Schnelligkeit ist natürlich von den genetischen Faktoren abhängig wie dem Verhältnis von schnellen zu langsamen Muskelfasern. Zum Beispiel haben die schnellsten Sprinter auf der Welt mehr als 70 Prozent Fast-Twitch-Fasern in bestimmten Muskeln. Zudem kann ein positives Bein-Körperlängenverhältnis die Leistung beeinflussen. Diese genetischen Vorteile kommen allerdings nur zum Tragen, wenn das Training den individuellen Faktoren und der Anforderung angepasst wird. Demzufolge muss der Coach an den persönlichen und situativen Stellschrauben drehen. Für diese Tätigkeit benötigt der Trainer zunächst Informationen zur Anforderung. Bei der Analyse von Sprintwettkämpfen finden wir eine Startreaktion, eine Startaktion, eine Beschleunigungsphase, eine Phase der maximalen Geschwindigkeit sowie eine Phase der Geschwindigkeitserhaltung. Zudem findet der Wettkampf in der Regel unter erholten Bedingungen statt. In den Teamsportarten jedoch, wie im Fuß- oder Basketball, kommt zusätzlich das Abbremsverhalten und Richtungswechsel mit und ohne Ball sowie Zweikampfsituationen hinzu.
Fokussierung auf den Sprint
Eine wesentliche Komponente für das Abrufen der besten Leistung ist die neuronale Readiness sowie die Koordination von Anspannung und Entspannung. Sind nämlich zu viele Muskeln angespannt, so wirken die antagonistischen Muskeln der Beugeschlinger wie zum Beispiel die Hamstrings zu stark und erhöhen ihre Bremswirkung. Dies lässt sich am besten über den Bodenreaktionskräfte oder Bodenkontaktzeiten analysieren.
„Der Unterschied zwischen einem durchschnittlichen und einem olympischen Sprinter wird an der Bodenreaktion beobachtbar. Während durchschnittliche Sprinter in der Phase der maximalen Geschwindigkeit in 120 Millisekunden mehr als 2000 Newton auf die Bahn bringen, schafft es der olympische Sprinter innerhalb einer Kontaktzeit von 80 Millisekunden fast 3000 Newton auf die Track zu zaubern. Dieser Unterschied äußert sich durch eine deutlich reduzierten Schrittlänge bei den durchschnittlichen Sprintern.“
Demzufolge ist die Schrittfrequenz und Schrittlänge ein relevanter diagnostischer Aspekt. In der Regel variiert die Schrittfrequenz zwischen 4 bis 6 Schritten pro Sekunde und einer Schrittlänge von 200 bis 240 cm.
Allerdings erreicht ein Topsprinter wie Usain Bolt eine Schrittlänge von bis zu 290 cm und erzielt dabei eine horizontale Geschwindigkeit von über 12 Metern pro Sekunde (Mackala & Mero, 2013).
Abb. 1: Reduzierung der Fußkontaktzeiten und Erhöhung der Kraftentwicklung bei erhöhter Geschwindigkeit (Kraus, 2016 adaptiert nach (Bosco, 1999).
Falls Du keinen Zugang zu Kraftmessplatten oder Kontaktzeitmessern hast, dann greife sie zur Lichtschranke, zur Videokamera oder zur Stoppuhr und nutze sowohl die Zeit als auch das Bildmaterial als Indikatoren. Vertraue deinen Augen und deinem Gehör, denn eine gute Sprinttechnik erkennst du auch am Ton und an der Schrittgestaltung. Wie du aus Abbildung 1 entnehmen kannst, erfolgt mit der Geschwindigkeitserhöhung eine Erhöhung der exzentrischen und konzentrischen Kraftbelastung bei reduzierter Kontaktzeit. Um demzufolge ein optimales Abdruckverhalten zu erzeugen ist eine erhöhte Stiffness im motorischen System notwendig sowie die koordinierten Bewegung von oberer und unterer Extremität, da sie einerseits helfen den Körperschwerpunkt vertikal und lateral zu stabilisieren und zu beschleunigen.
