In der Vorbereitungsphase werden die Spieler Eustress ausgesetzt, einem positiven Überlastungsprozess. Dieser bildet die Grundlage für jedes Training und ist entscheidend, um den Körper dazu zu bringen, sich anzupassen und seine Leistung zu steigern. Sollte das Training die Anpassungsfähigkeit des Körpers überschreiten, bekommen wir es hingegen mit Distress zu tun, einen maladaptiven Zustand, der allzu oft ein Übertraining nach sich zieht. Ich glaube, dass wir alle sehr gut trainieren können. Verbesserungsbedarf haben wir eher in Sachen Erholung.
Der Athlet maximiert seine Leistung, wenn er unter einem gewissen Druck in den Wettkampf geht, dabei aber psychisch und physisch erholt ist. Daher müssen die Erholungsstrategien sowohl psychischen als auch physischen Faktoren Rechnung tragen. Diese Prämisse sollte die Basis für jedes Regenerationsprotokoll sein. Bevor wir diese Strategien besprechen, müssen wir zuerst die Belastungen ein wenig genauer untersuchen, mit denen es die Spieler zu tun bekommen.
Körperlicher Stress durch Training und Wettkampf
Das Konzept der Erholung muss allen Stressoren Rechnung tragen, die auf eine Person einwirken. Jede Person reagiert anders auf Stress und deshalb gibt es kein Pauschalrezept für Erholung. Die genetische Veranlagung beeinflusst die Reaktion auf Widerstandstraining erheblich, und es ist anzunehmen, dass sie auch für die Erholung eine wichtige Rolle spielt.
Die Erholungsstrategie muss individuell an den Spieler und die Last angepasst sein, mit der er in einem bestimmten Spiel konfrontiert wird. Wir müssen einerseits die häufigen, intensiven Kollisionen berücksichtigen, die den Körper belasten, und andererseits die Frequenz und das Ausmaß der Sprints und mechanischen Belastung (Beschleunigen, Abbremsen, Richtungswechsel).
Diese Faktoren werden größtenteils durch die Spielerposition und den Tenor des Spiels beeinflusst. Wenn wir Fußball als Beispiel nehmen, dann ist die in Sprints (>5.5m/s) zurücklegte Strecke viel größer, wenn beide Mannschaften offensiv ausgerichtet sind, während die mechanische Last von kurzen, schnellen Abbremsungen in einem eher vorsichtig geführten, straffen Spiel größer sein könnte. An dieser Stelle ist es entscheidend, GPS zu verwenden und die ermittelten Werte zu interpretieren.
Faktoren, die man berücksichtigen muss, wenn man ein Erholungsprogramm individualisiert
Im Spiel zurückgelegte Strecke
Ein guter Mittelfeldspieler kann im Spiel beinahe 14km zurücklegen, während ein Innenverteidiger vermutlich um die 11,5km läuft.
Anzahl der Sprints im Spiel
Als nächstes müssen wir die Positionsunterschiede berücksichtigen, aber auch die Abnahme der Sprintdistanz gegenüber den Strecken, die der Spieler normalerweise schafft.
Anzahl und Ausmaß der Abbremsungen und Richtungswechsel
Die auf den Körper wirkende Last ist viel größer, wenn die Anzahl der Abbremsungen/Richtungswechsel aufgrund der exzentrischen Belastung der Beine hoch ist.
Körperkontakt
Kollisionen können erhebliche Muskelschäden verursachen, daher müssen die Intensität und Häufigkeit der Kollisionen in einem Match/einer Trainingssession berücksichtigt werden.
Emotionaler Stress
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir es mit Menschen und nicht mit Robotern zu tun haben. Die innere Anspannung eines Stürmers, der gerade den entscheidenden Treffer erzielt hat, unterscheidet sich völlig von der Nervosität eines Quarterbacks, der durch einen Fehlwurf sein Team in eine prekäre Lage gebracht hat. Die Spieler müssen sich auch von diesen Belastungen erholen.
Verletzung
Wenn ein Spieler verletzt ist, ist er vielleicht nicht in der Lage, dasselbe Erholungsprogramm zu absolvieren wie seine Teamkollegen.
