich mag das Anspannen des oberen Trapezius nicht, das nötig ist, um den Kopf zu stabilisieren, und finde, dass man damit Bewegungsmuster erzeugt, die man eigentlich gar nicht erzielen will. Vielleicht hilft die Übung dabei, die Haltung zu verbessern. Ich bin sicher, dass es Vor- und Nachteile gibt.
Wir sollten aber vielmehr zur Kenntnis nehmen, dass wir normalerweise gar keine Bewegungsmuster ausführen, bei denen wir die Arme auf diese Weise bewegen müssen. Wann haben Sie das letzte Mal beide Arme wie bei der T-Übung nach hinten gezogen?
Unilateral oder bilateral trainieren?
Wenn ich versuche, einen Muskel zu kräftigen, bleibe ich bei meinen unilateralen Übungen in Bauchlage und konzentriere mich auf die Aspekte Kraft und motorische Kontrolle. Das ist meine Priorität.
Wenn es dann um Funktion und Bewegungsmuster geht, frage ich mich, ob es überhaupt Sinn macht, mit den Scapulae reziproke Aktionen auszuführen. Wir benutzen unsere Arme sowieso viel zu oft in dieser Weise – ein Arm zieht, während der andere drückt. Wir sehen das oft bei so alltäglichen Dingen wie Gehen, Joggen und Laufen, wie auch bei unilateralen Sportarten mit über Kopf ausgeführten Bewegungen, wie sie im Tennis, Volleyball, Softball und Baseball vorkommen.
Gibt es Momente, in denen du deine Scapulae bilateral trainieren solltest? Sicher. Ich würde bei Schwimmern dazu raten (vor allem in den Disziplinen Brust und Schmetterling) und Leuten, die den ganzen Tag schwere Dinge schieben und ziehen müssen. Es ist also eine Frage der Trainingsspezifität.
Das Fazit ist, dass du deine Scapulae nicht zwingend bilateral trainieren musst, und es gibt einige gute Gründe dafür, warum du vielmehr das Gegenteil tun und das reziproke Druck-Zug-Muster üben solltest.
Ich hoffe, dieser Artikel regt dich zum Nachdenken an. Es gibt für alles eine richtige Zeit und einen richtigen Platz, manchmal jedoch tendiert man zu stark in eine bestimmte Richtung. Vielleicht werden dich diese drei Mythen über Schulterübungen dazu anregen, neue Wege zu beschreiten, wenn du das nächste Mal versuchst, deine Kraft in diesem Bereich zu trainieren.
Euer Mike Reinold
und was sind dann die richtigen Schulterblattübungen besonders fürSchwimmer
Muss am Namen liegen ;)
Danke, für den Artikel.
Schön, wenn man von einem Profi erfährt, dass man auf dem richtigen Weg ist.
Weiter so …
Schiebe die Schulterblattspitzen nach hinten „unten“ oder hebe den Brustkorb an, etwa 30%.
Nimm FMT dazu und dann beginnst du mit deinem Training. ;-)
„Während dies für die Biomechanik der Schulter nicht annähernd so schlecht ist wie das Heben des Arms mit nach vorne fallenden Schultern, ist es meiner Meinung nach nicht so vorteilhaft, den Arm zu heben, wenn die Schulterblätter zurückgezogen sind.“
So, wie dieser Satz geschrieben ist, bezieht er sich auf den Vorsatz und wiederspricht sich. Oder es wurde sehr unverständlich ausgedrückt.
Was ist die Mobilität der Brustmuskeln?
Was unternimmst du konkret für die Ausrichtung der Schulterblätter?
Der Artikel hat nette Ansätze, allerdings fehlt irgendwie der rote Faden, wirkt irgendwie nicht rund!