Diese Stiffness beim Sprint wird hauptsächlich durch die Zusammenarbeit von Bindegewebe und schnellen Muskelfasern (FT-Fasern) erzeugt. FT-Fasern werden von großen motorischer Einheiten innerviert und verkürzen sich deutlich schneller als die langsamen Muskelfasern. Von der Einleitung der Kontraktion bis zur maximalen Kraftentfaltung benötigen die FT-Fasern 10-50ms und entwickeln dabei viel größere Kräfte als die ST-Fasern über 60-120ms (Rainoldi & Gazzoni, 2011). Hier wird der genetische Vorteil von einem Verhältnis von FT zu ST ersichtlich. Athlet A ist zum Beispiel mit einer erhöhten Anzahl von FT-Fasern in der spezifischen Muskelschlinge (75% FT zu 25% ST) ausgestattet als Athlet B mit geringerem Verhältnis (60% FT zu 40% ST) und könnte hypothetisch bei gleicher Kontaktzeit z.B. 80 Millisekunden mehr Kraft entwickeln. Dies ist ein entscheidender Vorteil.
Doch so schnell geben wir nicht auf
– denn die weitere Analyse liefert uns noch einen weiteren entscheidenden physiologischen Marker: das Verhältnis von langsamer und schnellkontrahierender Muskelmasse in der spezifischen Muskelschlinge. Im Gegensatz zum genetisch wohl festgelegten prozentualem Muskelfaserverhältnis in den Muskelschlingen lässt sich das Verhältnis langsamer zu schnellkontrahierender Muskelmasse verbessern. Um Athlet B schneller zu machen sollten wir auf physiologischer Ebene eine selektive Hypertrophie der schnellkontrahierenden Muskelmasse anstreben. Wie man dies erfassen und trainieren kann folgt im kommenden Artikel.
Zunächst möchte ich den Fokus auf die Startaktion richten. Sie erfordert die nötige Konzentration, ein gutes Verhältnis von Anspannung und Entspannung sowie einen explosiven Abdruck in der horizontalen Ebene. Hierfür ist ein großes Maximalkraftniveau vorteilhaft. Zudem sind eine Startreaktion und eine schnellkräftige Startaktion wichtig.
Abb. 2: Aktionsschnelligkeit vom Signal bis zum initialen Kontakt. Ideal um den Fokus zu erhöhen und Feedback zu geben.
Für das Training der Kraftentwicklung für die Start- und Beschleunigungsaktion habe ich Ihnen ein paar in der Praxis bewährte Übungen zusammengestellt, die sie im allgemeinen Fitnesstraining z.B. als Warm-up oder Hauptteil umsetzen können. Aus meiner Sicht liegt ein Vorteil von Start- und Reaktionsübungen darin, dass du die Konzentration im Training erhöhen kannst. Die erhöhte Gehirnaktivität erkennst du beispielsweise an der verhältnismäßig starken Schweißproduktion. Um den Athleten über die Leistung seiner Startaktion zu informieren sowohl als auch um mögliche Trainingseffekte zu untersuchen, ist eine Messung unabdinglich (Abb. 2).
Programmdesign
Übungsselektion
Execution 1: Aktionsschnelligkeit mit der Startkniebeuge
Der Athlet geht in eine leichte Ausfallschrittstellung und springt auf ein akustisches Kommando (z.B. „Hepp“) oder visuelles Signal maximal nach oben. Nach jeder Startaktion, wechselst du die Auslage der Ausfallschrittstellung.
Execution 2: Aktionsschnelligkeit mit der Kniebeuge
Der Athlet geht in die Kniebeuge und springt auf akustisches Kommando oder visuelles Signal maximal nach oben. Durch zusätzliches Gewicht lässt sich der Reiz in Richtung zur Kraftentwicklung verändern.
Execution 3: Aktionsschnelligkeit für den Startblock von der Box
Der Athlet sitzt auf der Box springt von dort maximal nach vorne oben. Der Vorteil dieser Übung ist, dass damit die Gegenbewegung bei der Auftaktbewegung reduziert wird. Wenn einen akustisch-taktilen Reiz setzen wollen, so lassen sie den Athleten die Augen schließen.
Euer Kornelius Kraus
Hallo Kornelius !
Ich schon wieder…
Die Stiffness (bzw. Elastizität) ist m.M.n. das,was im Sprint
(über Strecken länger als 30m) absolut ausschlaggebend ist.
Und die lässt sich nach meiner Information kaum bis gar nicht
trainieren (wohl aber durch andere Maßnahmen maximieren nach meiner Meinung).
Der Anteil der Myo-Fibroblasten scheint genetisch bedingt zu sein.
Ohne ein extrem hohes Maß an Elastizität (in den geforderten Strukturen)sind unter 10s auf 100m absolute Illusion.
Alles andere kann man natürlich trainieren,aber aus einem Ackergaul wird niemals ein Rennpferd,ist leider so.
Trotzdem guter Artikel!
Gruß!
Thomas