Alter
Es dauert länger, bis sich der Körper eines älteren Spielers von den Strapazen eines Spiels erholt hat.
Physiologische Last nach einer hochintensiven Aktivität
Da die meisten Studien über Erholungsstrategien an untrainierten Zielgruppen durchgeführt wurden, gibt es nur wenige Studien über Elite-Fußballspieler. Viele Wirkungen intensiver Wettkampfsituationen, die veröffentlicht worden sind, treffen vielleicht nicht auf die Gruppe von Spielern zu, die wir in diesem Beitrag besprechen. Es gibt drei physiologische Folgen intensiver Wettkämpfe, die für diese Zielgruppe durchaus relevant sind:
Dehydrierung
Fußball ist ein Sport mit unregelmäßig auftretenden, aber intensiven Sprints, die dazu führen, dass man in einem 90-minütigen Match zwischen 1.500 und 3.750ml Schweiß verliert. Schon bei weniger als zwei Prozent Flüssigkeitsverlust nimmt die Leistung ab, und deshalb ist es wichtig, während und nach dem Spiel bzw. Training ausreichend zu trinken. Im American Football ist die Situation aufgrund der Schutzkleidung verschärft, vor allem in den ersten Spielen der Saison, wenn die Außentemperaturen höher sind.
Leerung der Glykogenspeicher
Glykogen ist die Hauptenergiequelle, die Fußballspieler während eines Matches nutzen. Man nimmt an, dass die Erschöpfung in einem Spiel in direktem Zusammenhang damit steht. Dies zeigt sich an der Verringerung der Laufstrecke und der abnehmenden Anzahl von Sprints. Schon 1973 konnten schwedische Studien nachweisen, dass Spieler, bei denen zuvor niedrigere Glykogenwerte gemessen wurden, in einem Spiel 25 % weniger liefen als Spieler mit hohen Glykogenwerten. Daher sollten Spieler mit vollen Glykogenspeichern ins Spiel gehen und in der Halbzeit ihre Reserven auffüllen.
Muskelschäden
Das gängigste Problem im Fußball ist Muskelkater aufgrund einer äußeren Einwirkung. Solche Kontaktverletzungen erscheinen nicht unbedingt auf der Liste der häufigsten Verletzungen, die in offiziellen Berichten zu finden sind, weil sie oft nicht so gravierend sind, dass ein Spieler deswegen das nächste Spiel aussetzen müsste. Sie reichen aber aus, um die Leistung im nächsten Training zu beeinträchtigen. Der eintretende strukturelle Schaden kann durch Enzyme und Muskelproteine im Blut nachgewiesen werden, insbesondere Creatinkinase (CK). Strukturelle Schäden und damit eine erhöhte CK-Konzentration nach einem Fußballmatch werden der exzentrischen Belastung und direkten Traumata zugeschrieben (vor allem Rückenstrecker, Gesäß, Quadrizeps und Waden sind betroffen). Wenn der CK-Wert erhöht ist, sind deutliche Leistungseinbußen nachweisbar.
Erholungsstrategien
Wenn diese Faktoren berücksichtigt werden, wird schnell klar, warum pauschale Erholungsstrategien nicht empfehlenswert sind. Wenn es um die Erholung nach einem Spiel geht, gibt es aber einige „nicht verhandelbare“ Aspekte, die jeder Athlet berücksichtigen muss. Es wurde in diesem Zusammenhang schon viel recherchiert mit dem Ziel, das letzte Quäntchen bzw. die „zusätzlichen zwei Prozent“ zu erzielen. Dagegen ist absolut nichts einzuwenden, solange die beiden Hauptfaktoren stimmen, die die Erholung maßgeblich beeinflussen (also die anderen 98 Prozent). Es handelt sich dabei um:
(1) Ernährung
Rehydrierung
Welche Mittel jedes Team verwendet, um dieses Ziel zu erreichen, kann teilweise auch von Sponsorenverträgen abhängen, aber in der Regel wird ein Sportgetränk verwendet, das aus Kohlenhydraten und Elektrolyten besteht. Die Flüssigkeitsversorgung des Nationalkaders wird in bestimmten Phasen täglich kontrolliert, und Spieler mit einer hohen Osmolarität werden dazu angehalten, ihre diesbezüglichen Gewohnheiten zu modifizieren.
