Ein hart trainierender Sportler muss aus mehreren Gründen gut mit Flüssigkeit versorgt sein. Mangelnde Gewebehydration kann die VO2max – den Indikator für die maximal mögliche Sauerstoff-aufnahme des Körpers zur Aufrechterhaltung der Laufleistung – um bis zu 11 Prozent senken. Dazu schränkt sie die Funktionen der Gelenke sowie die Gleitfähigkeit der Gewebeoberflächen ein, die beim Training strapaziert werden. Das ist nur der Anfang, doch konzentrieren wir uns auf diese zwei Aspekte. Durch Trinken der richtigen Flüssigkeiten verhinderst du,
• dass dir maximal mögliche Ausdauer verschlossen bleibt und
• dass die wichtigsten Laufmuskeln und dein Bindegewebe ausdörren wie Lagerfeuerholz.
Erläuterung
Läufer können sich die Folgen von Dehydration nicht leisten. Sobald das Gesamtwasservolumen des Körpers auf einen Tiefstand kommt, fehlt Blut im Blutkreislauf. Dadurch kann das Gewebe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden. Weniger Sauerstoff in den beanspruchten Muskelpartien bedeutet weniger Leistung. Wasser ist ein Schlüsselfaktor für die Wärmeregulierung. Durchschnittlich verlieren wir annähernd drei Liter täglich durch Atmung, Schwitzen und Urinieren. Rund 0,7 Liter davon verschwinden – kein Scherz – über die Fußsohlen. Addiert man Laufen zu dieser Gleichung, gehen die Werte nach oben.
Werfen wir einmal einen Blick auf die Körpergewebe: Wir alle wurden mit diesen erstaunlichen Supermaterialien geboren, die in Summe das Laufen über längere Strecken ermöglichen. Für ihre Pflege, Reparatur und Optimierung kann man viel tun, und alle Maßnahmen beginnen mit der Flüssigkeitszufuhr. Die energieerzeugenden Mitochondrien erhalten ihre wässrige Umgebung nicht nur über die Zellflüssigkeit; auch die Interstitialflüssigkeit zwischen den Zellen sorgt dafür sowie die Gleichgewichte und Ungleichgewichte im Elektrolythaushalt. Eines meiner großen Themen ist die Herstellung einer guten Gleitfähigkeit der Gewebeoberflächen, insbesondere um die Gelenke herum. Ich erkläre dabei, wie die verschiedenen Gewebe – Haut, Nerven, Muskeln und Bindegewebe – arbeiten. Können sich die Nerven frei in den Muskeln bewegen? Gleitet die Haut ungehindert über die Knochen? Wie funktionieren das Gleiten und Verschieben bei Gewebearten, die sich wechselseitig ergänzen? Dehydration ist einer der Faktoren, der hier zu Verklebungen führen kann und damit Bewegungen in Schlüsselbereichen wie den Sprunggelenken einschränkt. Nun sehen wir uns die Gelenke und das Knorpelgewebe dazwischen an: Ist Letzteres gut durchfeuchtet, gleiten auch die Gelenke gut. Dehydrierte Knorpel dagegen bringen die Gelenke meist zum Knirschen. Du willst rheumatische Beschwerden loswerden? Trinke viel Wasser, und bewege dich, das ist ein guter Anfang.
Hydration bedeutet für Ausdauersportler nicht nur, die Auswirkungen eines heißen Tages abzufangen. Sie beeinflusst das gesamte Training und die daran anschließende Regeneration. Richtig: Was den Körper und seine Leistungsfähigkeit angeht, ist Wasser eine »intelligente Bombe«. Es löst sich, es zirkuliert, und es transportiert Schadstoffe ab. Wasser ist das Lösungsmittel des Körpers, genau wie es das Lösungsmittel der Meere ist. In der wasserhaltigen Umgebung des Körpers finden Enzymreaktionen statt, und es werden Antikörper, Proteine, Nährstoffe, Hormone und Sauerstoff über das Blut- und Lymphsystem transportiert.
Eine 1996 im Biochemistry Journal veröffentlichte Forschungsarbeit stellt die Auswirkungen von Dehydration anschaulich dar. Dehydrierte Muskelzellen können Proteine und andere Nährstoffe nicht mehr richtig verstoffwechseln und sich selbst nicht mehr richtig erneuern. Das Elektrolytgleichgewicht gerät aus der Balance, die elektrochemischen Reaktionen für die Bewegung von Aminosäuren zwischen den Zellen verlangsamen sich. Chronische Dehydration führt zum Verlust von Energie und Muskelkraft. Wenn der Körper ausgetrocknet ist, setzt Rationierung ein. Im Gehirn und Körper arbeiten ständig Regulierungsmechanismen. Sie setzen eine Art Bewässerungsplan um, basierend auf Flüssigkeitsverfügbarkeit und Prioritäten. Sobald sich der Körper im Zustand der Dehydration befindet, stopft das Gehirn sozusagen ein Loch mit dem anderen. Das zur Verfügung stehende Wasser wird dann in die Bildung neuen Knochenmarks fließen, während die Gelenkknorpelgewebe leer ausgehen. Das Gleiche gilt bei der Unterversorgung mit Elektrolyten.
