Lerne und erfahre mehr zum Thema Mobilität bei der CMT-Ausbildung
Matt Foreman schrieb letzte Woche einen überaus positiven Artikel über Alyssa Sullay – eine Gewichtheberin, mit der ich bereits seit einer Weile zusammenarbeite. Wir erhielten anschließend eine Reihe von Zuschriften mit der Bitte um weiterführende Informationen darüber, was Alyssa und ich genau gemacht haben, um ihre Überkopf-Position zu verbessern. Ich werde in diesem Artikel zu erklären versuchen, wie wir in den letzten ca. vier Jahren vorgegangen sind. Am Anfang schaffte sie im Overhead Squat gerade einmal 30kg, mittlerweile reißt sie stattliche 83kg.
Ihre Überkopf-Position ist noch lange nicht optimal; sie ist immer noch ihr größtes Manko im Snatch (Reißen) und Jerk (Stoßen). Aber mittlerweile schafft sie im Snatch 83kg, im Jerk 105kg und im Power Jerk 100kg – und das bei einem Körpergewicht von 63kg; sie hat also gewaltige Fortschritte gemacht. Außerdem trainiert sie fünf- bis neunmal in der Woche und nimmt ihren Sport sehr ernst; sie hat hart und lange gearbeitet, um so weit zu kommen. Erwarte nicht, dass du diesen Artikel liest und deine Überkopf-Probleme in einigen Wochen beheben kannst.
Alyssa verfügt in den Fußgelenken und Hüften über eine hohe Mobilität, aber jeder Athlet muss die Beweglichkeit seines Unterkörpers individuell prüfen, um auszuschließen, dass diese für eine eingeschränkte Überkopf-Position verantwortlich sind oder zumindest dazu beitragen. Darauf achtet man oft nicht – in vielen Fällen liegt im oberen Rücken und den Schultern eine mehr als angemessene Mobilität vor, aber eine eingeschränkte Beweglichkeit der Fuß- und Hüftgelenke bringt den Gewichtheber in eine ungünstige Hockposition, die der Oberkörper dann irgendwie ausgleichen muss.
Ein Großteil der Arbeit, die Alyssa geleistet hat, um das Problem zu beheben, fand im Kraftraum statt, aber sie hat auch andere Maßnahmen ergriffen, beispielsweise Termine beim Chiropraktiker wahrgenommen und ihr Weichgewebe mit Selbstmassagen usw. behandelt.
Wir können unsere Arbeit in zwei Hauptkategorien aufteilen: Mobilität und Kraft/Stabilität.
Mobilität
Alyssa hat zwei grundlegende Probleme, die ihre Mobilität beeinträchtigen – einen sehr verspannten Schultergürtel, d.h. verkürzte Brustmuskeln, und eine hyperkyphotische Brustwirbelsäule. Diese beiden Schwachstellen machen die Überkopf-Mobilität und Stabilität eines jeden Gewichthebers zunichte, weil – ungeachtet der vorliegenden Kraft und Technik – die Einnahme einer korrekten Körperhaltung verhindert wird.
Es ist also naheliegend, dass sich ihre Mobilitätsarbeit darauf konzentrieren muss, ihre Brustwirbelsäule in eine bessere Position zu bringen und den Schultergürtel zu dehnen. Für die Mobilität der Brustwirbelsäule tun wir einiges, und über die Jahre hinweg haben wir alles Mögliche ausprobiert. Nachfolgend möchte ich die wichtigsten und bewährtesten Übungen vorstellen:
Foam Rolling
Alyssa mobilisiert ihre mittlere und obere Rückenpartie mehrmals am Tag mit einer quer unter der Wirbelsäule abgelegten Hartschaumrolle, als Minimalanforderung bzw. Teil des Programms, das sie vor dem eigentlichen Training absolviert. Das ist eine sehr einfache, unkomplizierte Methode, um die Brustwirbelsäule in Bewegung zu versetzen und zu lockern. Ansonsten legt sie sich einfach auf die Rolle, normalerweise mit über den Kopf gestreckten Armen, und versucht sich zu entspannen bzw. in die Rolle zu „sinken“. Sie verweilt mehrere Sekunden an verschiedenen Stellen und arbeitet sich von der Rückenmitte bis zum Nackenansatz vor.