Glykogen-Resynthese
Es ist wichtig, dass die Glykogenspeicher der Muskeln vor dem Spiel gefüllt sind, und dieser Aspekt ist vor allem in Sportarten wichtig, in denen über eine längere Dauer hinweg hochintensive Arbeit verrichtet wird. Die Wiederherstellung des Muskelglykogens nach dem Training ist der wichtigste Faktor der Erholungsphase. Es scheint, als würden sich die Glykogenspeicher in der ersten Halbzeit schneller leeren, weshalb es ratsam ist, in der Halbzeitpause ein kohlenhydratreiches Getränk mit hohem glykämischen Wert zu sich zu nehmen. Nach dem Spiel sollten in den ersten zwei Stunden nach dem Abpfiff 75-90g Kohlenhydrate konsumiert und über einen Zeitraum von insgesamt 5 Stunden die Glykogenspeicher nach und nach gefüllt werden, obwohl das natürlich auch davon abhängt, wann das Spiel endet. Viele Spieler können unmittelbar nach dem Spiel nicht sofort etwas essen, und so eignet sich auch hier ein kohlenhydratreiches Getränk, mit dem man sich gleichzeitig rehydrieren kann.
(2) Schlaf
Ausreichender Schlaf ist für die körperliche und mentale Regeneration absolut entscheidend. Schlaf könnte sogar der wichtigste Erholungsmechanismus sein, der uns zur Verfügung steht. Es gibt zwar nur wenige Studien über die Schlafgewohnheiten von Elite-Athleten, aber allgemein lässt sich sagen, dass Schlafmangel die folgenden Wirkungen hervorrufen kann:
- Verringerte Abwehrkräfte mit erhöhter Infektanfälligkeit
- Verzögerte Reaktionszeit und Entscheidungsfindung
- Zunahme der wahrgenommenen Anstrengung bei wiederholten Aktivitäten
- Verringerte Synthese von Wachstumshormonen, langsamere Reparatur von Muskelschäden
- Anstieg der Cortisol-Konzentration im Blut
- Verzögerte Regeneration der Glykogenspeicher
Deshalb sollten Teams Maßnahmen ergreifen, um die Schlafumgebung der Spieler zu verbessern, vor allem in Hotels. Spieler schlafen oft erst nach zwei Uhr nachts ein, weil sie eine Weile brauchen, um nach einem anstrengenden Spiel zur Ruhe zu kommen. Das ist kurzfristig kein großes Problem, weil es für die Spieler normal ist, Spiele am Abend zu bestreiten. Es wird allerdings zum Problem, wenn ein Spieler ein Schlafdefizit akkumuliert.
Die folgenden Strategien empfehlen sich zur Verbesserung der Schlafhygiene:
- Halte dich in einem dunklen Raum auf. Helligkeit hält wach, weil die Ausschüttung von Melatonin gehemmt und der Sympathikus angeregt wird.
- Vermeide den Konsum koffeinhaltiger Getränke am Nachmittag und Abend.
- Setze deine Schlafgewohnheiten konsequent um.
- Dein Schlafzimmer sollte kühl sein. Es ist unklar, wie hoch die ideale Schlaftemperatur ist, aber man nimmt an, dass sie zwischen 19 und 21 Grad liegt.
- Verzichte auf einen Mittagsschlaf, wenn dieser das nächtliche Durchschlafen beeinträchtigt.
Andere Erholungsstrategien
Es gibt viele Modalitäten, die die Erholung nach einem intensiven Match unterstützen, und wir werden im Laufe eines Turniers vermutlich auf die eine oder andere Weise mit ihnen in Berührung kommen. Die Wirksamkeit vieler Interventionen ist wissenschaftlich nicht belegt, und so konzentriere ich mich auf die gängigsten Erholungsmethoden, die im Profifußball Anwendung finden.
