Dr. Till Sukopp im Interview zum Training mit Sandbags
1. Was ist so effektiv am Training mit Sandbags?
Das ist eine gute Frage. Der Sandbag ist ein extrem vielseitiges Trainingsgerät. Man kann damit in allen Ebenen und Richtungen trainieren. Mit den meisten anderen Geräten arbeitet man nur in der sagittalen Ebene. Bewegungen nach rechts und links oder gar Rotationen kommen so gut wie nicht vor. Der Sandbag dagegen deckt alle Bewegungsebenen ab und es gibt eine Vielzahl an Übungen, die sonst nicht möglich sind.
Der Sand zieht immer zum Boden hin und verschiebt sich auch innerhalb des Gerätes. Dadurch wird der Körper auch immer etwas mit verschoben und muss stabilisieren, was eine höhere Anforderung an den Körper stellt. Aber im Alltag erwarten uns eben auch diese Bewegungen. Wenn ein Kind auf einen zugelaufen kommt und in den Arm springen will, kann man auch nicht sagen: Warte bis ich mich richtig hingestellt habe.
2. Das Training mit dem Sandbag ist also alltagsnah?
Es trainiert Bewegungen, die man sonst eher nicht trainiert.
Die Amerikaner nennen den Sandbag ein „odd-object“ – also ein ungewohntes Gerät. Das bedeutet, dass der Sandbag ungewöhnliche Eigenarten hat, die wir im Training normal nicht kennen und die vermeintlich nicht dazu passen. Langhanteln, Kettlebell, ViPR sind mehr oder weniger starr, also nett. Der Sandbag ist nicht nett. Die Übertragbarkeit des Training auf Alltags- und Sportbewegungen ist sehr hoch, weil man lernt, sich in alle Richtungen und in verschiedensten Winkeln stabil zu bewegen.
3. Welche Tipps hast du für Einsteiger ins Training mit Sandbags?
Ganz wichtig ist es die Grundlagen nicht zu unterschätzen. Am besten sollte man unter der Anleitung eines zertifizierten Trainers lernen. Grundübungen sind Kreuzheben, Kniebeugen und das vorgebeugte Rudern. Diese sollte man sauber und stabil beherrschen, bevor man in das dynamischere Training mit Cleans, Ausfallschritten oder schwierigeren (Anti-) Rotationsübungen einsteigt.
Wichtig ist auch, dass man den Sandbag nicht zu schwer wählt und lieber klein anfängt. Viele orientieren sich am Gewicht der Langhantel, mit der Sie gearbeitet haben. Den Fehler habe ich auch gemacht. Durch die Instabilität ist der Sandbag deutlich schwerer im Training zu beherrschen und fordert andere Muskelpartien. Für Einsteiger reicht meist der kleine Sandbag, gefüllt mit 12-15 Kilogramm. Klingt nicht viel, aber nach einer viertel Stunde Training wird jeder verstehen, was ich meine.
4. Wie lange dauert es, bis man in die Rotations-Übungen einsteigen kann?
Das ist unterschiedlich und hängt natürlich vom Sportler ab. Letztendlich erlaubt das D.V.R.T. einen sehr feinen Progressionsverlauf. Allein bei den Grundübungen gibt es schon 13 Stufen, ohne dass dabei das Gewicht verändert wird. Und dann kommen noch Komponenten wie Tempo oder Pausenlänge dazu.
Die meisten Sportler wollen direkt in die Rotation einsteigen, aber so einfach klappt das in der Regel nicht. Josh Henkin, Entwickler des Ultimate Sandbag und das Dynamic Variable Resistance Training (DVRT), wurde bei seinem Hands-on auf dem 3. Functional Training Summit von allen Seiten gefragt, ob man nicht Rotations-Übungen machen könnte. Er hat zu meiner Überraschung zugestimmt. Bei den Übungen sind die Teilnehmer – selbst zumeist Fitness-Trainer – dann Reihenweise nach rechts und links umgekippt oder hatten große Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten, weil sie die Übungen nicht kontrollieren konnten. Vielen fehlt die Stabilität zur Seite und in der Rotation. Diese Bewegungen sind wir oft nicht mehr gewohnt und trainieren sie auch nicht.
5. Welche Übungen mit dem Sandbag sind die besten?
Es gibt so viele Übungen (das D.V.R.T.-System beinhaltet hunderte), dass man eigentlich nicht von der besten sprechen kann. Wichtig sind, wie schon gesagt die Grundübungen.
Empfehlen kann ich auf jeden Fall die Bear Hug Squat, bei der der Sandbag vor der Brust umarmt wird. Dieser ist gut für die Ausführung der Kniebeuge, da der Oberkörper sehr stabil ist.
Dann kann man viele Übungen mit geschultertem Sandbag machen: Kniebeuge, Ausfallschritte, usw. Da das Gewicht des Sandbags die Schultern runterdrückt und der Sand permanent fließt wird der Körper asymmetrisch belastet und man muss immer darauf achten, dass der Körper stabil bleibt und in Hüfte, Knie oder Oberkörper nicht ausweicht. Das fördert die Stabilität.
Eine meiner Lieblingsübungen beim Training mit Sandbags ist der Rotational Lunge. Man trainiert effektiv Herz-Kreislauf, Kraft und Stabilität in allen Ebenen.
Zudem kann man natürlich alle klassischen Hebeübungen mit dem Sandbag durchführen und zudem noch Rotationen einbauen, z. B. rotierte Deadlifts, Cleans, High Pulls, Snatches u. a.
6. Welche Dinge muss ein Trainer beachten?
Der Trainer sollte sich immer fragen: Warum nutze ich jetzt diese Übung für meinen Klienten und nicht eine andere. Das Warum ist immer das Wichtigste!
Und ich kann es nur wiederholen: Auch der Trainer muss darauf achten, dass der Sportler zunächst die Grundübungen beherrscht. Viele können die Schultern nicht stabilisieren und wenn diese nicht hinten unten bleiben, kollabiert die Brustwirbelsäule, dann die Lendenwirbelsäule und das kann Verletzungen hervorrufen.
Es heißt also Technik, Technik, Technik!
Das Training mit dem Sandbag kann teilweise auch zugleich das Korrekturtraining für unbewegliche oder instabile Gelenke sein. So verbindet man das Workout mit Corrective Exercises.
Euer Dr. Till Sukopp
Auf dem Functional Training Summit in München wird Dr. Till Sukopp Workshops im Kettlebell und Sandbag Training geben.