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Wer kann Kohlenhydrate essen, wer nicht? Wer soll eine fettreiche Diät verfolgen, wer nicht? Wer nimmt zu, wenn er nur an Essen denkt oder wer nimmt ab, wenn er nicht 5-6 Portionen pro Tag ist? Was dafür auf oberster Ebene verantwortlich ist, ist unsere Genetik.Vor ein paar Jahren dachten wir noch unsere Gene sind ein festes und gegebenes Gerüst. Doch heute wissen wir unsere Gene sind veränderbar und zwar durch unsere Ernährung, Lifestyle, Stress und (Umwelt-)Gifte.
Epigenetik
Genetik
Um auf das Thema Epigenetik zu kommen sollten wir uns vorher, wenn auch nur oberflächlich, anschauen was auf genetischer Ebene überhaupt passiert, bzw. den Begriff definieren. Genetik ist die Lehre über unsere Gene. Wir Menschen haben ca. 20.000-25.000 solcher Gene, sind aber zu 99.9% genetisch identisch. Ein Gen ist ein kleiner Abschnitt auf unserer DNA, welche wiederum in Chromosome organisiert ist. Wir Menschen besitzen 23 Chromosomenpaare, was einem Genom entspricht. Schimpansen haben Beispielswiese 24 Paare, eine Banane 11 Paare. Wir teilen zu 98,5% die gleiche DNA mit Schimpansen.
Der Blueprint
Ein Gen ist dafür verantwortlich, dass ein bestimmtes Merkmal, wie z.B. die Haarfarbe ausgeprägt wird. Ein Gen liefert also eine Art Bauplan, es produziert Proteine und die Proteine stellen beispielsweise Farbstoffe her, welche die Haarfarbe festlegen. Verschiedene Allele (Genvarianten) sorgen dementsprechend für unterschiedliche Haarfarben. Wenn wir sagen, du hast die Haare von deiner Mutter, meinen wir eigentlich: „Du hast scheinbar ein Gen oder Gene von deiner Mutter geerbt, das ein Protein produzieren, die deinen Haarfolikeln mitteilen Haare zu produzieren, die sich wie die Haare deiner Mutter wellen“;)
Aber nicht nur werden Proteine produziert, die die Haarfarbe bestimmen, diese Proteine bilden auch Neurotransmitter, Hormone, reparieren die DNA und noch vieles mehr. Werden beispielsweise keine oder zu wenige Hormone produziert, liegt möglicherweise ein genetisches Problem vor. Auf der anderen Seite produzieren unsere Gene nicht nur, sondern zerstören auch, wie z.B. entartete Zellen bei Krebs (s. BRCA Gen).
Epigenetik definiert
Epigentik übersetzt bedeutet „um die Gene herum“, was so viel heißt wie alles was sich um die Gene herum abspielt. Epigentik kontrolliert quasi unsere Gene bzw. sagt ihnen was sie zu tun haben. Und beeinflusst wird das durch Ernährung, unserer Gedanke und Emotionen, unserer Umgebung, welchen Giften wir uns aussetzen und welche Nährstoffe wir aufnehmen oder nicht. Nur weil man aber ein Gen besitzt, das beispielsweise Brustkrebs verursacht, wie das BRCA1, bedeutet das nicht, dass man Brustkrebs auch bekommt, die Epigenetik beeinflusst diesen Prozess.
SNPs
Wir sind zu 99,9% genetisch identisch — was unterscheidet uns dann eigentlich? Nun die Gesamtheit des menschlichen Genoms besteht aus 3 Milliarden Basenpaaren. Variationen an einer Stelle dieser Basenpaare nennt man SNPs bzw. Single Nucleotide Polymorphisms. Bei der Zellteilung können solche SNPs entstehen, wenn das Genom kopiert wird und neue Zellen produziert werden. In unserem Genom befinden sich aber ca. 10 Millionen solcher SNPs, welche die genetischen Unterschiede zwischen uns Menschen beschreiben. Manche SNPs beschrieben offensichtliche Unterschiede, wie z.B. die Haarfarbe, Hautfarbe und Größe. SNPs sind aber auch dafür verantwortlich, wie wir beispielsweise Medikamente vertragen oder ob uns Kaffee wach macht und manch einer Abends nach einem dreifachen Espresso trotzdem wie ein Baby einschlafen kann und ein anderer aber bis spät in die Nacht kein Auge zubekommen.