Halbrolle
Wir haben bei ihr auch eine andere Variante angewendet: sie legt sich auf eine Hartschaumrolle, die der Länge und Breite nach halbiert ist. Sie bringt diese Halbrolle unter ihre Brustwirbelsäule, so wie einen normalen Foam Roller, kann aber länger in dieser Position verweilen, weil die Rolle flacher und etwas weicher ist. Manchmal hält sie dabei eine Hantelscheibe in jeder Hand und die Arme in einer 90/90-Position (d.h. also die Schultern und Ellbogen jeweils im rechten Winkel vom Körper gebeugt). Damit kombiniert sie die Mobilisierung der Brustwirbelsäule mit einer Dehnung des Schultergürtels.
Leaning Bar Hang
Dies ist eine meiner Standarddehnungen für den Schultergürtel; einfach, unspektakulär und effektiv – so wie ich es mag. Man hängt sich dabei an eine Klimmzugstange und hält die Hände wie beim Jerk oder etwas breiter auseinander; die Zehen bleiben einen halben bis einen Meter hinter der Klimmzugstange am Boden (oder bei Bedarf auf einem Kasten abgestellt), man lehnt sich nach vorne und wölbt die Brust nach vorne (der Bodenkontakt ermöglicht die vorwärts geneigte Haltung, wodurch man sich intensiver dehnen kann). Der große Vorteil dieser Dehnung ist, dass sie den unteren Rücken ordentlich unter Zug setzt, was für Gewichtheber sehr vorteilhaft ist.
Leaning Bar Hang
Brustdehnung am Türstock
Dies ist eine weitere, überaus einfache Dehnung, die wahre Wunder wirkt. Lege den Unterarm mit leicht gebeugtem, über Schulterhöhe befindlichem Ellbogen auf den Türstock oder Pfosten eines Power Racks und drücke die Brust vorwärts, um den Schultergürtel zu öffnen.
Brustdehnung am Türstock
Unterarmdehnung
Wieder einfach und effektiv. Ich amüsiere mich jedes Mal, wenn ich sehe, wie sich so mancher Zeitgenosse kunstvoll mit einem Widerstandsband verschnürt, um eine vergleichbare Dehnung zu erzielen, diese letztlich aber nur unnötig kompliziert und weniger effektiv macht. Hebe deinen Arm über den Kopf, beuge den Ellbogen maximal und lege die Rückseite des Unterarms möglichst flach auf den Pfosten eines Power Racks o.ä. Spanne die Bauchmuskeln an, um eine lumbale Hyperextension zu vermeiden, und lehne dich nach vorne, um die Schulter möglichst zu öffnen. Benutze die freie Hand, um das Handgelenk des gedehnten Arms zu halten, und drücke es leicht nach außen.
Unterarmdehnung
Mobilisierung der Brustwirbelsäule mit Partner
Dies ist eine Übung, die unser Chiropraktiker vor einigen Jahren eingeführt und sich als sehr hilfreich erwiesen hat; Alyssa macht diese Übung vor jedem Workout. Sie kniet sich auf den Boden, streckt ihre Arme über den Kopf und stützt die Ellbogen auf einem Kasten oder einer Trainingsbank ab, wodurch ihr Rumpf parallel zum Boden steht. Ich lege meine Daumen auf beiden Seiten ihrer Wirbelsäule auf, übe leichten Druck aus und wandere mit den Daumen auf und ab, um ihren sehr verspannten und hyperkyphotischen Rücken ein wenig zu lösen.
Mobilisierung der Brustwirbelsäule mit Partner
Brustdehnung
Ich finde diese Bezeichnung lustig. Alyssa macht diese Dehnung normalerweise gleich im Anschluss an die Mobilisierung der Brustwirbelsäule mit Partner. Sie geht in den Fersensitz und verschränkt ihre Hände hinter dem Kopf. Ich drücke einen meiner Oberschenkel gegen ihren Rücken, um ihre Haltung zu fixieren, und ziehe ihre Ellbogen zurück. Man kann diese Dehnung auch variieren und mit gerade nach oben gestreckten Armen ausführen.