Dazu kommt das Thema Leistungsverlust. Bereits ein Minus von zwei Prozent in der optimalen Wasserversorgung im Körper kann den Leistungsverlust erzeugen, der sich durch eine elfprozentige Minderung der VO2max einstellt. Das Blut wird dadurch zähflüssiger und gibt weniger Sauerstoff ab. Wenn der Flüssigkeitshaushalt des Körpers erschöpft ist, steht auch weniger Wasser für Muskelkontraktionen zur Verfügung, da die Wärmeregulierung des Körpers stärker arbeiten muss, um die Körpertemperatur zu halten. Mehr Blut wird unter die Haut transportiert und fehlt dann in den Muskeln.
Die Flüssigkeitsversorgung fällt in das Keine-Pausentage-Regime. Als Richtwert empfehle ich eine Flüssigkeitsaufnahme von mindestens zwei bis drei Litern pro Tag. Wenn du nicht so viel Wasser trinkst, das du am besten zum Großteil oder sogar ganz mit Elektrolyten anreicherst, schaffst du einen der leichtesten und wichtigsten Standards nicht.
Wichtig: Die Prise Salz beim Rehydrieren
Dr. Stacy Sims, Sportphysiologin, Hydrationsexpertin und Gründerin der Firma Osmo, beschreibt einen großen Fehler, den viele Sportler beim Versuch zu rehydrieren machen. Sie füllen jede Stunde ihre Aluminium-Trinkflaschen an den Trinkstationen. Das führt zu zwei seltsamen Phänomenen: Sie müssen unendlich oft auf die Toilette und fühlen sich dennoch weiterhin durstig. Das erste Phänomen schreibt Dr. Sims der Tatsache zu, dass der Körper das Wasser nicht absorbiert. Selbst wenn der Urin klar ist, kann der Körper überhydriert sein. Das Gegenmittel hierzu ist laut Dr. Sims eine Prise Salz, die man dem Wasser nach dem Auffüllen in die Flasche gibt. Sie erleichtert es dem Verdauungssystem, das Wasser aufzunehmen. Bei Mahlzeiten gelten andere Gesetze. Hier das Essen salzen, mit Wasser runterspülen und fertig. Auch wasserhaltiges Obst und Gemüse ist gut. Wasser ohne Nahrung sollte jedoch immer mit einer Prise Salz angereichert werden.
Zusätzlicher Geschmack
Alles, was es also braucht, damit das Wasser in der Flasche am Schreibtisch nicht unabsorbiert durch dich hindurchläuft, ist eine Prise Salz. Ein Päckchen normales Haushaltssalz ist erschwinglich
und ermöglicht Hydration über eine sehr lange Zeit. Wer mehr Geschmack und/oder Convenience wünscht, kann die verschiedensten Optionen ausprobieren. Laut verschiedener Untersuchungen scheint Geschmack die Flüssigkeitsaufnahme zu fördern. Diese Theorie kann jeder für sich selbst testen.
Ausreichend hydriert oder nicht?
Wie stellt man fest, ob der Körper gut mit Flüssigkeit versorgt ist, wenn klarer Urin kein sicheres Zeichen ist? Kaufe dir dafür Urinteststreifen, und überprüfe, ob du Flüssigkeit zuführen musst oder nicht. Ein Streifen liefert erstaunliche Informationen; für die Hydration ist der SG-Parameter (spezifisches Gewicht) interessant. So liest man den Parameter und stellt fest, wo man steht:
• Normale Hydration: 1,005 bis 1,015
• Ab einem Wert von 1,020 wird es kritisch. Dieser Wert liegt rund ein Prozent unter dem optimalen Flüssigkeitsvolumen des Körpers.
• Ab 1,025: Noch schlechter. Jetzt muss unbedingt Flüssigkeit zugeführt werden.
Die Urinteststreifen liefern aber noch weitere objektive Daten darüber, wie gut die Regenerierung nach Workouts verläuft, was beispielsweise das gefürchtete »Übertrainieren« verhindern hilft. Dies liest man aus den Teststreifen:
• Leukozyten (LEU): Keine Farbveränderung bedeutet, dass es keine Leukozyten gibt. Der Teststreifen wird dunkelrosa, wenn der Leukozyten-Wert positiv ist – je dunkler, desto mehr Leukozyten. Falls dieser Wert am Tag nach einem intensiven Trainingstag erhöht ist, wäre es klug, mindestens einen Tag Pause zu machen. Schlafe, und trinke ausreichend. Sorge auch für abwehrstärkende Vitamine und Mineralstoffe. Beobachte weiter deine Herzfrequenz und den Leukozyten-Wert.
• Protein (PRO): Gelb ist normal. Zeigt das Reagens grün, ist Protein im Urin. Bis zu ein paar Stunden nach dem Workout ist das normal. Falls sich am nächsten Morgen noch Protein nachweisen lässt, hast sich noch nicht vollständig regeneriert – ein Zeichen, dass es besser wäre, an diesem Tag nur ein leichtes Training zu absolvieren oder lieber zu pausieren.
Euer Dr. Kelly Starrett
Dr. Kelly Starrett ist Autor folgender Bücher und DVD’s
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Ready to Run
Sitzen ist das neue Rauchen
Treat while you Train