Aus epigenetischer Sicht weiß man heute, dass Gene an- und abgeschaltet werden können und das spielt nicht nur eine große Rolle für die Metabolisierung von Kaffee sondern auch für sämtliche Krankheiten, wie Hormondysbalancen, Herz-Kreislauferkrankungen, Depressionen oder auch Fettleibigkeit. Diese epigenetischen Veränderungen können beispielsweise durch Ernährung, Lifestyle, Stress und (Umwelt-) Gifte hervorgerufen werden.
Der Methylierungszyklus
Durchforscht man die weltweit größte medizinische Datenbank Pubmed, findet man mittlerweile über 100.000 Artikel über SNPs. Eines der prominentesten SNPs ist das MTHFR, was als Abkürzung für das Gen Methylentetrahydrofolat Reduktase steht, welches das gleichnamige Enzym MTHFR produziert. Die Funktion von MTHFR ist die Herstellung von L-5-MTHR (Methylfolat), womit es den Methylierungsprozess unterstützt bzw. reguliert. Und Methylfolat ist überaus wichtig für die Produktion von Neurotransmittern und SAMe (S-Adenosyl Methionin). Während Neurotransmitter es uns erlauben zu denken, zu schlafen, Wachsam zu sein, Emotionen auszudrücken oder zu lernen, unterstützt SMAe über 200 Enzyme (spendet Methylgruppen an diese Enzyme) in unserem Körper, senkt Histamine und schützt die DNA. Wenn die Produktion der Neurotransmitter unterbrochen wird, kann dies zu Depressionen, Ängstlichkeit, ADHD, Schlaflosigkeit, Lernbeeinträchtigungen uvm. mehr führen. Eine zu geringe SMAe Produktion kann beispielsweise Krebs, Unfruchtbarkeit, Autismus, Bluthochdruck, Thrombose u. v. m. hervorrufen.
Methylisierung
Methylierungprozesse sind Prozesse im Körper, die überall und jederzeit ablaufen, wie z.B. bei der Produktion von Hormonen, bei der Zellerneuerung oder bei der Energiegewinnung. Wird dieser Prozess gestört, kann man sich vorstellen, dass in unseren Systemen einiges durcheinander gerät. Wenn man sich den Methylierungszyklus (Abb. 1) einmal genauer betrachtet, sieht man so etwas wie beispielsweise Homocystein, was ein Marker ist für Herzkreislauferkrankungen, Glutathion, unser stärkstes körpereigenes Antioxidans, SAMe, unser wichtigster Methylspender in unserem System und viele weitere Prozesse. Ein Störfeuer im Methylisierungszyklus kann also weitreichende Auswirkungen mit sich bringen. Und hier spielt aber nicht nur das MTHFR Gen eine entscheidende Rolle, sondern etliche weitere Gene, die diese Prozesse regulieren.
Abb.1: Der Methylierungszyklus (Zhi et al. 2016)
Functional Nutrition
Was bedeutet also ein SNP im MTHFR für uns im Functional Nutrition? Erstens hat heute einer von zwei Personen einen MTHFR Polymorhismus, was dazu führt, dass das MTHFR Enzym eine andere Form entwickelt und somit anders wirken kann. Dies wirkt sich wiederum auf Neurotransmitter und die SAMe Produktion aus. MTHFR wandelt in diesem Prozess Folsäure in die aktive Form, also Methylfolat um, so dass der Körper es verwenden kann. Dabei bindet es Vitamin B12, Magnesium und Methionin, was als Protein über die Nahrung aufgenommen wird, um SAMe herzustellen.