Eisbäder
Eisbäder zählen zu den gängigsten Interventionen nach einem Spiel. Weil sie die adaptive humorale/molekulare Reaktion auf intensive körperliche Aktivität verzögern können, ist ihr Einsatz nach dem Training umstritten, aber aufgrund ihrer schmerzlindernden Wirkung können sie durchaus hilfreich sein, um nach einem Match Muskelschäden zu reduzieren. Man kann auch Wechselbäder verwenden. Hierfür plant man normalerweise 20-30min ein, in denen dem man sich 3-4min lang in warmem Wasser (37-43 Grad) bewegt und 30-60sek in kaltem Wasser (12-15 Grad). Eisbäder können auch die Schlafqualität verbessern.
Massagen
Massagen zählen zu den am häufigsten verwendeten Modalitäten im Profi-Fußball. Es spricht vieles dafür, dass Massagen effektiv sind, um den wahrgenommenen Muskelkater zu reduzieren, obwohl weniger klar ist, wie sie sich auf die Verbesserung der Muskelfunktion und athletischen Leistungsfähigkeit auswirken. Massagen haben außerdem eine hohe Entspannungswirkung, die zum Abbau von psychischem Stress enorm beiträgt. Es kann durchaus sein, dass eine intensive Massage nach einem Spiel das Abklingen vorhandener Traumata verzögert, und deshalb sollte ihre Ausübung qualifizierten Physiotherapeuten vorbehalten sein.
Erholungssessions im Pool
Hydrostatischer Druck kann hilfreich sein, um nach einem Spiel die Symptome von Muskelschäden und allgemeiner Erschöpfung zu reduzieren. Die Temperatur des Wassers scheint in diesem Zusammenhang nicht allzu wichtig zu sein. Ein Beispiel für ein typisches Pool-Erholungsprogramm ist:
Gehen vorwärts / rückwärts / seitlich 5 x 10m (jede Richtung) in hüfttiefem Wasser |
4 Bahnen schwimmen (unterschiedliche Techniken) |
Aqua-Jogging (geringe Intensität) 2 Bahnen |
Ausfallschritte vorwärts mit Oberkörperdehnungen (Rotationen / Seitwärtsdehnungen usw.) 2 x Poolbreite |
Kniehub und Anfersen Jogging 2 x Poolbreite |
Seitlicher Ausfallschritt 2 x Poolbreite |
Carioca Jogging 2 x Poolbreite |
Aqua Volleyball 2 x 5min pro Halbzeit |
5min statisches Dehnen der wichtigsten Muskelgruppen, außer es besteht eine Kontraindikation |
Das 100-Punkte-Menü
Wir wissen, dass der Erholungsprozess sehr individuell ist, und deshalb vertreten wir die Auffassung, dass es am besten ist, ein „Modalitäten-Menü“ zu erstellen. Direkt nach einem Spiel müssen die Spieler daraus Aktivitäten wählen und 100 Punkte erreichen, wobei Alkoholkonsum automatisch zu einem Abzug von 25 Punkten führt, die sie an anderer Stelle neu sammeln müssen. Wir raten unseren Spielern von Alkoholkonsum ab, finden allerdings, dass ein auf Einsicht begründeter, freiwilliger Verzicht mehr bringt als ein generelles Verbot.
Am nächsten Tag und im Laufe der Woche gibt es weitere Punkte zu berücksichtigen. Wir belohnen eine kollektive Erholung in der Gruppe mit einer höheren Punktzahl, weil die soziale Interaktion mit Freunden und Familie bekanntermaßen positive endokrine Wirkungen hat.
Zusammenfassung
Der Erholungsprozess gibt dem Körper die Möglichkeit, Anpassungen vorzunehmen, sich zu regenerieren und mit Nährstoffen zu versorgen. Die Wirksamkeit der Erholungsstrategien, die verschiedene Betreuerteams anwenden, übt maßgeblichen Einfluss darauf aus, ob das Team optimal einsatzfähig ist. Die beiden Hauptfaktoren, die als individualisierte Strategien betrachtet werden müssen, sind 1. das Wiederauffüllen der Glykogen- und Flüssigkeitsspeicher nach dem Spiel bzw. Training und 2. Schlaf. Hinzu kommt die Erholung von dem psychischen und emotionalen Stress, der in wichtigen Wettkämpfen unweigerlich auftritt!
Euer David Joyce