Brustdehnung
Stabilität & Kraft
Mobilität und Stabilität sind untrennbar miteinander verbunden – beide Eigenschaften müssen gleichermaßen ausgeprägt sein, damit alles ordentlich funktionieren kann. Die Überkopf-Position im Snatch und Jerk sind perfekte Beispiele dafür – eine angemessene Mobilität für die Einnahme der korrekten Position bringt nicht sonderlich viel, wenn man diese unter Last nicht aufrechterhalten kann. Dies ist teilweise eine Funktion der Kraft, aber auch ein unabhängiger Faktor der Propriozeption usw. Ich kombiniere die beiden Eigenschaften hier, weil es eine Menge Überschneidungen gibt, vor allem hinsichtlich der Art, wie wir sie trainieren.
Erstens weisen der Snatch und Jerk Parallelen auf, beispielsweise die zwei- bis dreisekündige Fixierung der Hantelstange über dem Kopf (normalerweise in der Hocke oder im Ausfallschritt) vor dem Aufrichten bzw. Strecken der Beine. Das ist eine effektive Methode, mit der man die Überkopf-Kraft und -Stabilität verbessern kann, ohne das Workout des Gewichthebers nennenswert zu verlängern, wie dies bei zusätzlichen Übungen oft der Fall ist.
Zweitens arbeiten wir daran, alle technischen Fehler zu beheben, die zur Instabilität in der Überkopf-Position beitragen. Je präziser der Bewegungsablauf ausgeführt wird, umso leichter ist es, die Hantel über dem Kopf zu fixieren, weil jede unnötige, willkürliche Bewegung minimiert wird. Für Alyssa bedeutet das, in der Sprungphase des Snatch bzw. in der Tauchphase des Jerk keine Vorwärtsbewegung zu machen.
Drittens achten wir darauf, dass sie sich gut aufwärmt – ich staune, dass dieser wichtige Punkt oft übersehen wird. Wenn man sich nicht angemessen aufwärmt, heißt das, dass man nicht in der Lage ist, den Bewegungsumfang abzurufen, über den man eigentlich verfügt.
Viertens benutze ich Übungen, um die Kraft und Stabilität in der Überkopf-Position gezielt zu verbessern. Manche davon (Overhead Squat, Snatch Push Press, Press in Snatch) kommen bei so ziemlich allen Gewichthebern zum Einsatz, während ich andere nur anwende, wenn es für den betreffenden Gewichtheber einen konkreten Bedarf gibt. Die folgenden Übungen benutze ich regelmäßig im Training mit Alyssa:
- Jerk Support
- Jerk Recovery
- Push Jerk Behind the Neck in Split
- Push Press Behind the Neck
- Overhead Squat
- Clean-grip Overhead Squat
- Heaving Snatch Balance
- Snatch Push Press
- Press in Snatch
- Push Jerk in Snatch
Praktische Anwendung
Hinsichtlich der Verbesserung der Schultermobilität (und die Mobilität im Allgemeinen) muss man wissen, dass sie eine frustrierende Kombination aus Konsequenz und Geduld erfordert: es gibt kein schnelles Patentrezept dafür.
Einige der oben genannten Übungen sollten nicht von Personen ausgeführt werden, die extrem unbeweglich sind – wenn Nackendrücken und ähnliche Übungen Schmerzen bereiten, sollten sie vermieden werden. Sobald sich die Beweglichkeit verbessert hat, werden Push Presses hinter dem Nacken vermutlich als erstes möglich sein, da der Schwung, der durch die Beine erzeugt wird, die Hantel durch den am stärksten eingeschränkten Bewegungsumfang bringt und somit die Anforderungen an die Schulterstrukturen reduziert. Mit zunehmender Mobilität kann die Beindynamik allmählich verringert und/oder das Hantelgewicht erhöht werden.
Das Fazit lautet: Absolviere täglich so viel Mobilitätsarbeit wie möglich, bleibe konsequent, und verwende in deinem Training Übungen, die dir helfen, deine Mobilität zu entwickeln oder zu erhalten und die Überkopf-Position zu stabilisieren. Aber stelle dich darauf ein, dass dieser Prozess langwierig und eintönig ist.
Euer Greg Everett