Die Kontrolle der Atmung ist entscheidend, um die strukturelle Integrität des Rumpfs unter einer schweren Last aufrechtzuerhalten. Reine Muskelanspannung reicht hierfür nicht aus – um die Wirbelsäule genügend zu stabilisieren, müssen die Bauch- und Brusthöhle unter Druck gesetzt werden. Außerdem müssen wir für den Rumpf eine möglichst breite Basis schaffen, was auch naheliegend sein sollte, denn eine Pyramide steht wesentlich stabiler als eine auf den Kopf gestellte Pyramide. Ein eingezogener Bauch sieht am Strand vielleicht ganz nett aus, beeinträchtigt aber die Fähigkeit des Körpers erheblich, die Art von Kräften zu unterstützen, die wir einzuführen versuchen. Der Rumpf hat auf der Rückseite nur eine vertikale Stützstruktur – die Wirbelsäule –, und diese Struktur verzweigt sich in alle Richtungen, was eine zusätzliche Unterstützung nötig macht, um die Steifigkeit aufrechtzuerhalten. Der Schwachpunkt ist der Bereich unterhalb des Brustkorbs, in dem es keine feste Konstruktion gibt, die den Rumpf mit dem Becken verbindet – so entsteht ein komprimierbarer Bereich, in dem der Rumpf nach vorne und zur Seite ausweichen kann. Der Bauchraum ist mit Organen gefüllt, die aus Gewebe bestehen, das wir nicht willentlich ansteuern oder anspannen können. Darüber befinden sich die beiden Lungenflügel, die durch das Zwerchfell vom Bauchraum getrennt sind. Das Zwerchfell gibt uns die Möglichkeit, die Komprimierbarkeit des Rumpfinhalts zu beschränken. Indem wir die Lunge mit Luft füllen, erhöhen wir die Steifigkeit des Brustkorbs und pressen das Zwerchfell nach unten, so dass sich die Organe des Bauchraums ein wenig komprimieren. Außerdem können wir zusätzlich die Muskulatur anspannen, die den Rumpf umgibt. Dies verhindert eine ungewollte Ausdehnung der Bauchwand und sorgt dafür, dass der Rumpf die aufgebaute Stabilität nicht verliert.
Möglichst tief einatmen
Der Athlet muss möglichst tief einatmen, wodurch sich sein Bauchraum weitet und das Zwerchfell zusammenzieht; dadurch füllt sich die Lunge vollständig – im Gegensatz dazu füllt sich bei einer flachen Brustatmung die Lunge nur teilweise. Nach dem Atemzug spannt der Gewichtheber seine Bauch- und Rückenmuskulatur an, um den Innendruck zu erhöhen und das Potenzial für eine Rumpfflexion und -extension zu verringern. Spannt er den unter Druck gesetzten Rumpf an, presst er die Luft aus der Lunge und in die Luftröhre – damit die Luft nicht entweicht, muss der Athlet die Glottis schließen (dies ist ein natürlicher Reflex, wenn man die Luft anhält). Es ist wichtig, dass sich der Athlet nicht „hohl“ macht oder seine Bauchmuskeln einzieht, wie es oft unterrichtet wird oder viele es für richtig halten. Zieht man die Bauchmuskeln ein, verkleinert sich die Auflagefläche der Pyramide, was unvorteilhaft ist. Wir wollen die Muskeln aktivieren und auf ein möglichst großes Fundament bauen, das die Last besser trägt. Athleten, die Schwierigkeiten mit dieser Aktivierung haben, können sich vorstellen, die Bauchmuskeln nach unten zu drücken. (Der M. transversus abdominis ist nicht untätig; er trägt nur nicht die Hauptlast bei der Stabilisierung bzw. sollte nicht so angespannt werden, dass der Rumpf nicht mehr angemessen mit Luft gefüllt werden kann.)
Der Druck sollte während der Bewegung möglichst dauerhaft aufrechterhalten werden. Es gibt jedoch Momente, wie das Aufrichten beim Clean, in denen dem Gewichtheber schwindlig werden und er sogar das Bewusstsein verlieren kann. Das liegt daran, dass er die Hantel nicht korrekt in die Rackposition bringt und das Gewicht die Halsschlagader zusammendrückt, was wiederum dazu führt, dass das Gehirn nicht ausreichend mit Blut versorgt wird. Der Schwindel kann aber auch darauf zurückzuführen sein, dass der Athlet in der Position die Luft anhält; diese beiden Faktoren regen – vor allem in Kombination – den Vagusnerv an und senken die Herzfrequenz und den Blutdruck (das lässt sich leicht demonstrieren, indem man den Puls tastet, während man normal atmet und dann die Luft anhält – man merkt sofort, dass sich die Herzfrequenz senkt). In manchen Fällen kann dies zu Bewusstlosigkeit führen, die sich aber vermeiden lässt, wenn man vorsichtig ist und besonnen reagiert.
Wenn dem Athleten während einer Übung schwindlig wird oder er sich benommen fühlt, sollte er im Augenblick des höchsten Drucks oder der höchsten Anstrengung ein wenig ausatmen (d.h. beim Squat, wenn er sich aufrichtet), indem er einen Laut von sich gibt. Dies senkt den Druck etwas und beugt Schwindel vor, während gleichzeitig die Rumpfstabilität erhalten bleibt. Manche Athleten fühlen sich wohler und vielleicht sogar stärker, wenn sie es sich zur Gewohnheit machen, in der Aufwärtsbewegung des Squats immer geräuschvoll auszuatmen, was völlig akzeptabel ist, so lange das Ausatmen kontrolliert erfolgt und sich in Grenzen hält. Wenn die Schwindelgefühle nicht nachlassen, sollte man die Hantel sofort fallen lassen und sich setzen, bis sich der Zustand gebessert hat.
Während des explosiven zweiten Pulls im Snatch und Clean und manchmal auch während des Drives beim Jerk geben manche Gewichtheber ein Geräusch von sich, das dadurch entsteht, dass sie etwas Luft ausstoßen. Das ist nicht weiter problematisch und in der Regel sogar hilfreich, um die Aggressivität des Athleten zu steigern. Die Wirkung des Druckaufbaus im Rumpf lässt sich leicht veranschaulichen, wenn man einen neuen Gewichtheber dazu auffordert, Squats ohne Zusatzgewicht zu machen. Der Athlet kann den Rumpf korrekt unter Druck setzen und einige Kniebeugen machen, bei denen er sich aus der unteren Endposition heraus federnd aufrichtet. Dann stößt er so viel Luft wie möglich aus und wiederholt den Bewegungsablauf. Der deutliche Unterschied wird ihn in Staunen versetzen. Baue bei allen Langhantelübungen Druck im Rumpf auf, lerne diesen Druckaufbau zu kontrollieren, und du wirst nicht nur sicher trainieren, sondern auch deine Leistung steigern.
Euer Greg Everett