Folsäure vs. Folat
Ein MTHFR Polymorphismus kann demnach dazu führen, dass die Person Folsäure zum einen nicht umwandeln kann und das Methylfolat für die weiteren Prozesse nicht zur Verfügung steht. (Auch ein Vit B12 Mangel, der häufig bei Vegetarier und Veganer zu sehen ist kann diesen Prozess stören). Andererseits akkumuliert diese Person Folsäure im Körper, was karzinogene Auswirkungen haben kann. Und Folsäure ist heute in sämtlichen angereicherten Nahrungsmitteln zu finden. Wer Folsäure supplementiert, sollte also auf die aktive Form Folat umsteigen, nicht aber nur wegen des MTHFR Polymorhismus, sondern weil Folsäure auch mehrere andere Gene durchlaufen müsste, bis es letztelendes zur aktiven Form Methylfolat wird. Viele „billige“ Multivitaminpräparate beinhalten meistens Folsäure — Achtung!
Die vier Methoden in der Functional Nutrition
Die vier Herangehensweisen in Functional Nutrition – Ernährung, Nahrungsergänzung, Lifestyle und Training – sind in der Epigenetik entscheidende Faktoren. Nicht nur die richtige Supplementierungsform, am Beispiel Folsäure/Folat, sondern auch eine ausgewogene Ernährung, Training und vor allem unser Lifestyle sind ausschlaggebend darüber ob wir krank oder gesund sind.
Tägliches Training bzw. körperliche Aktivität verbessert beispielsweise die Homocystein Level, abhängig aber vom Umfang und Intensität des Trainings. Low Intensity Ausdauertraining fördert allerdings Entzündungsmediatoren. Da Stress für die Produktion der Katecholamine wie Adrenalin und Noradrenalin einen hohen SAMe Verbrauch mit sich zieht, können Methylgruppen für entscheidende Prozesse fehlen. Somit gilt es auch das Stressmanagement in den Griff zu bekommen, durch beispielsweise Yoga, Meditation oder progressiver Muskelentspannungen, viel Lachen, eine positive Einstellung und Naturspaziergänge sowie die Pflege von Freundschaften. Die Ernährung sollte aus epigenetischer Sicht dabei viele Nahrungsmittel umfassen, deren Nährstoffe am Methylierungszyklus beteiligt sind (s. Abb. 2), eine optimale Hydrierung (3,5% des Körpergewicht in Litern), eine hohe Vielfalt an buntem Gemüse, viele Ballaststoffe und Bio-Qualität so weit möglich. Getreide, Alkohol, Zucker, Fleisch (wenn nicht Bioqualität und mit Hormonen oder Antibiotikum gefüttert), schwermetallbelasteten Fisch (z.B.Thunfisch), gegrilltes und Essen aus Plastikboxen gilt es zu vermeiden.
Abb.2: Lebensmittel, deren Nährstoffe den Methylisierungszyklus unterstützen
Ausblick
Nicht jeder Polymorphismus im MTHFR richtet Chaos an, abhängig von der Position im Gen. In der Nahrungsmittelindustrie wird heutzutage aber wie wild Folsäure und Methylfolat verkauft, ohne wirklich zu wissen, welche Auswirkungen dies auf genetischer Ebene langfristig mit sich bringen kann. Die Wissenschaft um Epigentik steckt heute eben aber noch in den Kinderschuhen, weshalb wir nicht genau wissen was passiert, wenn wir diese Prozesse beeinflussen. Dass Folat aber entscheidend ist, zeigt der Methylisierungszyklus, dementsprechend sollten wir vll. eher daran denken Folat über unsere Ernährung zu uns zu nehmen. Wer seine SNPs checken lassen möchte, kann dies heute bei sämtlichen Laboren testen lassen. Eins der größeren Labore ist 23andme. Vorsicht aber bei der Interpretation der SNPs, hierbei sollte immer ein Functional Nutrition Coach mit Hintergrundwissen zu Epigentik oder ein anderer Experte auf diesem Gebiet zu Rate gezogen werden.
Euer Sebastian Dietrich