Es gibt wenige Sportler, welche den Push-up noch nicht in ihrer Trainingsroutine hatten und dennoch ist der technisch korrekt durchgeführte Push-up selten. Daraus resultiert eine schmerzende Schulter, welche oft mit der Entzündung der Supraspinatussehne oder Bicepssehne einhergeht. Dieser Artikel richtet sich an alle Sportler, die langfristig eine gesunde Schulter behalten und nicht auf Push-ups verzichten wollen. Als erste Landmarke wird sich der Handposition und dem daraus resultierenden Oberarm-Rumpf-Winkel gewidmet. In unzähligen Berichten wird diese aufgegriffen, um durch verschiedenes Platzieren der Hände unterschiedliche Reize zu setzen.
Korrekt ausgeführter Push-up
In einer ausführlichen EMG-Messung untersuchte W.-U. Boeckh-Behrens und W. Buskies den Liegestütz hinsichtlich der Rekrutierung der Muskelfasern in den einzelnen Anteilen des großen Brustmuskels. In den drei Muskelteilen pars abdominalis, pars sternocostalis und pars clavicularis erreichte die Rekrutierung ihre Spitzenwerte bei schulterbreiter Handstellung mit nach vorne gerichteten Fingerspitzen und oberkörpernaher Ellenbogenführung. Ein Innenrotieren der Fingerspitzen und nach außen führen der Ellenbogen minderte die Rekrutierung in jedem der drei Anteile des großen Brustmuskels (vgl. Buskies und Boeckh-Behrens 2000: 364 ff.) Ein zu starkes nach außen führen der Ellenbogen (Winkel > 45°) erhöht das Verletzungsrisiko der Schulter signifikant. In diesem Gradbereich wird im subacromialen Raum der subacromiale Schleimbeutel und die Sehnen des langen Bizepskopfes (caput longum) und des M. supraspinatus stark komprimiert. Werden die Supraspinatus- und Bizepssehne regelmäßig „abgeklemmt“, werden sie schlecht durchblutet. Dies führt zu einer Unterversorgung und dies wiederum zu degenerativen Veränderungen.
Zu weit nach außen geführte Ellenbogen führen zu Schulterschmerzen
Zusätzlich sollte beim Absenken auf einen senkrechten Unterarm geachtet werden. Diese Variante rekrutiert mehr Fasern im M. triceps brachii und senkt die Kompressionsbelastung im Ellenbogengelenk. Das Drehmoment, welches z.B. Kelly Starrett in seinen Büchern betont, spiegelt die zweite Landmarke wieder. Eine aktive Stabilisierung der Schulter sollte bei jeder Übung ein must-have darstellen, wenn die Schultern bei der zu verrichtenden Bewegung beteiligt sind. Doch leider ist dies der vernachlässigste technischste Aspekt bei den Liegestützen. Kelly Starrett vergleicht die aktive Stabilisierung der Schulter in seinem neuen Buch „Sitzen ist das neue Rauchen“ mit einem Bonbon. Durch Drehen des Papieres in unterschiedliche Richtungen, kann das Bonbon fest eingewickelt werden (vgl. Starrett 2016: 74 ff.). Falls das Beispiel zu weit entfernt ist, kann die geballte Faust unter das T-Shirt genommen und etwas vom Körper entfernt werden. Anschließend wird das Shirt zwischen Bauch und Handgelenk gegriffen und etwas gedreht. Es entsteht sofort Spannung auf dem um die Faust herum liegenden T-Shirt. Alternativ kann auch ein Handtuch verwendet werden. Das Gleiche spielt sich im Schultergelenk ab, wenn aktiv ein Drehmoment aufgebaut wird. Das Kugelgelenk in der Schulter stellt in diesem Fall die Faust und das Shirt dar.
Handtuch ohne und mit Spannung durch Drehung
Aufbau des Drehmoments:
Um das Drehmoment im Schultergelenk aufbauen zu können, werden die Hände aktiv in den Boden geschraubt. Obwohl von der Ansteuerung der Muskeln die Hände nach außen rotiert werden, zeigen weiterhin die Fingerspitzen nach vorne. Die Ellenbogen Innenseite zeigt ebenfalls nach vorne. Es wird eine isometrische Spannung im Schultergelenk aufgebaut, welche die Schulterblätter und die Köpfe des Oberarmknochens optimal in Position bringt. Oft fallen der Aufbau und das Halten des Drehmoments vielen Sportlern zu schwer, wodurch ein schneller Spannungsverlust in der Schulter entsteht. Bei diesem Problem kann der statische Push-up Abhilfe schaffen. Soll dennoch die Muskulatur dynamisch trainiert werden, können die Hände erhöht aufgesetzt werden, wodurch der Hebel verändert und das zu bewältigende Gewicht reduziert wird. An dieser Stelle wird jedoch deutlichst von der sogenannten Frauenliegestütze abgeraten. Warum?
Durch das Absenken der Knie wird ein anderes Bewegungsmuster – im Vergleich klassischen Liegestütz – im Gehirn eingespeichert. An dieser Stelle ist die Beschreibung von Gray Cook sehr gut. Er vergleicht den menschlichen Körper mit einem Computer und dessen Soft- & Hardware. Die Hardware sind die Gelenke, Muskeln, Bänder und allen anderen Körperteilen. Die Software hingegen bezieht sich auf die motorischen Programme. Das oben angesprochene „andere Bewegungsmuster“ ist ein motorisches Programm. Der menschliche Körper ist als eine sehr effiziente Maschine anzusehen. Wird eine Bewegung oft wiederholt, so wird diese exakt abgespeichert. Bei der erneuten Durchführung wird bei dem Programm „Liegestütze“ auf Play gedrückt und der Körper ruft die erlernte Bewegung ab. Dadurch wird kostbare Energie und Speicherplatz gespart (vgl. Gray Cook 2014: 21). Soll also der Liegestütz erlernt werden, darf seine Regression so wenig wie möglich von der Ausgangsposition abweichen. In diesem Fall wird auf das Erhöhen der Hände gesetzt. Durch das Erhöhen der Hände verändern sich lediglich der Hebel und die muskuläre Belastung. Jedoch bleibt das grundlegende motorische Programm relativ nahe bei dem klassischen Liegestütz.
Als weiteres Argument gegen die Frauenliegestütze ist das fehlende Drehmoment anzuführen. Die Hüfte ist ein Nussgelenk, eine Unterform des Kugelgelenks. Durch ein aktives Verschrauben der Beine, kann eine gute Spannung in den unteren Extremitäten erzeugt werden, auf welche nicht verzichtet werden sollte. Der Aufbau des Drehmoments gleicht dem der Schulter. Der Name „Frauenliegestütze“ ist zudem nicht treffend. Es sollte bei einer so elementaren und wichtigen Übung wie dem Liegestütze keine Differenzierung zwischen Mann und Frau geben. Auch wenn Frauen genetisch bedingt ein geringeres Kraftniveau aufweisen, sollte langfristig der klassische Liegestütz als Ziel angepeilt werden. Werden die genannten Tipps im Training umgesetzt, so gleicht der Liegestütz mehr und mehr einer Ganzkörperübung und sollte in keinem Trainingsplan mehr fehlen.
Euer Janek Klingmann
Quellen:
Buskies, W., & Boeckh-Behrens, W. U. (2000). Fitness-Krafttraining.
Starrett, K. (2016). Sitzen ist das neue Rauchen.
Cook, G. (2014). Der perfekte Athlet. Spitzenleistungen durch Functional Training